Hallo Florian,
freyburg1 hat geschrieben: ↑Dienstag 11. August 2020, 22:20
Wie entsteht sowas dann genau? Es gab einen Hohlraum im Gestein, Wasser ist durchgeflossen und hat das Zeug abgelagert? Wächst sowas von unten nach oben under umgedreht? Ist das zweite Foto quasi richtig herum oder steht es auf dem Kopf?
Das ist etwas vertracktes Zeug. Es fallen hier diese vielen, dicht an dicht nebeneinander stehenden Säulen auf, die durchgehend denselben Durchmesser haben. Bei gravitativ beeinflussten Speläothemen ("Tropfsteine") bildet sich genau das
nicht aus. Abgesehen von Sonderformen ("Makkaroni") sind Stalagmiten und Stalaktiten immer kegelförmig, das bleibt auch bei Stalagnaten so. Sie füllen auch nicht den gesamten zur Verfügung stehenden Hohlraum gleichmäßig auf, weil das Wasser sich immer auf lokale topografische Minima der Höhlendecke konzentriert.
Was du hier zeigst ist meiner Meinung nach ein schon stark verwittertes Relikt einer Pseudomorphose von Calcit nach Fasergips. Der Fasergips bildet sich immer senkrecht zur Streichrichtung des Klufthohlraums aus, wenn er später durch Calcit ersetzt wird bildet dieser die Stängeligkeit ab. Bei freier Kristallisation macht Calcit das nicht, es gibt höchstens mal dünne "Türme" aus aufeinandergetürmten einzelnen Calcitskalenoedern, die sind dann aber immer in sich verdreht, außerdem ist das recht selten und kommt nicht in der Fläche vor.
Diese Pseudomorphosen sind recht verwitterungsbeständig, man kann sie auch in schon ziemlich verwittertem Bodenmaterial finden.
Es gibt noch Aragonit als weitere Kristallmodifikation des Calciumkarbonats neben Calcit, der primär stängelige und nadelige Kristalle ausbilden kann, hier wäre dann auch eine entsprechende Pseudomorphose nach Calcit denkbar. So etwas ist mir aber noch nicht in der von dir gezeigten Form untergekommen.
Langer Rede, kurze Zusammenfassung: Hier das ganze mal in Bildern:
Fasergipslage zwischen zwei Schichtflächen im Unterkeuper. Der Fasergips ist wiederum auch nur eine Sekundärerscheinung nach der Umkristallisation von derbem Gips. Man beachte die typische Unterteilung in zwei Faserlagen.

- ku_vitriolschiefer_04.jpg (219.22 KiB) 2421 mal betrachtet
Calcit pseudomorph nach Fasergips aus dem Unterkeuper. Die Stücke stammen aus einem stark verwitterten Bereich, in dem der Calcit schon deutlich angelöst ist. Mineraliensammler kennen dafür auch die Begriffe "Landschaftscalcit" oder "Ruinencalcit".

- MLf12.jpg (212.2 KiB) 2421 mal betrachtet

- MLf11.jpg (90.98 KiB) 2421 mal betrachtet
Das kommt dabei heraus, wenn Calcit versucht, stängelig zu wachsen: Jeder dieser Stifte ist eine Reihe von einzelnen, aufeinander gesetzten Skalenoedern. Gerades Wachstum bekommen die nicht hin.

- MA24.jpg (137.22 KiB) 2421 mal betrachtet
Grüße,
Rainer