Fund und Präparation einer Stufe mit Parkinsonia und Pleurotomaria aus Burton Bradstock oder: "Wie überbrücke ich den Lockdown?"

Für den Spätherbst 2020 war eigentlich eine Sammeltour nach Dorset geplant. Aber der Anstieg der Coronazahlen damals, vor allem in England, machte uns einen Strich durch die Tour.
So fing ich in der Werkstatt stattdessen damit an, die gesammelten Stücke aus inzwischen neun Dorset-Touren (seit 2013) endlich zu präparieren, denn fast alle schlummerten noch in ihren Kartons. Gründe für meine „Zurückhaltung“ was das Präparieren anbelangt, gab es viele. Aber wer kennt das nicht?!

Sicherheitshalber habe ich dann mit vermeintlich „mittelprächtig guten“ Stücken aus dem Mitteljura von Burton Bradstock angefangen. Irgendwann drang ich dann zu einem Karton mit der Aufschrift „Ruine?!“ vor. Dieser enthielt einen Riesenklotz, an den ich mich sofort erinnerte und über dessen Fundgeschichte und Präparation ich nachfolgend berichten möchte.

 

Fundort und Fundgeschichte
Im Jahr 2015 war ich zusammen mit meinem (Sammel-)Freund Eckhard schon zum dritten Mal im Freshwater Holiday Park in Burton Bradstock. Doch was das Finden von größeren und unbeschädigten Ammoniten anbelangte, war ich immer noch ein „Frischling“. Denn bis dahin hatte ich mein Fundglück ausschließlich mit Fäustel und Meißel versucht. Dieses Mal sollte sich das ändern. Ich hatte nämlich meine Ausrüstung nach Anleitung „aufgerüstet“ und jetzt zusätzlich einen 6 kg Vorschlaghammer und 1 kg Keile dabei. Eckhard hat mich dann am ersten Sammeltag erfolgreich in die Kunst des „Keilens“ eingeführt.

Die sehr hohe und senkrecht abfallende Steilküste des Aufschlusses genießt SSSI-Schutzstatus (Site of Special Scientific Interest). Die weichen Sandsteine an der Basis gehören zum obersten Unterjura und leiten zum basalen Mitteljura über. Im Top liegt an den höchsten Stellen des Kliffs der nur wenige Meter mächtige, fossilreiche Inferior Oolite (überwiegend Bajocium), der teils noch von Tonen des Bathoniums überlagert wird. In abgestürztem Material dieser SSSI-Lokalität darf nach wie vor gesucht und die Fossilien dürfen auch aus den Blöcken herausgeklopft werden. Bei rauer Witterung im Winterhalbjahr (der Haupt-Sammelsaison in Dorset) ist der Strand – bis auf Sammler und einige Hundespaziergänger – meist menschenleer und Gesteinsscherben werden oft schon von der nächsten Flut abtransportiert oder versinken im Kies. Was nicht rechtzeitig gesammelt wird, würde früher oder später der Erosion anheim fallen. Da zu allen Zeiten Fossilien gesucht werden durften, hat schon so mancher Ammonit aus dieser klassischen Fundstelle in wissenschaftlicher und populärwissenschaftlicher Literatur Erwähnung gefunden und die abwechslungsreiche Stratigrafie des Inferior Oolite ist gut untersucht. Sie lässt sich für Experten aufgrund der charakteristischen Lithologie auch an abgestürzten Gesteinspaketen gut nachvollziehen. Doch zurück zur Fundgeschichte!

 

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Abb. 1

 

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Abb. 2

 

Den Block unten rechts hatte ich mit Vorschlaghammer und Keil aus dem größeren Block oben herausgebrochen. Dabei zeigte sich der Venter einer Parkinsonia. Einen größeren Splitter des Ammoniten konnte ich glücklicherweise vollständig aus dem Gegenstück bergen.


Bei der Keiltechnik den Keil zum „Ziehen“ zu bringen, das ist die große Kunst. Nach etlichen(!) Fehlversuchen war es mir schließlich endlich gelungen. Dann folgten immer wieder etwa drei kräftige Schläge mit dem schweren Vorschlaghammer, um anschließend zunächst geduldig abzuwarten und den sich entwickelnden Riss weiter „reifen“ zu lassen.

 

Nach relativ kurzer Zeit zeigte sich ein größer werdender Riss und damit hatte der Block zu meiner Freude „verloren.“ Zudem hatte ich großes Glück: Der Riss verlief genau entlang der Schale des Ammoniten.

 

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Abb. 3

 

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Abb. 4

 

Allerdings war an dessen linker Seite ein großes Stück abgeplatzt und zerbröselt und auch rechts fehlte ein größeres Stück Schale. Dafür kam die Basis einer Schnecke der Gattung Pleurotomaria zum Vorschein (rechts unten auf 5 Uhr von der Parkinsonia aus). Ein von dieser abgeplatztes Stück konnte ich nach einigem Suchen noch finden und klebte es daraufhin an.

Insgesamt gesehen, hielt ich den Block zwar für eine große „Gurke“, entschloss mich aber wegen der Pleurotomaria das „Ding“ trotzdem mitzunehmen. Ich formatierte den Block vor Ort noch so weit, dass ich ihn zur Unterkunft tragen konnte. Von da an lagerte er als „Ruine?!“ (s.o.) bis Ende November 2020 in einem Karton, zunächst noch für wenige Tage in der Ferienwohnung, später dann auf Jahre im Rohmateriallager zuhause.

