Tumidocarcinus giganteus vom Glen Afric Beach (Neuseeland)

Liebe Steinkerne,

Neuseeland, das bedeutet, leben wie im Paradies und das in vielerlei Hinsicht!

In diesem Bericht kommen wieder einmal die Decapoden-Liebhaber voll auf ihre Kosten. Vorstellen darf ich Euch diesmal eine sehr imposante und weltberühmte Decapodenart, die es - im wahrsten Sinne des Wortes - am anderen Ende der Welt zu finden gibt.

 

Art: Tumidocarcinus giganteus

Fundort: Neuseeland / Südinsel, North Canterbury, Waipara, Glen Afric Beach,

Alter: Miozän, ca. 15 Millionen Jahre alt

 

Neuseeland ist ein geographisch isolierter Inselstaat im südlichen Pazifik. Er besteht aus einer Nord- und einer Südinsel sowie zahlreichen kleineren Inseln. Auf der Nordinsel herrscht ein eher subtropisches Klima, während auf der Südinsel ein gemäßigtes Klima vorliegt. Vom Gletscher über den Regenwald bis hin zu einer weltweit einmaligen Flora und Fauna gibt es hier wirklich alles zur entdecken!

Auf der Südinsel, genauer am Küstenabschnitt Glen Afric Beach nahe Waipara, befindet sich ein weiterer Traum eines jeden Fossilien- bzw. Decapodensammlers. Am besagten Küstenabschnitt von 4,8 km Länge findet man sie - die unter Sammlern sehr geschätzte Art Tumidocarcinus giganteus.

Durch einen guten Freund vor Ort, Andrew, habe ich sehr gutes Material erhalten. Erst durch ihn ist es mir möglich geworden von der Fundstelle bis hin zur Präparation und deren Tücken, einen ausführlichen Bericht für Steinkern.de zu verfassen. An dieser Stelle ein ganz dickes Dankeschön an Andrew für die Freigabe der nötigen Informationen sowie die grandiosen Landschaftsfotos!

Andrew Fear ist Fotograf und Autor des Buches New Zealand - The Real Middle Earth, das Landschaftsbilder von einmaliger Schönheit beinhaltet.

 

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Abb. 1 (Foto: Andrew Fear) -Vvergrößerte Ansicht des Fotos aufrufen.

 

Bevor die Exkursion überhaupt losgeht, wird man meist zuerst mit einem herrlichen Sonnenaufgang belohnt. Grandiose Fossilien in einer solch grandiosen Landschaft sammeln zu dürfen – dies ist wohl der Traum eines jeden Fossiliensammlers!

 

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Abb. 2 (Foto: Andrew Fear) - vergrößerte Ansicht des Fotos aufrufen: Der Küstenabschnitt Glen Afric Beach. Hier gibt es mit Tumidocarcinus eine der Decapodenspezies zu finden, die zu den größten Decapoden weltweit gehört.

 

Man sollte immer den Rückweg bedenken, denn der Aufstieg zurück mit evtl. reichlich zusätzlichem Gewicht kann zur einer echten Tortour werden.

 

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Abb. 3 (Foto: Andrew Fear): Dieses Bild vermittelt einen Eindruck von der Höhe der besagten Steilküste und auch die jeweiligen Konkretionslagen sind hier ansatzweise zu erkennen. Die Konkretionen errodieren hier u. a. aus großer Höhe heraus und rollen dann mit hoher Geschwindigkeit ins Meer, wo sie anschließend von Sand bedeckt werden. Ständige Gezeitenströme, Stürme etc. tragen ihr Übriges dazu bei. Viele weichere Konkretionen werden dadurch zerstört und kommen nur noch als Bruchstücke für einige Zeit am Uferrand zu liegen, um dann letztendlich von den Wellen verdriftet oder weiter zerkleinert zu werden.

 

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Abb. 4 (Foto: Andrew Fear): Hier wurde gerade eine Geode aus dem Gezeitenbereich geborgen. Kleine asymmetrisch angeordnete Kreise an den Geodenrändern lassen darauf schließen, dass sich hier ein Fossil in der Konkretion verbirgt.

