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Geologische Exkursionen durch das Baltikum

Geologische Exkursionen durch das Baltikum in den Jahren 2015 und 2016

 

Vom 30. Mai bis 09. Juni 2015 führte meine Reise von Tallinn (früher Reval) über Riga nach Vilnius. Mein Reisebegleiter Karl hat sich gern durch das Baltikum führen lassen und war stets geduldig, wenn ich etwas länger bei dem Auflesen von Steinen verharrte.
Wir landeten in Vilnius und genossen die wunderschöne mittelalterliche Altstadt, die besonders gern von Finnen besucht wird, die täglich mit der Fähre von Helsinki aus diese Stadt besuchen. Der Domberg steht auf einem „Glint-Ausläufer“ - einem Massiv aus unterordovizischen Kalken. Unterhalb der massiven Kalkbänke soll auch kambrischer Volberthellen-Sandstein anstehen, den ich allerdings vergebens suchte. Das Kambrium wird im Wesentlichen von mächtigen „Blauen Tonen“ mit oben genannten Sandstein-Lagen bestimmt. Die Konsistenz der Tone ist plastisch, da sie im Verlauf der Diagenese nie stark überprägt wurden. Oberhalb der Tone sind unterkambrische bis mittelkambrische Sandsteine von eher geringer Mächtigkeit vorhanden.

 

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Abb. 1: Blick vom Domberg auf die Stadtmauer, Michaelskloster und Olai-Kirche.

 

Bei einem Ausflug in den Lahemaa-Nationalpark östlich von Tallinn besteht der Strand überwiegend aus grauen Sanden, die aus aufgearbeiteten kambrischen Sandsteinen bestehen.

 

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Abb. 2: „Kambrischer“ Sandstrand im Lahemaa-Nationalpark.

 

Unser Ausflug führte zunächst an die Nordspitze des Lahemaa-Nationalparkes mit Blick auf die nördlichste vorgelagerte Insel Estlands - Mohni. Typisch für den Nationalpark sind Findlinge aus präkambrischen Kristallin-Gesteinen Finnlands, die es nicht geschafft haben, mit dem Eis den „Glint“ zu überqueren.

 

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Abb. 3: Die Nordspitze Estlands.

 

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Abb. 4: Finnische Findlinge an der Küste des Lahemaa-Nationalparks.

 

Neben den präkambrischen Kristallin-Gesteinen und Sanden kambrischen Ursprungs waren auch Kalksteine aus dem Ordovizium am Strand zu finden. Etwas jenseits des Strands wurden Kiese aus Kuckersit – dem Ölschiefer aus dem mittleren Orovizium – abgelagert. Diese Einladung nahm ich gern an, um ein paar schöne Bryozoen und Brachiopoden aufzulesen.

 

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Abb. 5: Schnecken(?)-Steinkern in Echinosphaeritekalk, Durchmesser der Schnecke: 15 mm.

 

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Abb. 6: Bryozoen in „Kuckersit“ – mittleres Ordovizium, Estland (Kantenlänge: 25 mm).

 

Am Westrand des Lahemaa-Nationalparkes erklommen wir schließlich den ca. 100 m hohen „Glint“, der übersät war mit Großen Windröschen und besuchten anschließend den Wasserfall von Jägala Kosk. Am Wasserfall zierten vereinzelt Kopffüßer den steinigen Boden. Die Aktivitäten zum Fossilien-Sammeln verschoben wir jedoch auf einen weiter westlich gelegenen Steinbruch bei Ülgase, in dem Phosphat abgebaut wurde.

 

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Abb. 7: Auf dem „Glint“.

 

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Abb. 8: Der Wasserfall von Jägala Kosk.

 

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Abb. 9: Ordovizische Kopffüßer am Wasserfall.

 

Die ehemalige Phosphatmine schließt das gesamte untere Ordovizium auf. Das Phosphat wurde überwiegend aus den Schalen von Brachiopoden des „Obolus-Sandsteines“ – der ordovizischen Grenzschicht zu den Sandsteinen des Kambriums – gewonnen. Diese Schichten standen nunmehr unter Wasser. Die Hänge bestanden aus dünnblättrigen Dictyonema-Schiefern, die wiederum von härteren Bänken aus „Glaukonit-Kalk“ mit einzelnen Brachiopoden, Calcit und Kupferkies bedeckt wurden. Zwischen zwei „Linsenschichten“ liegt der etwas mergelige „Vaginatenkalk“ mit verschiedenen Brachiopoden. Im Hangenden folgen die Echinospaeritenkalke und der „Baukalk“. Insbesondere letztere Schicht ist reich an Fossilien – es treten dort überwiegend Cephalopoden, aber auch verschiedene Schnecken und Trilobiten auf.

