News und Updates

Steinkern.de Online-Adventskalender 2020

Liebe Leserinnen und Leser,

 

seit August hat die Steinkern-Redaktion zusammen mit einigen Steinkern-Mitgliedern am Steinkern.de Online-Adventskalender gearbeitet. Nun können wir Ihnen/Euch jeden Tag vom 1. bis zum 24. Dezember einen Kurzbeitrag mit einem Fossil präsentieren – unser kleiner Beitrag für die Fossiliengemeinde, den 2. Lockdown zu überbrücken und den Alltag im Dezember ein wenig zu bereichern und nett zu gestalten.

 

Viel Spaß beim Anschauen und trotz der schwierigen Situation eine besinnliche Adventszeit wünscht Ihnen/Euch

 

Die Steinkern.de Redaktion

 


 

1. Advent 2020

 

Adventskalender Dendriten

Die erste „Dendritenkerze“ auf Solnhofener Plattenkalk (Idee, Sammlung und Fotos: Udo Resch) brennt bereits seit Sonntag, 29. November 2020.

 

Am Montag danach traf auch die Lieferung des Adventskalenders ein, der so viel darf schon verraten werden randvoll mit einer großen Vielfalt schöner, interessanter und seltener Fossilien steckt:

 

Adventskalender neu

 


 

1. Dezember 2020

Wir öffnen das erste Türchen des Kalenders. Zum Vorschein kommt ein herrlich schillernder Ammonit der Gattung Kosmoceras aus dem Geschiebe von Mecklenburg Vorpommern. Der Kerzenschein verblasst förmlich gegen das Irisieren der Oberfläche dieses Mitteljura-Ammoniten!

 

Adventskalender Tuer01

 

Beitrag von Sebastian Mantei: Kosmoceras jason aus einem Mittelcallovium-Geschiebe von Teterow (Mecklenburg-Vorpommern)

 

Eiszeitliches Geschiebe mit Kosmoceras jason Reinecke 1818 (ORBIGNY 1847)
Mittelcallovium, Mittlerer Jura
Sammlung & Fund: Sebastian Mantei

 

Kosmoceras 860px

Kosmoceras jason, 4 cm, längste Kante des Steins 13 cm. Foto: Johannes Kalbe. Foto vergrößern.


Der Ammonit aus Tür 1 des Steinkern.de Adventskalenders wurde am 13. August 2017 in einem Tagebau nahe Teterow (Mecklenburg-Vorpommern) gefunden. Er verbarg sich in einem großen Kelloway-Geschiebe, dessen maximale Kantenlänge 60 cm betrug. Es handelte sich bei dem Geschiebe um einen grauen, zähen Kelloway-Sandstein mit brauner Verwitterungsrinde und vereinzelten Ooid-Nestern.
Als Begleitfauna waren viele Muscheln, unter anderem Pinna sp., große pectinide Muscheln und doppelklappige Exemplare der Ordnung Myida sowie Dentalien und einige Schnecken, alle in toller Schalenerhaltung, zu finden. Außerdem war noch ein großes Stück verkieseltes Holz enthalten.

 

Noch einige Worte zur Fundgeschichte des Fossils:

Ein Sammlerkollege hatte seinen Vorschlaghammer an jenem Tag gleich zu Anfang kaputt gedroschen, daraufhin meinen entliehen und diesen ebenfalls „weich geklopft“. Das ist relevant, da mein Hammer beim letzten Fund des Tages, dem besagten Jura-Geschiebe, gleich beim ersten Schlag ebenfalls zerbrach. Der „Findling“ musste also als Ganzes ins Auto geschleppt werden. Mein Kollege war so freundlich, das zu bewerkstelligen, nachdem er ja quasi meinen Hammer auf dem Gewissen hatte.

Zu Hause lag der Stein zwei Jahre auf meiner Terrasse, bis ich mir letztes Jahr ein Herz fasste und ihn zerlegte. Bereits der erste Schlag entblößte dann teilweise den bunt schillernden Ammoniten, was zunächst Hoffnung auf weitere Funde weckte. Es sollte aber leider der einzige Ammonit in diesem Geschiebe bleiben.

Paul Freitag führte im August 2020 die Präparation durch.

Vom unbewussten Fund bis zum fertigen Vitrinenstück hat es also insgesamt drei Jahre gedauert.

 

Sebastian Mantei

 


 

 

2. Dezember 2020

Und schon geht es weiter. Das zweite Türchen ist an der Reihe! Die langgestreckte Form der Kalendertür könnte auf einen Belemniten hindeuten, so wurde im Forum gemutmaßt, aber nein: wie wir nun wissen, verbarg sich eine Turmschnecke dahinter. Umgebettet in die Sekundärlagerstätte des Steinkern.de Adventskalenders, erblickt sie nun ein drittes Mal das Licht der Welt.

 

Adventskalender 02 Dez

 

 

Rohling

Foto im Fundzustand: Von Bernhard Jochheim in Frankreich nach Millionen Jahren ans Licht geholt, hatte die Schnecke zunächst so ausgesehen. Der Stein war parallel zur glatten Schale aufgeplatzt – ohne jegliche Beschädigung der Schnecke.

 

 

Beitrag von Bernhard Jochheim: Pseudomelania – eine im Toarcium (Unterjura) seltene Turmschnecke

Es handelt sich beim zweiten Exponat des Steinkern.de Adventskalenders um eine Schnecke der elegant langgestreckten, skulpturarmen Gattung Pseudomelania sp. Das Exemplar weist eine Länge von ca. 6,4 cm auf und befindet sich gemeinsam mit einem Brachiopoden von 0,8 cm und einer Schnecke mit einer Höhe von 1,2 cm auf einem Matrixsockel. Die Stufe misst insgesamt 19 x 11 cm und entstammt der Zone der Haugia variabilis (Toarcium, Unterjura) des westfranzösischen Departments Deux-Sèvres.

 

Pseudomelania1

Gesamtansicht auf Matrix.

 

Pseudomelania1 860px

Auf der von der Mündung gezählten siebten Windung durchdrang ein Prädator die Schale der Pseudomelania. Foto vergrößern.

 

In diesen Schichten dominieren insgesamt Ammoniten, während Schnecken eher selten sind. Pseudomelanien kommen ganz gelegentlich vor, sind in der Regel aber kleiner als das vorliegende Stück und werden aufgrund des spröden Gesteins in diesen Schichten meistens schon beim Aufklopfen beschädigt. Das vorliegende Exemplar war also ein absoluter Glücksfund und ist in meiner Sammlung in dieser hervorragenden und kompletten Erhaltung aus Ablagerungen des Unterjura ein Unikat. Ein interessantes Detail ist die stellenweise Erhaltung von Farbmustern der Schale. Zusätzlich ist noch ein Bohrloch in der Schale vorhanden, welches von einem Prädator stammt. Als Verursacher von derartigen Bohrungen werden hauptsächlich Raubschnecken diskutiert.

