Trias

13. Ceratiten des Oberen Muschelkalks

Ceratiten des Oberen Muschelkalks

... sind seit Generationen beliebte Sammelobjekte und relativ häufig anzutreffende Fossilien des Oberen Muschelkalks.

Sie existierten über einen Zeitraum von ca. 3,5 Millionen Jahren und blieben auf das, von der Tethys zeitweise abgeschnürte, Muschelkalkmeer beschränkt. Ihr Ursprung ist nach wie vor ungeklärt. Während im Jura die Schalen der Ammoniten meist fossil überliefert sind, haben wir es im Oberen Muschelkalk nur mit Steinkernen, also der Abformung des Gehäuseinneren der Tiere zu tun.

Das herausstechendste Merkmal der Ceratiten ist ihre geschwungen aufgebaute Lobenlinie. Ihre Formenvielfalt macht sie für uns Muschelkalksammler äußerst attraktiv, aber auch schwer bestimmbar.

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Ceratites weyeri - Durchmesser: 16 cm - Moselle, Frankreich - Sammlung: O. Schmid


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Ein Blick zurück

Während Riedel und Philippi schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts vermuteten, dass es sich bei den Ceratiten des Oberen Muschelkalks um die Entwicklung einer Gattung handeln könnte, erschien dies Schrammen in den 30er Jahren eine viel zu einfache Erklärung zu sein; infolgedessen stellte er zahllose neue Gattungen auf. Er glaubte an ein permanentes "Auftauchen" und "Aussterben" der verschiedenen Ceratiten"arten". (Veröffentlichungen erfolgten 1928 und 33, während seine Monographie nie erschien). Durch SPATH erlangten Schrammens Gattungen offiziellen Status. Wenger erklärte sie dann schließlich in seiner Monographie 1957 zu Untergattungen. Auch er sah in den Ceratiten verschiedene Arten, die er mittels der Morphologie sicher über ihre charakteristischen Formtypen bestimmbar machen wollte (WENGER 1957). Über die Jahrzehnte wurden von verschiedenen Bearbeitern weit über 60 Arten und Unterarten der Gattung Ceratites aufgestellt. Diese, in der Paläontologie meist nach wie vor gültigen Gattungen, Untergattungen, Arten und Unterarten der verschiedenen Ceratitenzonen basieren dabei nur auf der Auswertung morphologischer Daten von teilweise unhorizontiertem Material und oft anhand weniger Exemplare. Dies kann man den Autoren der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts aber keinesfalls zum Vorwurf machen, da sie nur das Material auswerten konnten, was ihnen zur Verfügung stand. Erst seit Wenger wurde verstärkt Wert auf horizontiertes Ceratitenmaterial gelegt.

Dass aber die Form zur Unterscheidung der einzelnen Arten und Unterarten sehr problematisch ist, stellte schon WENGER in seiner 1957 verfassten Ceratiten-Monographie fest. So ist es auch nachvollziehbar, warum von Bearbeiter zu Bearbeiter laufend revidiert wurde, um dann sofort wieder neue Arten aufzustellen, da jeder für sich, nach rein subjektiven Gesichtspunkten die verschiedenen Ceratiten"arten" voneinander zu trennen versuchte. Eine weitere Problematik stellt die mangelnde Kenntnis über die Jugendformen der Ceratiten dar, denn nur so ist es zu erklären, dass manche Jugendformen sogar in einen eigenen Gattungsstatus erhoben wurden (z.B. Ceratites muensteri, armatus, parvus....).

Ceratitenforschung Heute

Paläontologen wie Hagdorn, Kozur, Mundlos, Urlichs u. a. setzten in jüngerer Zeit den einst von Schrammen eingeschlagenen Weg unbeirrbar fort. Jüngstes Beispiel: KLUG et al. 2005 in ihrer 15 Seiten umfassenden Arbeit "Ammonideen des Germanischen Beckens in der Mitteltrias - Stratophänetische Analyse, Lebensweise, Aussterben und Einwanderungen", die basierend auf den Messdaten von nur 500 Ceratiten aus dem gesamten Oberen Muschelkalk wiederholtes Aussterben und Einwandern verschiedener biologischer Arten festgestellt haben wollen. Während sich die Forschung bisher rein typologisch mit den Ceratiten befasste, ging man in Thüringen einen anderen Weg. Seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts versucht Siegfried Rein aus Erfurt zu ergründen welche Rückschlüsse sich aus den Steinkernen der Ceratiten auf die biologische Organisation der Tiere ziehen lassen.  Dort wurden aufgrund qualitativer Ceratiten-Aufsammlungen (bis zu 6000 Exemplare aus einer Schicht) auf Populationsebene (REIN 1988, 1999, 2005/6 und 2007 im Druck) viele neue Erkenntnisse gewonnen, die vieles, was die bisherige Sichtweise betrifft, fragwürdig erscheinen lassen. Diese Erkenntnisse und ihre Auswirkungen auf die Ceratitenbestimmung kurz vorzustellen, soll Hauptbestandteil dieser Arbeit sein.


