Tertiär und Pleistozän im schwäbischen Donauried

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Tapir
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Beitrag von Tapir » Mittwoch 25. August 2010, 00:35

Hier mal eine Viviparus apameae galileae aus der GBY-Formation, etwas besser erhalten (aber bei weitem noch nicht das beste Material von der Fundstelle), allerdings auch nur ne knappe Millionen Jahre alt.....

Und genau aus dem Fund-Bereich definitiv umgelagert ;)
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Glück auf!

Johannes Kalbe

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wasserfloh
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Beitrag von wasserfloh » Mittwoch 25. August 2010, 08:00

Servus Johannes,

danke für das Bild mit den wunderschönen Schnecken!

Aber: Erstens waren die Gehäuse - wenn ich es richtig sehe - in Gestein eingebettet, also bei der Umlagerung geschützt, und zweitens sind die Teile 800.000 und nicht wie meine Brackwassermolasse-Viviparen 17 Millionen Jahre alt.

Klar, nach einem solch langen Zeitraum weisen meine Viviparen natürlich Abrollungsmerkmale und Schrammen auf. Aber falls Du mir tatsächlich einmal 17 Mio Jahre alte umgelagerte Schneckengehäuse in dieser Erhaltungsqualität vorzeigen kannst, würde ich mich freuen. 15 Mio Jahre alte bestens erhaltene und nicht in Gestein eingebettete Schneckengehäuse aus dem Steinheimer Kratersee kenne ich - allerdings wurden diese niemals umgelagert.

Ich habe Dir unten eine Skizze der Geologie des Donaurieds bei Günzburg angehängt, von mir erstellt nach SCHLOZ, W. (1979): Geologische Gegebenheiten und Moorbildung, in: Landesvermessungsamt Baden-Württemberg und Regierungspräsidium Tübingen (Hrsg.): Moorkarte von Baden-Württemberg, Stuttgart. Auf der Grafik sieht man, dass die Brackwassermolasse vom Fundort meiner Viviparen gar nicht so weit entfernt, eine Schnecken-Anschwemmung also denkbar ist. Aber wie sollten die Schnecken von unten (Molasse) nach oben in die Kiesschicht umgelagert worden sein?

Du sprichst aus, was ich denke: ein Refugium - und zwar endemisch für das westschwäbische Donauried im Pleistozän. Im wenigen ausgebaggerten Kies an der Fundstelle liegen Tausende von Viviparus suevicus, im verbliebenen Kies unter dem Boden rings um den Baggersee vermutlich Millionen. An allen anderen Kieshalden flussabwärts und flussaufwärts, die ich begangen habe, konnte ich flussabwärts insgesamt zwei kümmerliche Exemplare finden.

Schade, dass das schwäbische Donauried geologisch so wenig erforscht ist - ganz im Gegensatz zum südlich angrenzenden tertiären Hügelland mit reichhaltiger Literatur zur Oberen Süßwassermolasse. Dabei gäbe es im Donauried - wie man sieht - genügend Stoff für geologische Diplomarbeiten... Als Laie tue ich mich eben schwer. Manchmal wäre ich froh, wenn ich bei meinen Sammeltouren einen studierten Geologen neben mir hätte.

Beste Grüße

Michael
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Tapir
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Beitrag von Tapir » Mittwoch 25. August 2010, 08:46

wasserfloh hat geschrieben: Aber: Erstens waren die Gehäuse - wenn ich es richtig sehe - in Gestein eingebettet, also bei der Umlagerung geschützt
Nein, das "Muttergestein" ist ein Ton, dieses Stück stammt aus einer polymikten Eventlage.....

Danke für die Grafik.

Hmm... Das Alter ist bei der Erhaltung nicht zwingend ein wichtiger Faktor. Wenn eine geringfügige Umlagerung egal zu welchem Zeitpunkt geschah (und 50 km sind noch als "gering" einzustufen) und die diagenetischen Bedingungen günstig waren kann es trotzdem gut möglich sein dass Deine Exemplare umgelagert wurden. Wenn ich soetwas in unseren Pleistozänen Kiesen sehen würde würde ich als erstes an eine ausgespülte eiszeitliche Scholle denken...

Und die pleistozänen Kiese liegen doch diskordant auf der Brackwassermolasse, oder?

Hilfreich könnte ein Bild der Schneckchen in situ im orginalen Sediment sein.

Ein weiteres Indiz für eine Umlagerung wäre: Der Lebensraum dieser Gruppe ist rezent auf Stillwasser, bzw. sehr gering bewegtes Wasser beschränkt und es gibt keine Indizien dass das mal anders war. Exemplare in Kiesen sind demnach wahrscheinlich immer irgendwie (und wenn auch nur gering) umgelagert.

Gerade bei der Benennung von Refugien muß man sehr vorsichtig sein und erstmal alle anderen Möglichkeiten ausschließen ;)
Glück auf!

Johannes Kalbe

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wasserfloh
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Beitrag von wasserfloh » Mittwoch 25. August 2010, 09:18

"Exemplare in Kiesen sind wahrscheinlich immer irgendwie umgelagert..." - es sei denn, die Kiese waren zur Zeit der Schnecken-Einbringung bereits zum Stillstand gekommen (wie die Schotterdeckschichten der Donau im späten Pleistozän).

Stillwasser: Ab dem Miozän befanden sich im Donauried zahlreiche Seitenarme der Donau, deren Wasser nicht bewegt war. Heute noch befinden sich über bzw. in der Kiesschicht zahlreiche Donau-Altwasser, aus denen die rezenten Viviparus contectus aus der Mulmschicht (Alter der Schicht: zwischen 7000 und 160 Jahren), die ich im HP-Bericht abgebildet habe, stammen dürften.

Ein Bild der Viviparus suevicus in situ kann ich nicht liefern, da ich nicht wüsste, wie ich mit der Kamera 10 Meter tief in die Kiesdecke eindringen könnte :wink: . Die Fundsituation allerdings ist einfach: Stell Dir zwei 10 m hohe und 30 m lange Kiesberge auf einer Halde vor, in denen zwischen den 0,5 bis 2 cm großen Kieseln pro Quadratmeter und 10 cm Tiefe rund 20 Viviparen liegen (und ansonsten absolut keine andersartlichen Schneckengehäuse).

Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit: Die Brackwassermolasse zieht sich unter der quartären Deckschicht wesentlich weiter an die Donau bzw. meine Fundstelle heran als auf der obigen Grafik dargestellt. Im Lauf der Zeit hat sich der Kies der grabenden und wühlenden Donau in die weiche Brackwassermolasse-Schicht eingesenkt. Beim Baggern kommen dann die Viviparen mit dem Kies nach oben. Letzteres ist gut möglich, da ja auch Gesteine der Oberen Süßwassermolasse mit den darin eingebetteten Blättern und Schnecken in der Kiesschicht liegen und vom Bagger herausgeschürft werden. Andererseits: An einer einzigen Stelle und auf einem einzigen Höhenniveau können ja nur schwer Schichten der Brackwassermolasse und der Oberen Süßwassermolasse zugleich liegen.

Michael

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