 

Pseudomelania2

Draufsicht.

 

Pseudomelania3

In dieser Ansicht zeigen sich ungeahnte Details der Schale, die als Reste von Farbmustererhaltung interpretiert werden können.

 

Die Angabe zum Seltenheitswert von Pseudomelania bezieht sich auf Ablagerungen des Toarcium (Unterjura). Im Mitteljura ist die langlebige Gattung Pseudomelania stellenweise verbreiteter und kann zum Beispiel im Bajocium des französischen Departements Calvados durchaus häufiger gefunden werden.

Die Präparation der Turmschnecke war ziemlich aufwändig, auch wenn sie im Gelände bereits relativ weit freigesprungen war. Die Freilegung erfolgte ausschließlich durch vorsichtiges Sticheln und Schaben.

 

Alle Fotos in diesem Beitrag: Bernhard Jochheim

 


 

3. Dezember 2020

Tor 1, 2 oder 3?“. In Anlehnung an die Fernsehshow „Geh aufs Ganze! risikieren wir einen Blick in Tor 3“, denn die Inhalte der anderen beiden Tore sind uns ja schon hinlänglich bekannt. Wir stoßen darin auf eine Platte mit Graptolithen. Also sind wir sind offensichtlich im Erdaltertum gelandet, denn Graptolithen traten nur in der Zeitspanne vom Oberkambrium bis ins Karbon auf. Sie existierten über einen Zeitraum von insgesamt mehr als 160 Millionen Jahren. Graptolith bedeutet Schriftstein“, wohl da die klar umrissenen Konturen der Tiere in weiß auf schwarz an mit Kreide aufgemalte Schriftzeichen auf einer Schiefertafel erinnern. Graptolithen sind polypenähnliche, koloniebildende Meereslebewesen und werden systematisch meist zu den Hemichordata (Kiemenlochtiere) gestellt. Aufgrund der Kurzlebigkeit und der guten Bestimmbarkeit vieler Taxa sind Graptolithen wichtige Leitfossilien im Paläozoikum (Erdaltertum). Auch die Spezies, die uns Nils Jung vorstellt, ist ein Leitfossil:

 

Adventskalender 3 Dez

 

Beitrag von Nils Jung: Graptolithen Didymograptus murchisoni aus dem Ordovizium von Wales

Das 3. Türchen des Steinkern.de Adventskalenders enthält eine kleine Schieferplatte mit einigen gut erhaltenen Exemplaren des Graptolithen Didymograptus murchisoni (Beck, 1839). Dieser häufige Graptolith ist ein ideales Leitfossil und gleichzeitig Namensgeber der D. murchisoni shales (Caerhys Shale Formation, Llanvirnium, mittleres Ordovizium). Besonders im angefeuchteten Zustand kommt der Kontrast zwischen den silbrig-weißen Fossilien auf dem dunkelgrauen, im Nasszustand fast schwarzen Untergrund schön zur Geltung. Der Fundort des Stücks ist die Abereiddy Bay in Pembrokeshire (Südwales, Großbritannien).

 

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Die Länge der Graptolithen beträgt jeweils etwa 20 bis 30 mm. Foto vergrößern. Foto: Nils Jung


Funde wie dieser sind an der Lokalität keine Seltenheit. Daher hat es der markante Graptolith sogar zu einem Trivialnamen gebracht. Im Volksmund wird er aufgrund seiner Form als „tuning fork-graptolite“ (Stimmgabel-Graptolith) bezeichnet.

 


 

4. Dezember 2020

Nach drei Wirbellosen zum Auftakt sorgt am heutigen 4. Dezember ein Wirbeltier für Wirbel. Hinter 24 Fossilien darf mindestens eines aus dem Solnhofener Plattenkalk erwartet werden, vielleicht auch mehr? Wer weiß das schon so genau. Der heutige Tag jedenfalls beschert uns ein Plattenkalkfossil, das durchaus spektakulär ist: Udo Resch stellt uns ein 75 cm langes Individuum des Hais Palaeocarcharias vor.

 

Adventskalender 4 Dez

 

Beitrag von Udo Resch: Palaeocarcharias stromeri – ein Hai aus den Solnhofener Plattenkalken

Haie aus den oberjurassischen Ablagerungen des „Solnhofen-Archipels“ (Altmühltal, Bayern) gehören ebenso wie etwa Flugsaurier zu den mystischen Fossilien dieses Fundgebiets von Weltrang. An einer derartigen Konservatlagerstätte ist eine Erhaltung von Haien als artikuliertes Körperfossil möglich, während andernorts in der Regel nur die stabilen Zähne und Flossenstacheln fossil überliefert werden. Die Solnhofener Plattenkalke zeichnen sich zudem durch eine hohe Artenvielfalt bei den Haien aus: es sind bereits 18 Gattungen mit noch mehr Arten beschrieben worden. Das Spektrum reicht von kleinen Formen bis hin zu echten „Biestern“.

 

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Gesamtansicht des 75 cm langen Palaeocarcharias stromeri, Beaumont 1960. Foto vergrößern.

 

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Symphysenregion mit Zähnen, die heute noch scharf wie Rasierklingen sind.

 

Das vorgestellte Exemplar hat eine Körperlänge von 75 cm und bewegt sich damit im Mittelfeld der allgemeinen Körpergrößen der Plattenkalkhaie. Für die Art, der es angehört, hat das Individuum quasi Standardmaß. Es handelt sich um eine Palaeocarcharias stromeri Beaumont 1960. Wieso „eine“? Das Fehlen von Klaspern an den Genitalflossen weist das Individuum als Weibchen aus.
An der oben zu sehenden Brustflosse fällt eine Verletzung auf. Es könnte sich dabei um eine Folgeerscheinung einer Paarung handeln. Von rezenten Haien ist bekannt, dass sich die Männchen einiger Haigattungen beim Akt gerne in eine der Brustflossen des Weibchens verbeißen.

 

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Detailansicht der Brustflosse mit Bissverletzung.

 

Palaeocarcharias wird zu den Ammenhaien gestellt und aktuell als Vorfahr von Megalodon und dem heutigen Weißen Hai diskutiert.

 

Fotos: Udo Resch

 

 


 

5. Dezember 2020
Kommen wir nun vom größten zum erdgeschichtlich jüngsten Fossil des Steinkern.de Adventskalenders, das mit Blick auf das gesamte Tier den Oberjura-Hai allerdings deutlich als größtes Fossil überflügelt hätte. Hier geht es allerdings „nur“ um einen 25 cm großen, gut erhaltenen Backenzahn von Mammuthus primigenius und nicht um ein vollständiges Tier. Das wollhaarige Mammut insgesamt erreichte eine Schulterhöhe von bis zu 3,7 m und ein Gewicht von maximal etwa 8 Tonnen. In seiner Gesamtheit wäre dies auch einige Nummern zu groß für eine Privatsammlung, anders als der Molar aus Magdeburg, den uns Stefan Werner im Folgenden vorstellt.