 

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Abb. 10: Blick in die Phosphatmine von Ülgase.

 

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Abb. 11: Brachiopoden in ordovizischen Kalksteinen.

 

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Abb. 12: Cephalopoden aus der Phosphatmine Ülgase (rechts oben: 8 cm lang).

 

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Abb. 13: Schnecken aus dem Baukalk von Ülgase (Durchmesser der größeren Exemplare 40-45 mm).

 

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Abb. 14: Trilobitenschwanzschild aus dem Baukalk von Ülgase (ca. 20 mm).

 

Von Tallinn aus ging es mit dem „Elron“-Zug durch Koniferen-Wälder nach Pärnu im äußersten Südwesten Estlands. In Pärnu ist das Ostseewasser sehr flach und war dadurch bereits Anfang Juni relativ warm. Der Strand ist feinsandig und enthält nur wenig Steine. Diese wurden teilweise aus dem Gebiet Saaremaa durch Gletschereis herantransportiert, so dass mir ein Einblick in das Silur von Estland gewährt wurde. Besonders zu erwähnen ist das Vorkommen schöner Korallen aus den Jaagarahu-Schichten. Aus dem Estonus-Kalk stammen diverse Brachiopoden unterschiedlicher Gattungen. Die Paadla-Schichten waren mit einer bestimmten Brachiopoden-Gattung sowie einer rugosen Koralle in Stromatoporen-Gestein vertreten. In Pärnu beginnen auch die untersten Schichten des Devons mit Brachiopoden.

 

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Abb. 15: Am Sandstrand von Pärnu.

 

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Abb. 16: Silur-Koralle von Pärnu (Länge des Steins: 55 mm).

 

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Abb. 17: Devon-Brachiopoden von Pärnu (Brachiopoden: 6 bis 10 mm).

 

Mit dem Bus ging es weiter nach Riga – mit Abstecher in das „Gauya-Tal“. Sigulda ist eines der bedeutendsten Orte im Gauya-Nationalpark, berühmt vor allem als Wintersport- Wasser- und Radsport-Zentrum. Mit der Seilbahn überquerten wir den Gaya, besuchten die Gutmannshöhle und die Burg Turaida und fuhren mit dem Kanu durch den Fluss, um die bunten fluviatilen Sandsteine des mittleren Devons zu bewundern.

 

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Abb. 18: Überquerung des Gauya mit der Seilbahn.

 

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Abb. 19: Devonische Sande im Gauya.

 

Die Hansestadt Riga ist vor Allem durch seine vielen Jugendstil-Gebäude bekannt, aber auch Romanik, Gotik und Renaissance sind vertreten. Der Gauya fließt in Riga in die Ostsee. Ein künstlicher Kanal bildet einen „Grüngürtel“ um die Altstadt. Die einst ausgekofferten Gesteine aus dem mittleren Devon wurden zu einem kleinen Berg angehäuft. Die Gesteine enthalten zahllose Schnecken.

 

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Abb. 20: Die Altstadt von Riga mit Rathaus und Petrikirche.

 

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Abb. 21: Pilsetas-Kanal im „Grüngürtel“ Rigas.

 

Von Riga aus brachte uns ein Bus nach Kleipeda in Litauen, von wo aus wir per Schiff auf die „Kurische Nehrung“ fuhren. Unser Ziel war Nida, einst Wohnort von Thomas Mann. Am Ostseestrand war es sommerlich heiß, wenngleich das Wasser noch recht frisch war. Das „Strandgut“ enthiel u. a. Bryozoen, ein paar Kreide-Fossilien sowie etwas Bernstein aus dem Oligozän.

 

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Abb. 22: Fregattenschiff in Klaipeda

 

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Abb. 23: Die Kurische Nehrung mit Blick in Richtung „Oblast Kaliningrad“.

