Präparation einer Hallucigenia aus dem Kambrium Chinas

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Die Chengjiang-Faunengemeinschaft aus dem Unterkambrium der Yunnan-Provinz von China ist weithin für ihren Artenreichtum bekannt, der einen faszinierenden Einblick in die kambrische Radiation bietet. Äußerst bemerkenswert ist die Weichteilerhaltung der Fossilien aus dem Maotianshan-Schiefer: Antennen, Beine oder Verdauungssysteme können an gut erhaltenen Exemplaren beobachtet werden. Die Weichkörper liegen als dünne filmartige Aluminiumsilikatlagen vor und weisen oft feinste Details auf. Im Idealfall liegen die Fossilien als „Lucky Split“ vor oder liegen nur in einer Gesteinshälfte vor, aus der sie herausgearbeitet werden können. Ein großer Anteil der Funde wird jedoch auf Positiv- und Negativplatte verrissen geborgen und bedarf einer präzisen Transferpräparation. Wie so etwas funktioniert, zeigt folgendes Präparationsbeispiel einer Hallucigenia.

 

Hallucigenia stellt ein problematisches Fossil dar, das zu den Lobopoden gestellt wird. Aus dem Yuanshan-Member ist die Gattung mit H. fortis beschrieben, die zweite Art H. sparsa stammt aus dem Burgess-Shale von Kanada.

Charakteristisch ist ein wurmähnlicher Körper, der auf der Oberseite zwei Reihen mit stachelähnlichen Fortsätzen und auf der Unterseite zwei Reihen mit tentakelartigen Extremitäten aufweist.

Das vorliegende Exemplar zeigt lediglich je eine Reihe Fortsätze auf Ober- und Unterseite, wobei die Extremitäten der Unterseite nur schemenhaft überliefert sind. Das Fossil lag verrissen auf einer Positiv- und einer Negativplatte vor (s. Abb. 1-3).

 

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Abb. 1: Positivplatte vor der Bearbeitung, Breite ca. 16,5 cm. Foto vergrößern.

 

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Abb. 2: Detailansicht des Fossils auf der Positivseite, Länge ca. 2 cm.

 

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Abb. 3: Detailansicht des Fossils auf der Negativseite.

 

Vor Beginn der Präparation schaute ich mir das Spaltpaar sehr genau unter dem Mikroskop an. Gerade bei wertvollen Fossilien, die einen besonderen Erhaltungszustand aufweisen und deren Präparation diffizil ist, ist eine genaue Planung der Vorgehensweise wichtig, um Fehler zu vermeiden. In diesem Fall musste vorab geklärt werden, in welchen Bereichen ein Transfer von Fossilsubstanz realisiert werden kann und welche Bereiche „einfach“ freigelegt werden können. Glücklicherweise gab es nur zwei Bereiche, die aus dem Negativ übertragen werden mussten (s. Abb. 4, 5).

 

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Abb. 4: Die markierten Bereiche müssen transferiert werden. Foto vergrößern.

 

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Abb. 5: Die Bereiche, in denen Substanz aus dem Negativ übertragen werden muss, sind schwarz markiert; noch unter einer dünnen Schicht verborgene Fossilsubstanz ist rot gestrichelt. Foto vergrößern.

 

Leichter gesagt, als getan: das Fossil besteht schließlich nur aus einer dünnen Silikatlage und die zu übertragenden Parts sind nur wenige Millimeter groß. Also musste hier sehr genau gesägt und geschnitten werden (s. Abb. 6).

 

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Abb. 6: Im schwarzen Dreieck befindet sich ein Teil, welches transferiert werden muss.

 

Ebenso präzise muss die Klebung verlaufen, denn hierbei unterlaufende Fehler können beim Maotianshan-Schiefer kaum korrigiert werden. Das Auflösen einer missglückten Klebung in Aceton würde in diesem Fall zum Zerfallen der Platten führen, da sich der Schiefer mit Flüssigkeit vollsaugt und dann aufquillt. Kurzzeitiges Benetzen oder Abwischen mit Alkohol o.ä. ist in der Regel problemlos möglich, aber längeres Einlegen sollte in jedem Fall vermieden werden!
Nach mehrmaligem Anlegen der Scherben wurden diese passgenau aufgeklebt – erfreulicherweise gelang dies ohne Zwischenfälle (s. Abb. 7).

 

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Abb. 7: Beide Teile wurden aus dem Negativ entnommen und passgenau auf das Positiv übertragen. Der noch verborgene Teil der Hallucigenia wurde über eine Strecke von ein paar Millimetern anpräpariert.

 

Als nächstes konnte es dann an das Freilegen des Fossils gehen. Ich begann damit ein paar Millimeter des noch verborgenen Endes aufzudecken und überprüfte dann die transferierten Bereiche (s. Abb. 8).

 

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Abb. 8: Bei der Freilegung der übertragenen Bereiche zeigt sich, dass der Transfer geglückt ist.

 

Neben Nadel und Skalpell können hier auch feine Druckluftstichel verwendet werden, solange die Handführung präzise und „wackelfrei“ erfolgt.

Nachdem der Anfang geschafft war, konnte nun der gesamte noch verborgene Bereich freigelegt werden. Bemerkenswerterweise ist der „Kopf“ vollständig mitsamt Augenfleck erhalten, der sich kontrastreich abhebt – eine absolute Ausnahme(s. Abb. 9)!

 

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Abb. 9: Nach vorangeschrittener Präparation offenbart sich das Kopfende samt Augenfleck.

 

Nun ging es daran, die umgebende Matrix zu glätten, um die Hallucigenia kontrastreich vom Gestein abzuheben und ein harmonisches Gesamtbild ohne störende Präparationsspuren zu schaffen. Außerdem wurde die Platte noch verkleinert, wodurch eine ausgewogenere Relation von Fossil zu Gesteinsgröße erreicht werden konnte (s. Abb. 10).

 

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Abb. 10: Die fertige Stufe in der Gesamtübersicht. Foto vergrößern.

 

Die Abbildungen 11 und 12 zeigen das fertige Präparat in der Nahaufnahme, einmal ohne und einmal mit Alkoholbenetzung zur Kontrastverstärkung. Neben dem ausgezeichnet überlieferten Augenfleck ist der Verdauungstrakt zu erwähnen, der insbesondere am Kopfende und im Mittelteil beobachtet werden kann.

 

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Abb. 11: Detailansicht ohne Alkoholbenetzung, Länge der Hallucigenia ca. 3 cm. Foto vergrößern.

 

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Abb. 12: Detailansicht mit Alkoholbenetzung. Foto vergrößern.

 

Angaben zum Fossil im Überblick

Fossil: Hallucigenia fortis

Fundort: Anning, Yunnan Provinz, China

Formation: Maotianshan Schiefer, Yuanshan Member, Heilinpu Formation

Länge des Fossils: 3 cm

Zeitaufwand der Präparation: 12 Stunden

Präparation: Paul Freitag

Sammlung: Yuxi Wang

 

 

Paul Freitag für Steinkern.de

 


 

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