 

Adventskalender 5Dez

 

Beitrag von Stefan Werner: Mammut-Backenzahn aus dem Pleistozän von Magdeburg

Wer kennt es nicht, Mammuthus primigenius, das Wollhaarmammut? Es war sozusagen der „Star der Eiszeit“. Das vorliegende Fundstück stammt aus Ablagerungen der Weichsel-Kaltzeit. Als Lößsteppen- und Steppentundra-Bewohner über die nördlichen eurasischen und nordamerikanischen Steppengebiete verbreitetes Charaktertier der Eiszeit, ist das wollhaarige Mammut bis heute Inbegriff der Großsäuger der glazialen Lebensräume. Angepasst an die Kälteperioden und als Vegetarier spezialisiert auf nährstoffreiche Hartgras- und Strauchvegetation, besiedelte es vorwiegend Flachlandregionen und Niederungen, wie etwa Flusstäler oder wasserreiche Seeufer. Begleitende Faunenelemente waren z. B. Wollnashorn, Moschusochse, Saiga-Antilope, Ren und Bison.

Mammut-Fundstellen gibt es reichlich, jedoch wurden nur an wenigen Fundorten komplette Skelette ausgegraben. Eines der bekanntesten aus jüngerer Zeit aus Deutschland wurde 1975 bei Siegsdorf (Bayern) gefunden. Bekannt wurden spektakuläre Funde von Mammut-Kadavern vor allem aus dem Permafrostboden Sibiriens und Nordamerikas. Besonders sticht hier das männliche Kalb der Eismumie „Dima“ aus dem Kolyma-Becken hervor. Gefunden im Jahr 1977, ist es 39.000 Jahre alt.
Die Gattung Mammuthus stammt ursprünglich aus Afrika und hat ihre Wurzeln im frühen Pliozän. Über verschiedene Zwischenformen entwickelte sich daraus vor ca. 1,5 Millionen Jahren das eurasische Steppenmammut, bevor aus diesem vor ca. 800 000 bis 600 000 Jahren das Wollhaarmammut hervorging. Dieses starb am Ende der Weichsel-Kaltzeit aus, wobei die letzten Exemplar ihrer Art auf der russischen Wrangelinsel nachgewiesen worden sind, wo sie noch bis vor 3700 Jahren lebten.

 

Mammutzahn

Maximal 25 cm großer Zahn von Mammuthus primigenius Blumenbach 1799. Collage: Stefan Werner. Collage vergrößern.

 

Der vorgestellte Backenzahn, den der Autor durch Tausch Mitte der 1980er-Jahre erhielt, stammt aus der mitteldeutschen Tiefebene bei Magdeburg.

 

Die Präparation bzw. Konservierung erfolgte durch Einlegen in Tiefengrund, anschließende Trocknung und Verschließen der Risse mit holzkittartiger Spachtelmasse. Der Zahn ist relativ schwer (4,9 kg), stabil und recht gut erhalten.

 

Abschließend noch einige Daten zum Zahn im Überblick:

Vermutlich handelt es sich um Molar M3 von Mammuthus primigenius Blumenbach 1799, wollhaariges Mammut

Größe: 25 x 22 x 11 cm. Die lamellierte Kaufläche ist 17 x 10 cm groß. Wurzellänge: bis 6 cm.

Fundschicht: Niederterrassen, Unterer Kiessand; Fundort: Kieswerk Magdeburg-Neustadt

Alter: Quartär, Pleistozän, Weichsel-Kaltzeit

 


 

2. Advent 2020, 6. Dezember 2020 (Nikolaustag)

Adventskalender Dendriten2

Wir feiern den 2. Advent - und wir haben die 2. „Dendritenkerze“ auf den Solnhofener Plattenkalken entzündet.

 

Der 2. Advent ist in diesem Jahr gleichzeitig auch Nikolaustag. Als der redaktionelle Schuh beim Versuch des Anziehens heute Morgen auffällig drückte, war die Ursache schnell herausgefunden. Es steckte ein Fossil als Geschenk darin, uns allen spendiert von Armin Bauer. Dieses musste noch schnell in den Kalender einrangiert werden:

 

 Adventskalender 6Dez

Beitrag von Armin Bauer: Ein Acanthopleuroceras aus dem Oberpfälzer Unterjura

Als Oberpfälzer Regionalsammler fuhr ich im Sommer dieses Jahres meine alljährliche Runde nach Lintach und Aschach bei Amberg, um nach abgeernteten Feldern zu sehen. Ich wusste, dass hier auf einigen potenziell fundträchtigen Äckern Getreide angebaut wurde, das ab Juli zum Ernten anstand. Bei dieser Fahrt machte ich einen Abstecher zu einem Baugebiet in Aschach. Hier waren im Jahr 2019 noch letzte Häuser gebaut worden. Dieser Abstecher sollte sich als Glückstreffer erweisen, denn auf einer kleinen Fläche von etwa 15 m² lagen Gesteinsbrocken des dort im Untergrund anstehenden Lias gamma (Unteres Pliensbachium, Unterjura). Diese stammten vom Aushub einer Wasserzisterne, welcher im Nachhinein nochmals ausgegraben wurde, da die Besitzer aus dem Gestein eine kleine Ziermauer errichten wollten. Diese Idee war dann aber (zum Glück für mich!) wieder verworfen worden. Somit konnte ich mit freundlicher Erlaubnis die Brocken zerklopfen und eine Vielzahl an schönen und interessanten Funden machen. Einer dieser Funde ist ein Ammonit der Gattung Acanthopleuroceras, den ich hier im Rahmen des Steinkern-Adventskalenders zeigen möchte.
Da der Ammonit gebrochen war, was in diesem zähen Gestein meist bei der Entdeckung/Bergung der Fall ist, musste er erst mittels Zweikomponentenkleber geklebt werden. Vor dem Kleben legte ich den Kiel etwas frei, um den Ammoniten nach dem Zusammenkleben gleich wiederzufinden und nicht erst durch risikoreiches „blindes“ Sticheln in den Brocken suchen zu müssen.

 

Acanthopleuroceras anpraepariert

Vor dem Zusammenkleben wurde, um für die spätere Präparation einen Ausgangsunkt zu schaffen, ein Stück des Venters des Ammoniten anpräpariert.