 

Zur Fundsituation: wie überall gibt es auch am Glen Afric Beach gute und schlechte Tage. Mitunter gibt es sehr viele Konkretionen zu finden, jedoch sorgt sehr viel taubes Material manchmal auch für ein eher bescheidenes Suchergebnis. Ein großer Irrtum wäre es, zu glauben, dass die Krabben immer komplett erhalten in den Konkretionen vorliegen. Rechnet man alles statistisch zusammen, taubes Material, Reste, Exuvien etc. sind komplette Exemplare immer etwas Besonderes. Das gilt erst recht für die wirklich großen Konkretionen.

Was bei eigentlich allen berühmten Fundstellen gilt, gilt also auch hier: herausragende Funde gehören in die Kategorie "Glückssache".

 

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Abb. 5: Beispiel einer relativ weichen Geode mit Tumidocarcinus.

 

Es gibt relativ weiche sowie auch sehr harte Geoden zu finden. Die weicheren Geoden sind einfacher zu präparieren, jedoch haben diese den Nachteil, dass sich durch die vom Präparierstichel hervorgerufenen Erschütterungen die komplette Schale plötzlich und unvermittelt ablösen kann. Durch die ausströmende Luft des Stichels wird die Schale dann in kleinsten Bruchstücken irreparabel in alle Himmelsrichtungen in der Präparationsbox verstreut. Eine wirklích sehr ärgerliche Angelegenheit, die mir selbst auch schon passiert ist!

Hier gilt es daher, sehr viel Fingerspitzengefühl aufzubringen und auch ein gutes und sehr wachsames Auge zu wahren. Bei drohender Ablösung ist dem Abplatzen sofort mit gezieltem Einsatz von dünnflüssigem Kleber entgegenzuwirken.

 

Ein Präparationsbeispiel

Die Abb. 5 zeigt eine eher weiche Konkretion, bei der es mir wichtig war, das Äußere komplett zu bewahren. Es sollte also eine Geode mit "Deckel" erhalten bleiben, in der sich später eine Krabbe weitestgehend von der Matrix freigestellt präsentieren lassen sollte.

Auch diese Konkretion war aus großer Höhe herab gefallen und kam teilweise zerbrochen am Strand zum liegen.

 

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Abb. 6: Nahansicht. Es ist deutlich zu erkennen, dass es die rechts des Panzers sichtbaren Beinchen zerrissen hat. Diese befinden sich nun zu einem guten Teil auf der Gegenseite und müssen transferiert werden.

 

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Abb. 7: Nun beginnt das "Suchen" der Scheren sowie der Beinchen der linken Körperhälfte.

 

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Abb. 8: Die Beinchen auf der rechten Seite werden herauspräpariert, jedoch verbleiben die jeweiligen Beinenden (ca. 1 cm tief) im Geoderand. Danach wird ein Schnitt gesetzt. Wichtig hierbei ist, dass der Schnitt nicht zu tief angesetzt wird, also das Fossil hierbei nicht geteilt wird.

 

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Abb. 9: Als nächstes wird der Seitenrand an der Schnittkante abgebrochen und auf die Positivseite transferiert. Somit befinden sich die jeweiligen Beinenden nun auf der Positivseite. Die rechte Schere ist bereits transferiert.

 

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Abb. 10: Jetzt wird die Geode ausgeräumt. Alle Beinchen sowie Scheren sollen rundherum freigelegt werden und müssten dazu herausgenommen werden. Bei den Scheren ist dies nicht immer möglich, denn mitunter laufen diese unter den Carapax und können dann nur teilweise extrahiert werden.

 

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Abb. 11: Ansicht der herausgelösten Teile vor der Feinpräparation.

 

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Abb. 12: Weitere Konkretionsteile werden transferiert. Vom Deckel zum Hauptteil der Konkretion und umgekehrt.

 

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Abb. 13: Die Umgebung der Krabbe wird feingeschliffen und bekommt dann schließlich eín „Finish“ mit dem Strahlgerät. Danach werden alle Decapodenteile nach der Feinarbeit wieder in ihre Originalposition verbracht und angeklebt. Anschließend wird der überschüssige Kleber entfernt.

 

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Abb. 14: Und hier nun endlich das Endergebnis: Die geschlossene Konkretion, mit der nun präparierten und glücklicherweise kompletten Krabbe im Inneren.

 

Die Krabbe wurde bis zu 75 % freitragend präpariert. Alle acht Beinchen sind freigestellt und die Scheren, bis auf die beiden unteren "Finger" ebenfalls.

Ich persönlich arbeite an allen Decapoden nach der „Maximal-80%-Formel“. Alles was darüber hinausgeht, sieht in meinen Augen, dann doch eher "gekünstelt" aus. Auch ist dann oft nur noch schwer nachzuvollziehen, ob alles wirklich noch in Originalerhaltung vorliegt.

