Ammoniten von Hokkaido – Präparation eines Eubostrychoceras japonicum

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Japan ist für meine Partnerin und mich in den letzten Jahren zu unserem Lieblingsreiseziel geworden. Die pulsierenden Großstädte, die friedvollen Tempel und Schreine, das gute Essen und die japanische Kultur insgesamt verzaubern uns immer wieder aufs Neue. Für mich ebenfalls von großer Bedeutung sind natürlich die Fossilien und auch diesbezüglich hat Japan einiges zu bieten. Besonders faszinierend und in Fachkreisen bekannt sind die Ammoniten aus der Oberkreide von Hokkaido. Gerade die bizarr anmutenden heteromorphen Vertreter werden von Sammlerinnen und Sammlern auf der ganzen Welt bewundert. Da ich an unserem geliebten Hobby die Präparation von Fossilien am meisten schätze, kam bei mir der Wunsch auf, selbst ein paar dieser Ammoniten zu präparieren. Dank meiner Sammlerfreunde Ito Takashi und Mikami Tomoyuki ging dieser Wunsch im Frühjahr des letzten Jahres auch tatsächlich in Erfüllung: ich konnte ein wenig Rohmaterial tauschen. Über die Präparation des ersten Ammoniten, eines Eubostrychoceras japonicum, möchte ich in diesem Artikel berichten.

Wer einmal die Gelegenheit dazu hat, in Tokio zu sein und sich für die Ammoniten der japanischen Oberkreide interessiert, dem sei ein Besuch im National Museum of Nature and Science ans Herz gelegt. Das Museum verfügt auch über eine Website (https://www.kahaku.go.jp/english/#), auf der über den Reiter „Permanent Exhibitions“ einige der Ausstellungen im Überblick erkundet werden können, so auch die der Ammoniten unter dem Punkt „History of the Japanese Islands“ --->„Sea of Ammonites“. In einem der zahlreichen Ausstellungsräume wird ein eindrucksvoller Überblick über die gesamte Ammonitenfauna gegeben: Von eher schlichten planspiral aufgerollten Ammoniten wie Gaudryceras und teils großwüchsigen Puzosien, über heteromorphe Formen wie Scaphites, Polyptychoceras, Scalarites, Hyphantoceras und Eubostrychoceras, bis hin zu einigen der spektakulärsten Vertreter heteromorpher Ammoniten überhaupt wie Nipponites, Muramotoceras und dem extrem seltenen Hypoturrilites gibt es hier äußerst beeindruckende Exemplare zu bestaunen.

Fasziniert von der Vielfalt der japanischen Ammoniten, wollte ich sogleich zur Tat schreiten und mit der Bearbeitung meiner Rohlinge beginnen. Was mir beim Betrachten der Konkretionen und den ersten Präparations-„Tests“ jedoch sofort auffiel: das Gestein ist ziemlich hart und die Konkretionen sind somit überwiegend nicht strahlbar. Auch trennt das Gestein gerade bei stark gerippten Formen in der Regel nur schlecht.
Nur wenige Geoden sind etwas weicher und lassen sich strahlen, was die Arbeit erheblich erleichtert und das zu erreichende Ergebnis deutlich verbessert.
Ich begann mit dem hier vorgestellten Eubostrychoceras - zum einen, weil ich äußerst gern einen heteromorphen Ammoniten bearbeiten wollte, zum anderen, weil dieser in einer der vergleichsweise weichen Geoden steckte, die strahlbar war und somit ein relativ „entspanntes“ Präparieren versprach.

 

Zur Präparation

Der Rohling stach mir unter den mitgebrachten Fossilien sogleich ins Auge. Er lag als unbearbeitetes Teilstück einer größeren Konkretion ohne weitere Brüche oder Risse vor. Darüber hinaus war der Ammonit im Anschliff an den Außenkanten bereits zu sehen, wodurch sich Lage und Ausrichtung der Windungen in etwa abschätzen ließen (Abb. 1).

 

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Abb. 1: Die unpräparierte Geode, Breite ca. 14 cm. Foto vergrößern.