Die Präparation erfolgte mittels Druckluftstichel und Feinstrahlgerät. Als Strahlgut war Eisenpulver im Einsatz. Die Freilegung gestaltete sich schwierig, da es zwischen Fossil und umgebendem Gestein – was typisch für das regionale Pliensbachium ist – praktisch keine Trennschicht gab. Dies liegt daran, dass die ursprüngliche Schale der Ammoniten sowie auch die Schale mancher Schnecken und Muscheln aus Aragonit bestand und umgewandelt wurde. Im Zuge der Lithifizierung (Zementation durch die Abgabe von Porenwasser) wurde die Schale durch Kalzit ersetzt. Bei diesem Vorgang haben sich die Oberflächen der Schalen aufgrund der Bildung von feinsten Kristallen mit dem umgebenden Gestein verzahnt.

Somit muss bei der Präparation mit dem Stichel so nah wie möglich an das Fossil heran präpariert werden, ohne dass Fossilsubstanz verreißt beziehungsweise abgesprengt wird. Das restliche anhaftende Gestein kann dann weggeschabt, oder mittels Strahltechnik entfernt werden. Allerdings ist es trotzdem teilweise noch sehr zeitaufwändig und das Strahlen erfordert oft einen sehr hohen Arbeitsdruck von bis zu 10 bar.

Acanthopleuroceras Praeparationsstudie

Animation: In bewegten Bildern vom aufschlagenen Stein mit zerbrochenem Ammoniten zum Vitrinenstück.

 

Acanthopleuroceras aus Aschach

Acanthopleuroceras nebst kleinem Brachiopoden. Leider zeigte sich erst am Ende der Präparation hin, dass das Zentrum des Ammoniten fehlt. Foto vergrößern.

 

Es handelt sich bei dem in mehrstündiger Arbeit präparierten Ammoniten aus Aschach (Oberpfalz) um ein Acanthopleuroceras cf. maugenesti mit einem Durchmesser von 9 cm.

 

Fotos und Sammlung: Armin Bauer

 

 


 

7. Dezember 2020

Das siebte Türchen offenbart uns ein weiteres Geschiebe-Fossil. Wer selbst schon neue Fundstellen fernab der ausgetretenen Pfade anderer Sammler prospektiert hat, weiß wie mühsam das zumeist ist – hartes Brot! Man fährt zehnmal los und findet neunmal nichts. Und ob man bei der zehnten Tour etwas findet, auch das ist nicht gesagt. Aber, und das zeigt das 7. Türchen: es besteht bei derartigen Prospektionen durchaus die Möglichkeit dazu, in Vergessenheit Geratenes wiederzuentdecken oder gar etwas ganz Neues aufzutun. Im Geschiebe ist ein gewisser Vorteil bei Erkundungsfahrten, dass durch die bunte Mischung an Geschieben quasi jede Kiesgrube mit entsprechenden Korngrößen auch irgendwelche Fossilien liefert, man also selten ganz leer ausgeht. René Kautz stieß an einem neuen Fundort bei Lüneburg auf interessante Geschiebe, die aus dieser Gegend bisher noch keinem größeren Publikum bekanntgeworden sind: Oligozän-Geschiebe, die es in sich haben. Eines davon wurde kürzlich präpariert und René zeigt er uns nun im Rahmen des Steinkern.de Adventskalenders:

 

7 Dezember

 

Beitrag von René Kautz: Krabbe aus einem Oligozän-Geschiebe bei Lüneburg

Funde von Dekapoden sind im Geschiebe Norddeutschlands, abgesehen von wenigen Ausnahmen, selten. Insbesondere artikulierte Dekapoden sind sehr rar. Besonders spannend wird es, wenn man dennoch auf einen Fundort stößt, der mehr oder weniger regelmäßig solche Funde ermöglicht. In der Nähe von Lüneburg habe ich einen derartigen, bisher offenbar unbekannten Fundpunkt aufgetan. Von dort möchte ich hier eine komplette Krabbe aus einer Konkretion vorstellen.

Meistens findet man qualitativ hochwertige Dekapoden in Intrageröllen oder Konkretionen. Oft sind diese „verpackt“ in einem größeren Geschiebe und kommen erst beim Aufschlagen zum Vorschein. Gerölle können sandig-weich und damit leicht präparierbar, sein. Seltener und schwieriger zu präparieren, sind Fossilien aus Konkretionen. Hier ist die Matrix sehr feinkörnig und hart. Mit etwas Glück sind Konkretionsfossilien aber besonders gut erhalten. An meiner aktuellen Fundstelle stoße ich hin und wieder auf lose vorliegende Konkretionen, die in wenigen Ausnahmefällen bis zu kindskopfgroß sind, meistens aber weniger als faustgroß sind.

 

Krabbe 01
Die 6,5 cm große Konkretion von außen (wieder zusammengesetzt nach dem Anschlagen).

 

Nach dem Aufschlagen zeigte sich schon am Fundort, dass hier ein artikulierter Dekapode vorliegt. Es war mir allerdings nicht gleich klar, dass es sich um einen Kurzschwanzkrebs handelt.

 

Krabbe 02
Eine Hälfte der aufgeschlagenen Konkretion. Das sieht vielversprechend aus!

 

Etwas Brainstorming zusammen mit Kennern brachte hinsichtlich der Interpretation der Bruchfigur schnell Klarheit. Nach der Präparation zeigte sich dann auch, wie erwartet, ein Kurzschwanzkrebs beziehungsweise eine Krabbe. Sie gehört der Art Coeloma credneri Noetling, 1881 an.

 

Krabbe 03
Der präparierte Kurzschwanzkrebs: Coeloma credneri.

 

Durchmesser der Konkretion: 6,5 cm

Breite des Carapax der Krabbe: 4 cm

Erdzeitalter: Oberoligozän

 

Teile des Panzers sind außerordentlich gut erhalten, die Scheren jedoch etwas verschoben eingelagert.

Nach dem Aufschlagen blickte man auf die Unterseite der Krabbe.Nach dem Zusammenkleben der Teile ist sie dann von oben freigelegt worden. Hierbei erwiesen sich die charakteristischen Seitenstacheln des Panzers als sehr schön erhalten.

 

Krabbe 04
Nahaufnahme des 4 cm breiten Carapax der Krabbe.

 

Präpariert wurde das schöne Stück von meinem Stammpräparator Axel Cordes, der doch ziemlich mit dem harten Material zu kämpfen hatte. Aber das Ergebnis war die Mühen wert, finden Sie nicht?