 

Präparation
Zu Beginn der Präparation habe ich an den Seiten recht viel Matrix entfernt und dann gestichelt. Das Ergebnis war sehr unbefriedigend. Als das Teil schon fast in den Garten zu den auf ewig unerledigten Fällen „abgeschoben“ werden sollte, kam ich auf die Idee, das Ganze von der anderen Seite her anzugehen und dadurch die Pleurotomaria freizustellen, denn von der abgeplatzten Seite sah man nur deren „schrottige“ Seite und das „Hinterteil“ der Schlitzbandschnecke .
Das Abtragen der Matrix von der anderen, der vermeintlich „guten“ Seite, hat ziemlich viel Zeit in Anspruch genommen, da ich, um auf Nummer sicher zu gehen, jede Menge Matrix beim Abtrennen habe stehen lassen. Es zeigte sich schließlich, dass die Schale der Parkinsonia auf dieser Seite gut erhalten war und auch die Schale der Pleurotomaria schien hier vollständig zu sein.

 

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Abb. 5

 

Glücklicherweise hatte ich die Matrix auf der Rückseite der Pleurotomaria noch nicht ganz wegpräpariert. So konnte ich den verbliebenen Teil als Basis für einen Bogen stehen lassen, der zur Vorderseite der Parkinsonia gezogen wurde, um eine stabile Verbindung zwischen beiden Fossilien zu gewährleisten.
An der Spitze der Pleurotomaria ließ ich bis zum Schluss einen „Hilfssteg“ stehen, da diese sonst während des ständigen Wechsels zwischen Sticheln und Strahlen sicherlich früher oder später von der Verbindung zur Parkinsonia abgebrochen wäre.

 

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Abb. 6

 

Die Matrix auf dieser Seite der beiden Fossilien war derart hart und zäh, dass beim Strahlen auch bei 10 bar kaum ein merklicher Abtrag feststellbar war. Dies konnten auch Wässern und der Einsatz von KOH nicht wesentlich verbessern. So musste ich mit einem sehr dünnen Spitzmeißel arbeiten, wobei ich leider jedoch manche Rippe „angeschossen“ habe.

Fast am Ende der Präparationsarbeiten habe ich nach dem vorsichtigen Entfernen des „Hilfssteges“ die Pleurotomaria dann endgültig von den letzten verbliebenen Matrixresten befreit. Durch eine Unachtsamkeit löste sich die Schnecke bei diesen Arbeiten zu meinem großen Schrecken vom Verbindungssteg. Glücklicherweise konnte ich sie problemlos mit Akemi wieder ankleben. Dadurch ist die Verbindung jetzt zweifelsohne belastbarer als vorher.

Um eine bestimmte Position des Ensembles auf Dauer zu gewährleisten, hatte ich mir schon bei der Grobformatierung einige größere Matrixbrocken zur Seite gelegt. Auf einen habe ich die Stufe dann montiert. Insgesamt beanspruchte die Präparationsarbeit etwa 50 Stunden.

 

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Abb. 7: Die Parkinsonia misst 22 cm und die Pleurotomaria hat einen Basisdurchmesser von 8 cm. Foto vergrößern.

 

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Abb. 8: Foto vergrößern.

 

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Abb. 9

 

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Abb. 10: Foto vergrößern.

 

Angaben zur Stufe im Überblick:
Fossilien: Parkinsonia sp., Durchmesser 22 cm
Pleurotomaria sp., Basisdurchmesser 8 cm, Höhe 6 cm.
Stratigrafie: Mittlerer Jura, Bajocium, Parkinsoni-Zone, Truellei Bed (benannt nach Strigoceras truellei, dem Leitammoniten dieses Horizonts)
Fundort: Burton Cliff bei Burton Bradstock (Dorset, England)

 

Auswahl deutschsprachiger Artikel über Fossilien aus Burton Bradstock:

 

DIETZE, V. (1988): Der Mittlere Jura von Dorset/Südengland, in: Fossilien, Heft 2/88,  S. 6874.

 

HELBIG, G. (2020): Stufen aus dem Truellei Bed des Inferior Oolite (Mitteljura) von Burton Bradstock (Dorset), in: Der Steinkern, Heft 40, S. 12–17.

 

SIMONSEN, S. (2011): Eine Garantiana longidoides von der klassischen Fundstelle Burton Bradstock, Steinkern.de, Fossilien nach Erdzeitalter / Mittlerer Jura, URL: https://www.steinkern.de/fossilien-aller-zeitalter/jura/mitteljura/588-eine-garantiana-longidoides-von-der-klassischen-fundstelle-burton-bradstock.html.

 

SIMONSEN, S. (2013): Aktuelle Situation im Inferior Oolite von Burton Bradstock, Steinkern.de / Berichte für Abonnenten, URL: https://www.steinkern.de/berichte/935-aktuelle-situation-im-inferior-oolite-von-burton-bradstock.html.

 

SIMONSEN, S. (2014): Neufund: Eine 28 cm große Parkinsonia als Lesefund vom Burton Cliff, Steinkern.de, Fossilien nach Erdzeitalter / Mittlerer Jura, https://www.steinkern.de/fossilien-aller-zeitalter/jura/mitteljura/1019-neufund-eine-28-cm-grosse-parkinsonia-als-lesefund-vom-burton-kliff.html.

 

 

Ulrich Linke für Steinkern.de




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