Ontogenie (Entwicklung) des Ceratitentieres

1. Ontogeniestadium - skulpturlose Morphen:

Im frühesten Entwicklungsstadium bleibt das Gehäuse aller Ceratiten nahezu skulpturlos und bildet erst später marginale Knötchen aus

2. Ontogeniestadium - dichotome Morphen:
 
Danach erfolgt die Bildung lateraler Knoten oder Falten, die zuerst trichotom (1:3), dann dichotom (1:2) Marginalknötchen gegenüberstehen.
 

3. Ontogeniestadium - einfachrippige (nodose) Morphen:
 
Dieses letzte Stadium besteht in der Ausbildung von Einfachrippen (OCKERT & REIN 2000)
 

Daran mag man erkennen warum die Unterscheidung von juvenilen Exemplaren verschiedener Ceratitenzonen nahezu unmöglich ist.
 
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C. spinosus, C. spinosus, C. evolutus, C. spinosus, C. compressus, C. robustus
Größter Ceratit 7,3 cm Durchmesser - Sammlung: O. Schmid


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C. compressus, C. praenodosus, C. spinosus, C. praenodosus, C. spinosus
Grösster Ceratit 7 cm Durchmesser - Sammlung: O. Schmid


Entwicklungsreihe der Ceratiten

Basierend auf tausenden von Messdaten, die bei den Massenaufsammlungen auf Populationsebene verschiedener Ceratitenzonen gewonnen werden konnten, ergeben sich für die zukünftige Ceratitenforschung folgenreiche Erkenntnisse.
Da das Muschelkalkmeer ein mit der Tethys nur über die Burgundische Pforte verbundenes Nebenmeer darstellte, kann nach dem Einwandern des ersten Ceratiten von einer Artentwicklung unter Isolationsbedingungen ausgegangen werden, die eine mehr oder weniger kontinuierliche Abfolge von Populationen, bis zu ihrem Aussterben in der Semipartitus-Zone, bildeteten.
Demnach sind die Ceratiten einer Population ausschließlich Variationsbreiten einer Art und nicht, wie bisher angenommen, eigenständige Gattungen. Das bedeutet, dass alle Ceratiten einer Population einer Zone gleiche artspezifische Merkmale aufweisen, ihnen also ein gemeinsames genetisches Muster zugrunde liegt. Desweiteren konnte festgestellt werden, daß in einem Übergangsbereich von einer Ceratiten-Zone zur nächsten, alle Ceratiten einer Population ihre grundlegenden Artmerkmale gemeinsam ändern (gemeinsamer Genpool!). Am Anfang des Übergangsbereichs von einer Zone zur nächsten finden sich erst wenige Morphen mit den neuen "art"spezifischen Merkmalen, während an deren Ende die der neuen Zone vorherrschen. In diesem Bereich vollzieht sich der Gehäuseumbau relativ schnell, aber innerhalb einer Zone verändern sich die Gehäusemerkmale kaum. Es stellt aber auch nichts Ungewöhnliches dar, wenn man in einer Zone auch Ceratiten mit Merkmalen der vorherigen oder nachfolgenden Zone auffindet (REIN im Druck 2007). Dieser Wechsel der Morphologie wird als Reaktion der Ceratiten auf einschneidende ökologische Veränderungen ihres Lebensraumes gedeutet.



E- und P-Typen

Die Auswertung der Daten ergab desweiteren, dass pro Ceratiten-Zone grundsätzlich 2 verschiedene Formen existieren; eine stärker skulpturierte Morphe mit skulpturierter Innenwindung (P-Typ) und eine mit schwächer ausgelegter Skulptur und glatter Innenwindung (E-Typ). P-Typen tragen auf der Innenwindung starke Wülste und Dornen während die Innenwindung der E-Typen nicht ausschließlich glatt sein müssen, sondern auch mit Falten und Knötchen skulpturiert sein können.

Es existieren also 2 voneinander klar zu trennende Biospezies.

Diese Unterscheidung ist mit bloßem Auge und mit etwas Übung meist klar zu erkennen, sofern die Innenwindung erhalten ist. Einzig bei den involuten Ceratiten der semipartitus-Zone kann dies kaum gelingen, da die zur Unterscheidung massgeblichen juvenilen Innenwindungen durch die nachfolgenden Windungen überwachsen sind.

 

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Ceratites praenodosus, Hollstadt - links E-Typ - rechts P-Typ, Sammlung: O. Schmid
 

Der Phragmokon als Informationsträger

Der Phragmokon der Ceratiten wurde in der Vergangenheit bei der Betrachtung der Ceratiten fast völlig vernachlässigt. Dabei enthält er wichtige Informationen, die Rückschlüsse auf die Entwicklung des Ceratitentieres zulassen. Über die Anzahl der Septen auf 180°, den Drängungs- und Wachstumsindex und andere neuartige Messmethoden, die Siegfried Rein 2003 entwickelte, läßt sich das Verhalten der E- und P-Typen zueinander genauer untersuchen (siehe: Zur Biologie der Ceratiten der spinosus-Zone - Ergebnisse einer Populationsanalyse - Teil I - Kapitel 6 bis 9, REIN 2003).