 

Fotos und Sammlung: René Kautz

 

 


 

8. Dezember 2020

Das achte Türchen sperrt sich zunächst dagegen geöffnet zu werden, doch dann tut es sich nach Einsatz eines Kuhfußes knarrend und knarzend auf „so muss Technik!“. Es ist offenkundig eine ältere Tür. Das Schloss hatte seit dem Silur viel Zeit dazu gehabt Rost anzusetzen. Farblich erinnern Fossil und Gestein auf den ersten flüchtigen Blick in schummrigem Licht an einen disartikulierten Kupferschiefer-Fisch aus dem deutschen Perm, aber wir sind ja im Silur unterwegs. Bei genauer Betrachtung erweist sich das Exponat als Handstück aus dem Silur von Illinois (USA). Die Fossilien, die man auf der Platte sieht, gehören der Gattung Lecthaylus an und gaben Paläontologen lange Zeit Rätsel auf. Heute nimmt man an, dass es sich um Spritzwürmer handelt. Die Platte wird von Steinkern-Redakteur Frank Raquet vorgestellt und komplettiert das erste Drittel des Steinkern.de Adventskalenders.

 

Adventskalender 8Dez

 

Beitrag von Frank Raquet: Ein Spritzwurm aus dem Silur von Illinois (USA)

Wer mich und meine mittlerweile leider arg geschrumpfte Sammlung kennt, weiß, dass ich „tief in der Kreide stecke“. Dies ist jedoch nur eine Facette. Das zweite Interesse gilt dem frühen Leben: Funden aus dem Burgess Shale (Kanada), Chengjiang (China) etc.

 

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Die Größe der Platte beträgt 10,5 x 8 cm. Darauf überliefert sind fünf relativ komplette Exemplare, deren längstes 6,5 cm misst. Foto vergrößern.

 

Einen Vertreter des „frühen Lebens“, der allenfals auf den ersten Blick langweilig wirkt, möchte ich hier vorstellen. Fossilien dieser Art kamen vor 40 Jahren auf den Markt und verschwanden nach kurzer Zeit wieder von diesem. Was nicht mit der Fundstelle als solcher zusammenhängt, sondern damit, dass es recht gefährlich ist, dort zu sammeln (Gangs…).

Optisch sieht das Fossil aus wie eine leicht gebogene Tüte oder ein Horn, es ist schwarz und hat keine Füße…

Der nähere Blick offenbart jedoch ein spektakuläres Fossil, das den Namen Lecthaylus gregarius trägt. Es stammt aus dem Silur (Racine Formation, Lockport Shale Member) von Illinois (USA). Die auch in den dortigen Ablagerungen seltenen Fossilien wurden erst zu den Panzerwürmern gestellt, dann zu den Ringelwürmern, den Echinodermen und letztendlich werden sie nun den Spritzwürmern zugeordnet.

 

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Detailansicht. Foto vergrößern.

 

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Je näher man mit dem Auge bzw. dem Kameraobjektiv herangeht, desto feinere Oberflächendetails offenbaren sich. Foto vergrößern.

 

Sammlung und Fotos: Frank Raquet

 


 

9. Dezember 2020

In der nordwestdeutschen Unterkreide gab es vor wenigen Jahrzehnten noch zahlreiche Ziegeleitongruben. Zu den letzten Gruben, die noch in Betrieb waren, zählte die Tongrube Twiehausen der Ziegelei Flörke, die ab 1970 etwa 2 km nordwestlich zwischen Twiehausen und Hollwede (Kreis Minden-Lübbecke, Nordrhein-Westfalen) im Lever Wald angelegt wurde. Heute findet man anstelle der Tongrube dort den bis zu 17 Meter tiefen, vom Sportfischerverein Lübbecke e.V. gepachteten Lever See. Hierin zeigt sich einmal mehr: man muss Aufschlüsse so lange nutzen, wie sie aktiv sind, denn irgendwann werden die Fundmöglichkeiten für immer erloschen sein. Ein Lokalsammler, der in Twiehausen besonders aktiv und erfolgreich unterwegs war und die sicherlich größte Sammlung von dort zusammentrug, ist Manfred Lippka. Doch zog es zu Zeiten des aktiven Abbaus auch viele andere Sammler nach Hollwede, wodurch im Laufe der Jahre Material aus dem dort sehr fossilreichen Valanginium in so manche Kollektion gelangte. Auch Steinkern.de Redakteur Heribert Schwandt war mehrmals in Twiehausen und steuerte zum Steinkern.de Adventskalender einen Fund aus der Spätzeit des Abbaus (kurz nach der Jahrtausendwende) bei.

 

Adventskalender 9Dez

 

Beitrag von Heribert Schwandt: Camptonectes cinctus aus dem Valanginium von Twiehausen

Ich möchte Ihnen am heutigen 9. Dezember eine doppelklappige Muschel aus der Hollwedensis-Zone (tieferes Ober-Valanginium, Unterkreide) von Hollwede/Twiehausen vorstellen, die ich dort bei einer Exkursion im Jahr 2001 fand. Eine Präparation des Fundes war nicht erforderlich, die Muschel brauchte nur abgewaschen zu werden.

 

Camptonectes cinctus Hollwede Twiehausen

Camptonectes cinctus (Sowerby, 1822) 76 x 79 mm mit Serpelbewuchs. Foto vergrößern.

Foto: Heribert Schwandt

 

Der Fundort liegt im Lever Wald, steht heute jedoch unter Wasser und wird, wie von Sönke Simonsen oben bereits erwähnt, als Fischteich genutzt. Dass keine Fundmöglichkeiten mehr bestehen, ist sehr bedauerlich, war der Fundpunkt doch einer der spannendsten und ergiebigsten Unterkreide-Aufschlüsse Nordwestdeutschlands. Für das Sammeln war keine besondere Erlaubnis erforderlich, denn die Versorgung der Ziegelei Flörke aus dieser Grube wurde im Alleingang von Alwin mit einem alten Magiruskipper und durch Bedienen des stationären Grubenbaggers besorgt. Alwin wurde bei unseren Besuchen von uns mit belegten Brötchen versorgt und wenn es eilig war, fuhr ich schonmal den LKW zu den wechselnden Ladefeldern, damit dieser schneller beladen werden konnte für die Betriebsversorgung. Als Dankeschön streute Alwin uns dann vor Abfahrt loses Material aus der Schaufel vor unsere Füße, damit wir aus dem Lockermaterial ohne viel Arbeit unsere Schätzchen auflesen konnten.

Der Aufschluss war bekannt für seine hochdiversen Ammonitenvergesellschaftungen mit tethyalen und borealen Mischfaunen (Mutterlose et al. 2000). Einige wichtige Arten beschrieb Kemper bereits im Jahr 1978. Häufig und bei Sammlern beliebt waren Ammoniten der Gattungen Dichotomites und Valanginites. Die Valanginiten waren teils perfekt mit Mundsaum erhalten. Zur Muschelfauna schrieben Mutterlose et al. 2000: „Die Bivalvenfauna, die insgesamt sehr individuen-und artenarm ist, setzt sich aus folgenden z. T. sehr großwüchsigen Arten zusammen: Camptonectes cinctus (häufig), Entolium orbiculare, lnoceramus neocomiensis, Lima planicosta (häufig), Pinna iburgensis (häufig), Thracia phillipsii.“ Obwohl C. cinctus also vergleichsweise häufig war, waren vollständige, gut erhaltene Exemplare, wie das etwa 8 cm große hier vorgestellte Individuum nicht an der Tagesordnung.