 

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Abb. 15: Das geöffnete Präparat im Stativ.

 

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Abb. 16: Die Breite der Konkretion beträgt max. 24,5 cm, die Höhe max. 17 cm.

 

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Abb. 17 - 19: Detailansichten des Tumidocarcinus giganteus.

 

Von Abb. 18 ist eine Großansicht hier abrufbar.

 

 

Ein Tumidocarcinus aus einer harten Konkretion

 

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Abb. 20: Hier ein weiteres Beispiel eines Tumidocarcinus. Dieses Exemplar ist in einer sehr harten Konkretion eingebettet, deren maximaler Durchmesser ca. 26,5 cm beträgt. Im Gegensatz zu den weicheren Geoden kann dieser Härtegrad den Präparator ganz schnell die Grenzen seines Werkzeugs und seiner Möglichkeiten aufzeigen. Der Vorteil hierbei ist, dass man sich keine Sorgen um die Beschalung zu machen braucht, da die Krabben stets komplett mit einer dünnen, oder - im schlechteren Fall - dicken Kalzitschicht eingehüllt sind. Diese Panzerträger besitzen quasi einen Extrapanzer bzw. Schutz. Es ist jedoch letztendlich sehr aufwändig diese Kalzitschicht später restlos herunter zu bekommen.

 

Hohle Krabben – eine besondere Herausforderung für den Präparator

Es ist mir nun schon desöfteren passiert, dass härtere Konkretionen hohle Krabben beinhalteten. Das heißt, dass einige Bereiche innen nicht mit Sediment ausgefüllt worden sind und der Stichel dann mitunter mehr zerstörte als er freilegte. Diese Hohlräume müssen erst mit Klebstoff ausgefüllt werden, bevor man sich weiter an die Präparation wagen kann. Eine sehr aufwendige sowie nervenaufreibende Arbeit! Es folgt ein Beispielbild einer hohlen Schere.

 

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Abb. 21: Hohle Schere in einer harten Konkretion.

 

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Abb. 22: Teilansicht hohler Beinpartien. Die Krabbe ist, an den weißlichen Spuren zu erkennen, noch mit einer sehr dünnen Kalzitschicht umgeben, welche dann zum Schluss komplett entfernt wird.

 

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Abb. 23 - 24: Die Gesamtansicht dieser imposanten Krabbe nach der Präparation verrät allerdings, dass sich die ganze Arbeit letztendlich doch gelohnt hat.

 

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Abb. 25 (Foto und Sammlung: Andrew Fear) - eine  vergrößerte Ansicht des Fotos ist verfügbar: Die größte Krabbe der Gattung Tumidocarcinus, die ich bislang gesehen habe, hat Andrew in seiner eigenen Sammlung. Kein Fake! Laut Andrew liegt in einem heimischen Museum sogar noch größeres Exemplar.

 

Schlusswort

Damit komme ich nun zum Ende meiner kleinen Tumidocarcinus-Geschichte und möchte mich bei Euch für Euer Interesse bedanken!

 

Zum Schluss zeige ich noch einige Impressionen von der Südinsel. Die Fotos zeigen ein besonderes Naturschauspiel, das zu beobachten man zur rechten Zeit auch am rechten Ort sein muss. Es gilt den richtigen Zeitpunkt abzuwarten – z. B. Sonnenaufgang und -untergang, um die richtigen Lichtverhältnisse für optimale Photos nutzen zu können. Nach schweren Stürmen werden ab und zu ganze Stachelhäuter-Kolonien an die Strände gespült. Ein grandioses Schauspiel, wie sovieles in Neuseeland!

 

Neuseeland halt - Land der Träume...

 

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Abb. 26 -29 (Fotos: Andrew Fear)

 

Das letzte Foto (Abb. 29) kann durch Anklicken des Fotos oder des Textlinks vergrößert angezeigt werden.

 

Danksagung / Acknowledgement

@Andrew - many many thanks for all the photos and informations, my friend!

 

Empfehlung

Weitere wunderbare Naturfotos von Neuseeland findet Ihr auf der Homepage von Andrew Fear https://500px.com/andrewfear – viel Spaß!

 

Axel Cordes für Steinkern.de

 

Fotos, soweit nicht anders angegeben, Axel Cordes.

Alle Rechte beim Autor.