In diesem Rahmen ist es aus Platzgründen leider nicht möglich im Einzelnen auf die Methoden und die Ergebnisse der statistischen Auswertung der Datensätze einzugehen. Zusammenfassend kann aber gesagt werden, dass sich die Morphen E- und P wie männliche und weibliche Tiere rezenter Populationen zueinander verhalten. Beispielsweise zeigt der P-Typ mit seinen weiter stehenden Septen ein schnelleres Grössenwachstum, dass in einem größeren Enddurchmesser mündet, während die Morphe E mit ihren enger stehenden Septen und einer früher erreichten finalen Lobendrängung bei gleicher Septenanzahl (gleiches Alter!) wie "P" immer kleiner bleibt als "P".

Die Morphen "E" und "P" stehen folglich für den nachgewiesenen Geschlechtsdimorphismus bei den Ceratiten des Oberen Muschelkalks.

Schlussbetrachtung

Basierend auf diesen Auswertungen kann also in der horizontalen (auf Populationsebene) eine sehr große Variationsbreite und in der vertikalen ein permanent fortschreitender Gehäuseumbau nachgewiesen werden (Evolution!). Es kann also davon ausgegangen werden, dass es sich bei den Ceratiten des Oberen Muschelkalks ausschliesslich um eine Biospezies handelt, wobei die Bezeichnungen der verschiedenen Zonenceratiten ausschließlich Zeitformen (Chronospezies) darstellen, die eine bestimmte Phase in der Evolution des Ceratitentieres dokumentieren. Sie sind also ein rein stratigraphisches Hilfsmittel und stellen keine selbstständigen Arten dar! Diese Zeitformen sind allerdings für die Biostratigraphie des Oberen Muschelkalks unerlässlich, da nur durch die Ceratiten und ökostratigraphische Leitbänke (Tetractinella-, Spiriferina- und cycloides Bank) eine präzise Unterteilung und überregionale Parallelisierung des Oberen Muschelkalks möglich ist.


"Biologisches" und angewandtes logisches Denken münden in ein wissenschaftlich fundiertes Modell, das die Evolution und Morphologie der Ceratiten gut zu erklären vermag. Gleichzeitig wird an ihm deutlich, warum die Bearbeiter, die die Ceratiten allein nach typologischen Gesichtspunkten behandeln scheitern müssen: das Bestreben eine evolutionäre Entwicklung einer Art über eine eng definierte Morphologie in verschiedene Spezies unterteilen zu wollen ist nicht zu bewältigen.

Logisch zu Ende gedacht führt uns diese Herangehensweise zu: Ceratites xyz in der jeweiligen Zeitform der verschiedenen Ceratiten-Zonen.


In den nun folgenden 12 Arbeiten werden wir versuchen, die verschiedenen Ceratitenzonen und ihre darin vorkommenden Ceratiten zu beschreiben und in möglichst vielen Variationsbreiten und Entwicklungsstadien abzubilden.


*Da diese Arbeit aber nur rudimentär die Komplexität der Thematik wiedergeben kann, hier noch weiterführende Links für Interessierte:


http://de.wikipedia.org/wiki/Art_%28Biologie%29

http://www.trias-verein.de/fossilien/oberer_muschelkalk/phylogenese.php

 
 

Weiterführende Literatur:

 
PHILIPPI, E. (1901): Die Ceratiten des Oberen Deutschen Muschelkalkes.- mit 21 Tafeln und 19 Abbildungen im Text. Verlag Gustav Fischer, Jena 1901

REIN, S. (1993): Zur Biologie und Lebensweise der germanischen Ceratiten.
- in: Muschelkalk. Schöntaler Symposium 1991, S. 279-284, 7 Abb., Stuttgart, Korb (Goldschneck).
 
REIN, S. (1988): Die Ceratiten der pulcher/robustus -Zone Thüringens.- Veröff. Naturhist. Mus. Schleusingen, 3, 28-38, 2 Taf., 4 Abb., 7 Tab., Schleusingen.
 
REIN, S. (1996): Zur Phylogenie der germanischen Ceratiten.- Veröff. Naturkundemuseum Erfurt, 15: 15-24, 7 Abb., Erfurt.
 
REIN, S. (1997): Über Wachstum und Lebensalter der Ceratiten.- Veröff. Naturkundemuseum Erfurt, 16: 197-206, 11 Abb., Erfurt.
 
REIN, S. (1999): Über Ceratites armatus PHIL. und Ceratites münsteri  PHIL. aus dem Oberen Muschelkalk Thüringens.-
Veröff. Naturhist. Mus. Schleusingen, 14: 43-51, 16 Abb., Schleusingen.

WENGER R. (1957): Die Germanischen Ceratiten
Paleontographica, A108: 57-129; Stuttgart

WILLMANN, R. (1985): Die Art in Raum und Zeit.-

Verl. P. Parey, 207 S., 46 Abb., Berlin und Hamburg.