 

An diesen angeschliffenen Stellen begann ich mit der Freilegung und strahlte zunächst vorsichtig die ersten 2-3 Millimeter Gestein herunter, um mich mit der Gesteinsbeschaffenheit vertraut zu machen. Üblicherweise ist die angewitterte Außenrinde leicht zu bearbeiten, doch darunter wird das Gestein in Richtung des Zentrums der Konkretion deutlich härter. Danach stichelte ich bis auf wenige Millimeter Abstand zum Fossil kleine Bereiche der Matrix weg, um die Schale anschließend mittels Feinstrahlgerät freizulegen. Auf diese Art und Weise ist ein relativ risikofreies Herantasten möglich, bei dem eine Beschädigung der Schalenoberfläche vermieden wird. Das Herantasten und der stete Wechsel zwischen Sticheln und Strahlen sind nötig, da die Lage der Windungen nicht exakt vorhersehbar ist. Erfreulicherweise zeigten die ersten freigelegten Bereiche eine sehr gut erhaltene Schale (Abb. 2 und 3).

 

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Abb. 2: Schrittweise Freilegung des vom Phragmokon des Ammoniten überlieferten Teils. Dass dieser Bereich zum Phragmokon gehört, erkennt man anhand der Lobenlinien und der Kalzitfüllung im angeschliffenen Bereich. Fotos vergrößern.

 

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Abb. 3: Stück für Stück kam auch die letzte noch erhaltene Windung zum Vorschein, die bereits zur Wohnkammer zählt, wie sich an der Sedimentfüllung erkennen lässt. Fotos vergrößern.

 

Die Windungen waren an manchen Stellen tektonisch gebrochen und lagen leicht verschoben vor, was das Vorankommen etwas erschwerte. Im Zusammenspiel mit Kalzitadern, die durch die Konkretion verlaufen, bestand beim Präparieren an einigen Stellen Verwechslungsgefahr zwischen Adern und Ammonitenschale. Zudem weist Eubostrychoceras eine kräftige Berippung mit unregelmäßig eingeschalteten wulstigen Rippen auf. Um die besonders erhabenen Rippen nicht mit dem Stichel zu beschädigen, bot es sich an, lieber einige Minuten länger zu strahlen. Auf diese Weise ließ sich weitaus besser verfolgen, wie das Fossil weiter im Gestein verlief (Abb. 4).

 

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Abb. 4: Am Vorderende des Phragmokons gab es an zwei Stellen einen Versatz und mehrere Kalzitadern, die die Arbeit erschwerten. Auch auf die über den Rest des Berippungsbilds deutlich emporragenden Wulstrippen musste beim Präparieren besondere Rücksicht genommen werden. Fotos vergrößern.

 

Nahe der größten überlieferten Windung kam ein Schalenstück zum Vorschein, bei dem ich mir zunächst nicht sicher war, ob die Schale gebrochen und verschoben vorlag oder, ob es sich um einen Trümmer handelte. Ein solches Bruchstück könnte von der Wohnkammer desselben Individuums oder auch von einem anderen Exemplar stammen (Abb. 5).

 

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Abb. 5: Rechts oben ist das fragliche Schalenstück zu sehen, bei dem es sich entweder um einen abgebrochenen und verdrifteten Teil der Wohnkammer des Eubostrychoceras oder um eine Scherbe eines anderen Ammoniten handelt.

 

Meine größte Sorge war, dass dieser Abschnitt des Ammoniten bruchstückhaft vorliegen würde. Es war aber ebenso gut möglich, dass das Fossil nur von diesem Schalenstück verdeckt wurde und darunter vollständig weiterlief, also half nur eines: weiterzumachen und den Anschluss zu suchen!
Hierzu legte ich das Schalenstück etwas weiter frei und verfolgte die Windung darunter ebenfalls. Dahinter legte ich eine kleine Suchgrabung an, etwa an der Stelle, an der die Windung im Normalfall verlaufen müsste. Und ich hatte Glück, der Ammonit lief unter dem Schalenfragment in geordneten Bahnen weiter (Abb. 6)!