 

Literatur (Auswahl):

 

Kemper, E. (1978): Einige neue biostratigraphisch bedeutsame Arten der Ammoniten-Gattung Dichotomites (NW-Deutschland, Obervalangin), in: Geol. Jb., A 45. S. 183-253, 18 Abb., 16 Taf., Hannover.

 

Mutterlose, J. et. al. (2000); Die Floren- und Faunenführung des Ober-Valangin (Unter-Kreide) in NW Deutschland, in: Geol. Paläont. Westf., 54, 95 S., 29. Abb., 23 Taf.

 


 

10. Dezember 2020

Draußen ist es trist und kalt es ist ein grauer Dezembertag. Statt die Haustür zu öffnen, öffnen wir lieber gemütlich bei einer Tasse Tee ein weiteres Türchen unseres Adventskalenders, denn auch vom Homeoffice aus kann man die große weite (Fossilien-)Welt kennenlernen. Geografisch landen wir heute in China, in der von Deutschland aus zirka 7500 Kilometer entfernt gelegenen Provinz Yunnan. Paul Freitag berichtet uns über die von ihm durchgeführte präparatorische Überarbeitung eines Trilobiten aus dem dortigen Kambrium.

 

Adventskalender 10

 

Beitrag von Paul Freitag: Eoredlichia – ein Trilobit aus dem Unterkambrium von China

Das heutige Kalender-Fossil ist eine Eoredlichia intermedia aus dem Maotianshan Schiefer (Unterkambrium) der chinesischen Provinz Yunnan. Dieses Stück ist unter unterschiedlichen Aspekten besonders. Zum einen liegt der Trilobit auf einer ungebrochenen, natürlichen Platte, die nicht (wie sonst so oft) zu einem charakterlosen Rechteck gesägt wurde. Zum anderen blicken wir auf die Ventralseite des Trilobiten, die uns einige interessante Details offenbart:So stechen der Verdauungstrakt und die Muskelansatzstellen in der Glabella kontrastreich hervor und an der zweiten und dritten Pleure ist auf der rechten Seite eine Verletzung zu beobachten. Außerdem sind beide Antennen erhalten und befinden sich ausgestreckt vor dem Cephalon.

 

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In diesem Zustand erhielt ich den Trilobiten. Die dem derzeitigen chinesischen Standard entsprechende Freilegung ließ noch Raum für eine präparatorische Überarbeitung.

 

Wir sehen eine relativ grob ausgeführte chinesische Präparation, bei der es leider auch zu kleineren Beschädigungen der Fossilsubstanz kam. Zudem trug die umgebende Matrix zahlreiche Schlagmarken, die ein unruhiges Bild abgeben und das Auge vom Trilobiten ablenken. Trotz der groben Bearbeitung war es in diesem Fall durch eine Nachbearbeitung noch möglich, ein ansprechendes Sammlungsstück zu erhalten. Durch das Glätten der umgebenden Matrix und eine genaue Umzeichnung des Trilobiten konnten alle Spuren der Grobpräparation nivelliert werden. Im auf den folgenden Fotos zu sehenden Zustand bereichert die Eoredlichia nun meine Trilobitensammlung.

Es zeigt sich wieder einmal, dass auch suboptimal präparierte oder beschädigte Fossilien mit etwas Mühe „gerettet“ bzw. deutlich „aufpoliert“ werden können.

 

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Gesamtübersicht der Stufe nach der Überarbeitung.

 

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Der Trilobit nach Überarbeitung: die Konturen treten nun deutlicher hervor. Foto vergrößern.

 

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Aufnahme mit Alkohlbedeckung zur Kontrast- und Farbverstärkung. Foto vergrößern.

 

Angaben zum Fossil im Überblick:

Fossil: Eoredlichia intermedia
Fundort: Anning, Provinz Yunnan, China
Formation: Unterkambrium, Heilinpu Formation, Yuanshan Member, Maotianshan Schiefer
Länge des Trilobiten (ohne Antennen): 2 cm
Zeitaufwand der Überarbeitung: 2 Stunden
Präparation und Sammlung: Paul Freitag

 

Fotos: Paul Freitag

 


 

11. Dezember

Die gestrige Kalendertür führte uns nach Fernost. Heute ist der Nahe Osten an der Reihe, denn auch dort gibt es attraktive Fossilien. Der Libanon verfügt über eine oberkreidezeitliche Konservatlagerstätte von Weltrang. Man kann sich das Graben dort in etwa so vorstellen, wie im süddeutschen Oberjura-Plattenkalk, nur dass in jeder zweiten Platte ein Fossil steckt – ich übertreibe nun etwas... obwohl, vielleicht auch nicht? Denn auf der Platte, die uns Udo Resch als 11. Türchen vorstellt, begegnen uns sogar gleich zwei Fossilien:

 

Adventskalender 11

 

Beitrag von Udo Resch: Stufe mit zwei Fischen der Gattung Coccodus aus der Oberkreide des Libanon

Vorgestellt werden zwei „Kuscheltiere“, oder etwas wissenschaftlicher formuliert: zwei Kugelzahnfische der Art Coccodus insignis. Die Stufe stammt von der Plattenkalk- Fundstelle Hjoula im Libanon. Zeitlich bewegen wir uns im Cenomanium, der ältesten Stufe der Oberkreide. Wer mehr über die Lokalität und weitere Fundorte für Plattenkalkfossilien des Libanon erfahren möchte, findet hierzu Informationen bei Weiss (2011) im Steinkernheft Nr. 6. Im Steinkern.de Forum wurden im Laufe der Jahre ebenfalls schon zahlreiche Fossilien aus der Plattenkalklagerstätte gezeigt (Weiss et al. 2009 ff.), es lohnt sich für Interessenten auch hier ein wenig zu stöbern.

 

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Zurück zum Inhalt der heutigen Kalendertür: Coccodus ist in den Ablagerungen von Hjoula und Hakel kein überaus seltener Fisch, aber er ist immer wieder aufs Neue schön anzusehen. Und ein Doppel auf so engem Raum ist nun auch nicht alltäglich.
Das Kugel- oder Pflasterzahngebiss kennzeichnet Coccodus als einen Liebhaber hartschaliger Nahrung. Das Gebiss, in dem die Zähne flächig dicht an dicht stehen, funktioniert dabei wie ein Backenbrecher, in dem unter hohem Druck die Nahrung aufgebrochen wird.