 

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Abb. 24: Korallen oder Bryozoen (?) aus Nida – Kurische Nehrung (Länge linkes Exemplar: 17 mm).

 

 

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Abb. 25: Tertiärer Bernstein und Zapfen aus Nida (Länge Zapfen: 20 mm).

 

Den Abschluss der Exkursion bildete Vilnius – die Hauptstadt Litauens. Dort wurden wir von einer befreundeten Familie willkommen geheißen. Die Stadt war so faszinierend und diese Familie so herzlich, dass ich den Beschluss fasste, im Sommer 2016 erneut nach Vilnius zu reisen – mit Familie.

 

Vilnius wird aufgrund der vielen oft barocken Kirchen „Rom des Nordens“ genannt. Aber auch Gotik und Klassizismus sind zahlreich vertreten. Sehr interessant ist in Vilnius vor allem die Universität – eine der ältesten Europas.

 

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Abb. 26: Blick vom „Glockenturm“ der Universität zum Gediminas-Berg und den „Drei Kreuzen“.

 

Bei einer Wanderung vom Künstlerviertel Uzupio zum Berg der „Drei Kreuze“ fielen mir Pflanzenreste aus dem Devon und Fossilien aus dem Silur in die Hände. Kurz vor Erreichen der Bergspitze mit den drei Kreuzen steckte ein großer Kopffüßer aus dem Ordovizium, der sicherlich auch heute noch zu bewundern ist.

Nach einem Ausflug nach Trakai – unbedingt zu empfehlen – besuchten wir den Mittelpunkt Europas – einem Skulpturenpark „Europapark“ nördlich von Vilnius. Anschließend kühlten wir uns im Grünen See“ von Vilnius ab. Im Europapark und am grünen See konnte ich jeweils eine Brachiopode aus dem Ordovizium bergen.

 

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Abb. 27: Silurischer Krinoidenkalk aus Vilnius (Kantenlänge: ca. 7 cm).

 

Per Taxi ging es über Sovietsk (ehemals Tilsit) nach Pionerski (ehemals Neukuren) an die Ostseeküste im Oblast Kaliningrad. Dieser Kurort ist wirklich sehr erholsam. Allerdings sollte man in diesem Ort Grundkenntnisse in Russisch mitbringen, da andere Sprachen selten gesprochen werden.

Am „Steinstrand“ fielen mir einige sehr interessante Steine in die Hände, darunter Gastropoden und Trilobiten aus dem Ordovizium, silurische Beyrichienkalke mit zahlreichen Trilobiten-Resten von Diacalymene, verschiedenen Brachiopoden, Bryozoen, Gastropoden, Muscheln und einem Orthoceren. Eine Koralle fiel mir ebenfalls in die Hände. Sehr erfreut war ich über diverse devonische Fossilien. Auch konnte ich einige kreidezeitliche Fossilien entdecken. Nach dem Steinstrand kam der Bade-Sandstrand, danach der „Bernsteinstrand“ mit viel Tang. Die Ausbeute an Bernstein war recht groß, auch wenn die gefundenen Einzelstücke relativ klein waren. In einem Stück waren Sporophyten von Lebermoosen enthalten. Größere Bernsteinstücke konnte man käuflich erwerben – in Jantarny wird dieser bergmännisch abgebaut. Yantarny heißt übersetzt „Bernstein“. Inklusen in Form von Insekten sind unter Sammlern sehr begehrt.

Es ist schade, dass derzeit keine direkte Zugverbindung nach Kaliningrad besteht und auch die Verbindungen in die übrigen baltischen Staaten relativ dürftig sind – für mich war die Exkursion in das Baltikum eine „Entdeckung“, die ich trotz der schlechten Verkehrsanbindung sehr empfehlen kann.

 

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Abb. 28: Der Ostsee-Strand von Pionerski (Oblast Kaliningrad).

 

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Abb. 29: Trilobitenfragment und Schnecken aus dem Ordovizium von Pionerski (Schnecke links oben: ca. 15 mm lang).

 

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Abb. 30: Beyrichienkalke u. a. mit Trilobiten-Resten. sowieeine  Koralle aus dem Silur von Pionerski (Schwanzschild Trilobit unten: 15 mm).

 

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Bernstein aus Pionerski.

 

Ronald Grube

 


 

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