 

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Abb. 6: Die Windung verläuft wie erhofft unter dem Schalenstück weiter, sodass dieses bei der weiteren Präparation bedenkenlos entfernt werden konnte.

 

Nun war ich erleichtert und konnte die Präparation unbeschwert fortführen. Der Schalentrümmer wurde entfernt und ich begann damit, die Bereiche zwischen den Windungen grob freizulegen (Abb. 7).

 

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Abb. 7: Seitenansicht des Eubostrychoceras: es sind immerhin knapp 3 Windungen im Stein erhalten. Wie meine japanischen Sammlerfreunde mitteilten, werden in den meisten Fällen nur kleinere Bruchstücke gefunden, somit sei dieser Erhaltungszustand durchaus ein Grund zur Freude. Foto vergrößern.

 

Nun ging es auch bereits an das Formen der Matrix. Ich hatte mir im Vorfeld schon grob überlegt, wie das Präparat am Ende aussehen sollte: Ich wollte die Geode soweit es geht erhalten und nur den Bereich um das Fossil glätten, um einen guten Kontrast zwischen der Matrix und den Windungen des Ammoniten zu erzielen. Hierzu mussten diese allerdings von der Innenseite her vollständig vom Gestein befreit werden (Abb. 8).

 

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Abb. 8: Zwischenstand kurz nach der „Halbzeit“ der Präparation: die grobe Vorarbeit war getan und genügend Orientierung geschaffen, um die weitere Freilegung der Windungen gezielt angehen zu können.

 

Aufgrund der sehr steilen Winkel und der zunehmenden Härte des Gesteins wurde es immer schwieriger die Schale von den letzten Matrixresten auf der Innenseite zu befreien. Doch das Problem löste sich fast von selbst, als sich entlang zweier durch den Ammoniten verlaufender Kalzitadern Risse zeigten. Anstatt hier nun dünnflüssigen Kleber hineinlaufen zu lassen, sprengte ich die beiden Windungshälften gezielt ab. Diese konnten hierdurch von der Innenseite her wesentlich einfacher von anhaftendem Gestein befreit werden (Abb. 9).

 

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Abb. 9: Die beiden entnommenen Windungsstücke mit letzten noch anhaftenden Gesteinsresten.

 

Die drei auf der Geode verbliebenen halben Windungen konnten durch die nun gegebene bessere Zugänglichkeit ebenfalls leicht freigelegt werden. Es mussten nun nur noch die Zwischenräume ausgeräumt und die umgebende Matrix geglättet werden (Abb. 10).

 

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Abb. 10: Kurz vor Fertigstellung: ein wenig Gestein musste noch abgetragen werden, bevor die beiden Windungsfragmente wieder angesetzt werden konnten.

 

Im letzten Arbeitsschritt wurden die beiden Windungsbruchstücke wieder passgenau aufgeklebt, was dank des sauberen Bruchs entlang der Kalzitadern keinerlei Auffüllungen erforderte. Nach gut 20 Arbeitsstunden konnte die Präparation abgeschlossen werden.
Die Abbildungen 11 bis 13 zeigen verschiedene Ansichten des fertigen Präparats.

 

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Abb. 11: Das fertige Präparat in der Gesamtansicht. Foto vergrößern.

 

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Abb. 12: Seitenansicht. Foto vergrößern.

 

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Abb. 13: Die weit gewundenen Windungen des Eubostrychoceras im Fokus. Foto vergrößern.

 

Dank
An dieser Stelle möchte ich mich nochmals herzlich bei meinen Sammlerfreunden Ito Takashi und Mikami Tomoyuki für ihre Gastfreundschaft, die gemeinsame Zeit und natürlich für die Fossilien bedanken, die nun meine Sammlung bereichern. Ich hoffe auf ein baldiges Wiedersehen!

 

Angaben zum Fossil im Überblick

Fossil: Eubostrychoceras japonicum

Fundort: Haboro-Region, Hokkaido, Japan

Formation: Oberkreide, Turonium

Länge des Fossils: 8 cm

Zeitaufwand der Präparation: 20 Stunden

Präparation und Sammlung: Paul Freitag

 

Paul Freitag für Steinkern.de

 


 

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