 

Angaben zu den Fossilien im Überblick:

Art: jeweils Coccodus insignis Berg 1940

Größen: 10,5 und 12,5 cm 

Fundort: Hjoula (Libanon)

Alter: Oberkreide, Cenomanium

 

Literatur:

Weiss, K. (2011): Eine Zeitreise zur kreidezeitlichen Fauna des Libanon - Teil 1, in: Der Steinkern, 6, S. 34–42.

Weiss et al. (2009 ff.): Die Fische und Fauna aus der Kreide des Libanon, Steinkern.de Forum, Rubrik: Klassiker.

 

 


 

12. Dezember

Nach zwei internationalen Beiträgen sind wir wieder zurück in Deutschland. Frei nach dem geflügelten Wort „Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah", denn die hiesige Geologie bietet uns einen durchaus reichen erdgeschichtlichen Fundus. Während andere paläozoische Schichten hierzulande im Anstehenden kaum vertreten sind, ist das Devon regional gut zugänglich und hält dank seines Fossilreichtums für Sammler einiges an Schätzen bereit. Bekannt und auch ein überregionales Reiseziel von Fossilienfreunden sind vor allem die Fundstellen der Eifel, doch auch im Rheinland gibt es Fundmöglichkeiten für devonische Fossilien. Heiko Lang macht das Dutzend voll und komplettiert die erste Hälfte unseres Kalenders mit einem schönen großen Brachiopoden aus Stolberg.

 

Adventskalender 12

 

Beitrag von Heiko Lang: Brachiopode Eodmitria aus dem Devon der Inde-Mulde

Das zwölfte Türchen des Kalenders enthält einen Brachiopoden der Art Eodmitria oblivialis grandis Sartenaer, 1982 aus dem Inde-Member (Frasnium) der Inde-Mulde bei Stolberg im Rheinland. Die Art ist dort überaus häufig zu finden. Unter den Vertretern der Brachiopoden sticht sie durch ihre deutlich überdurchschnittliche Größe hervor. Das vorgestellte Exemplar ist 5,5 cm lang, 6,3 cm breit und 3,7 cm dick und liegt damit im oberen Durchschnitt. Das größte mir bekannte Exemplar der Fundstelle misst in der Breite sogar 7,9 cm.

 

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Eodmitria oblivialis grandis Sartenaer, 1982, Breite 6,3 cm. Foto vergrößern.

 

Gewählt habe ich das Stück für den Kalender, da mein Sammlungsschwerpunkt im Devon liegt und es mir die in diesem Zeitalter individuen- und artenreich vertretenen Brachiopoden besonders angetan haben.

Auffällig ist, dass die Art oft in kleinen Gruppen von bis zu fünf Tieren beieinander auftritt. Wieso das so ist, kann ich mir aber nicht erklären und es ist mir auch keine Literatur hierzu geläufig, die sich mit dem Phänomen auseinandersetzt.

Das Gestein der Fundstelle ist sehr hart, aber auch von vielen Rissen durchzogen, weshalb man die Fossilien relativ gut bergen kann. Nur leider brechen dabei fast immer die Schlossfortsätze der Brachiopoden ab, so auch bei diesem Exemplar. Die Präparation bestand aus abwechselndem Schaben mit einem Skalpell und einem eintägigen Bad im Tensid Rewoquat, das leider nur geringe Wirkung zeigte. Das Exemplar muss vor der Entdeckung schon länger an der Oberfläche gelegen haben, dadurch war das meiste ursprünglich anhaftende Gestein schon abgebröselt und ich brauchte gar nicht mehr so viel daran zu präparieren.

 

Fotos und Sammlung: Heiko Lang

 


 

3. Advent 2020, 13. Dezember 2020

 

Adventskalender Dendriten3

Die Steinkern-Redaktion hat die 3. Dendriten-Kerze entzündet und wünscht allen Leserinnen und Lesern einen schönen 3. Advent!

 

Die 13. Tür konnte zwar erst abends geöffnet werden, aber doch noch rechtzeitig am 13. Dezember. Es gilt hier das Motto: besser spät als nie. Der Inhalt, mit dem sie Nils Jung für alle Leserinnen und Leser gefüllt hat, ist eine außergewöhnlich schön erhaltene Moostierchenkolonie aus dem Eifeldevon. Genaueres dazu erzählt Nils Euch selbst:

 

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Beitrag von Nils Jung: Eine Moostierchen-Kolonie aus dem Devon der Eifel

Unsere 13. Kalendertür enthält die Kolonie einer fenestelliden Bryozoe aus dem Zerberus-Member (Ahbach Formation, Givetium, Mitteldevon). Funde von Bryozoen sind im Mitteldevon der Eifel keine Seltenheit, es gehört aber schon eine kleine Portion Glück dazu, eine so vollständig erhaltene Kolonie zu finden, wie das vorliegende Exemplar. Lediglich die Wurzel fehlt und der Trichterrand ist leicht beschädigt. Dieses Stück wurde in einem Stillwasserbereich eingebettet. Vermutlich erfolgte die Sedimentation recht zügig, so dass selbst feinste Details erhalten blieben. Die Wandstärke der Kolonie beträgt teilweise weniger als 1 mm.


So ein Fund wäre ohne Strahltechnik nur schwer freizulegen. Die Präparation wurde dankenswerterweise von meinem Sammlerkollegen Ingo Hirsch übernommen. Er hat die filigrane Kolonie freistehend herauspräpariert und so in einen echten Hingucker verwandelt.

 

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Fenestellide Bryozoe. Der maximale Durchmesser der Kolonie beträgt ca. 40 mm. Foto vergrößern.

 

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Fotos: Nils Jung

 


 

14. Dezember 2020

Um dem Eindruck entgegenzuwirken, dass alle Kopffüßer über ein kringelförmiges Gehäuse hatten (vgl. Tür 1 und 6), folgt hier ein Gegenbeispiel: Udo Resch stellt Ihnen eine Fangarmkrone eines Acanthoteuthis aus dem Tithonium der Solnhofener Plattenkalke vor.

 

Adventskalender Tuer14

 

Beitrag von Udo Resch: Fangarmkrone von Acanthoteuthis aus dem Solnhofener Plattenkalk

Was sich hinter der 14. Kalendertür vor uns entfaltet, hat ein bisschen was von einem Alien. Es ist jedoch „nur“ die Kopfpartie eines Acanthoteuthis speciosa mit Fangarmen aus den Solnhofener Plattenkalken.

Acanthoteuthis ist ein Tintenfisch. Meist findet man in den Plattenkalken lediglich Teile dieser Tiere, wie eben auch in diesem Fall. Komplette Tiere haben ein innenliegendes Skelett, bestehend aus Kammerapparat (Phragmokon) und Schulp (Proostracum). Der Körper gliedert sich in Abdomen, Kopf und Fangarme. Letztere besitzen auf ihrer Innenseite eine Reihe Saugnäpfe (siehe  Fuchs et al. 2010).und zwei Reihen von chitinösen Haken.

 

Acanthoteuthis

Foto vergrößern.

 

Die hier vorliegende Fangarmkrone kommt auf eine Spannweite von ca. 23 cm und lässt auf eine individuelle Körpergröße jenseits der 50 cm schließen.

Vollständige Individuen kommen vor, gehören aber zu den großen Seltenheiten unter den Tintenfischen der Plattenkalke.

Angaben zum Fossil im Überblick:

Spezies: Acanthoteuthis speciosa Münster, 1839

Fundort: Solnhofener Plattenkalk

Stratigrafie: Oberer Jura, Tithonium

Durchmesser der Fangarmkrone: ca. 24 cm

Weiterführende Literatur:

Fuchs, D. et al. (2010): New evidence of functional suckers in belemnoid coleoids (Cephalopoda) weakens support for the 'Neocoleoidea' concept, in: Journal of Molluscan Studies, 76(4), S. 404-406, DOI: 10.1093/mollus/eyq032

Weitere (teils vollständiger erhaltene) Acanthoteuthis-Exemplare unter:

https://www.solnhofen-fossilienatlas.de/fossspec.php?section=bio&artid=50

 

 


 
 
15. Dezember

Um Fossilien aus der Oberkreide des Ruhrgebiets ist es im Steinkern.de Forum in den letzten Jahren leider relativ ruhig geworden. Das hat mehrere Ursachen, zu denen auch zählt, dass Baustellen – und auf die ist man in Ermangelung ständiger Aufschlüsse dringend angewiesen – immer stärker abgeriegelt werden. Das ist verständlich im Hinblick auf Unbefugte, jedoch ist es bitter, dass mancher temporäre Aufschluss nicht mehr untersucht werden kann, weil Paläontologen und Amateurpaläontologen fälschlich auch zu den ungebetenen Gästen gerechnet werden und man ihre freundlichen Bitten um Erlaubnis zurückweist. Die im Sommer über die Steinkern.de Plattform vorgeschlagene Reformierung des Denkmalschutzgesetzes könnte hier helfen, denn auch heute kann jeder noch so kleine Aufschluss weiterhin Überraschungen, neue Erkenntnisse und wunderbare Fossilien liefern. So wie vor rund 40 Jahren, als Frank Raquet in der Oberkreide von Essen fündig wurde. Ohne die damals gegebene Zugangsmöglichkeit zur Baustelle wäre nicht nur das schöne Fossil nicht geborgen worden, sondern auch unser Kalendertürchen am heutigen 15. Dezember leer geblieben!

 

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Beitrag von Frank Raquet: Mariella - ein heteromorpher Ammonit aus der Oberkreide von Essen

Das Ruhrgebiet… wer verbindet es nicht mit Industrie und Steinkohle? Fragt man einen Fossiliensammler, was zu finden ist, so lautet die Antwort wahrscheinlich „Karbonpflanzen“, in den Deckschichten darüber vielleicht etwas aus der Eiszeit und ein wenig Weltkriegsschutt. Weniger bekannt, auch wenn der Autor hierfür früher fleißig die Werbetrommel gerührt hat, sind spektakulär erhaltene Kreidefossilien. Es steht vielerorts Turon oder Santon im Untergrund an, aber leider nur an recht wenigen Stellen Cenoman. Ist dieses dann doch einmal erschlossen, ist es dafür umso schöner und man weiß es besonders zu schätzen.

Ein „Jahrhundertaufschluss“ in der Essener Stadtmitte an der Hollestraße lieferte vor nunmehr 40 Jahren einige der schönsten Cenoman-Ammoniten, die Deutschland zu bieten hat: phosphatisiert, 3-D erhalten, in wunderbaren Farben (Grün, Rot, Braun) überliefert und noch dazu inmitten einer diversen Fauna. Herausragend unter den Ammoniten waren die hochgewundenen Turriliten. Eines der schönsten damals von mir gefundenen Stücke aus der Familie Turrilitidae möchte ich im Rahmen des Adventskalenders zeigen: eine Mariella cf. cenomanensis aus dem Mittelcenoman mit einer Höhe von ca. 15 cm. Partiell phosphatisiert, zeigt das Stück traumhaft schöne Lobenlinien. Wie viele Exemplare ist es von der einen Seite sehr gut, auf der Gegenseite jedoch schwächer überliefert. Manchmals lohnt es sich im Gelände also, auch die nicht so schönen Stücke mal umzudrehen…

 

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Die eher schlecht erhaltene Rückseite.

 

 

 

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Von vorn sieht die Welt schon ganz anders aus: Mariella cf. cenomanensis, Höhe 15 cm.

 

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Lobenliniendetails. Foto vergrößern.

 

Sammlung Raquet / fossilsworldwide, Sulzbachtal.

 


 

16. Dezember

15 Türchen und noch immer kein Stachelhäuter? Na hoppla! Da wurde es nun höchste Zeit, dass uns beim Öffnen der 16. Tür endlich einer vor die Füße kullert – so wie es vor einiger Zeit seinem Finder Johannes Kalbe bei der Suche im polnischen Oberjura passiert ist. Johannes berichtet uns heute von einer Polen-Exkursion mit Sammlerfreunden und erzählt in diesem Zuge die Fundgeschichte eines schönen Exemplars des regulären Seeigels Hemicidaris.

 

Adventskalender 16

 

Beitrag von Johannes Kalbe: Ein regulärer Seeigel aus dem Oberjura von Polen

Im Frühjahr 2019 machten sich vier Sammler aus Berlin, Potsdam und Rostock auf, um dem nordpolnischen Jura einen Besuch abzustatten. Vorrangig sollte es dabei um generationenübergreifenden Wissenstransfer gehen, da viele der einst dort vorhandenen Aufschlüsse verrollt, geflutet bzw. verwittert sind oder auch (wie die jurassischen Muschelsande bei Kleby) überbaut wurden. Neben dem Selbststudium der verschiedenen jurassischen Gesteine im Anstehenden und eiszeitlichen Geschiebe wurden natürlich auch Fossilbelege gesucht. Hierbei stellte sich leider heraus, dass die wenigen noch Fossilien liefernden kleinen Halden im Umfeld der alten Aufschlüsse zunehmend stärker verwittert waren und sich die bereits zuvor magere Fundsituation in den letzten Jahrzehnten nochmals deutlich verschlechtert hat, sowohl was die Qualität als auch die Quantität der möglichen Funde anbelangt.

An einem der verbliebenen kleinen Aufschlüsse bei Czarnogłowy machten wir uns auf die Suche nach Fossilbelegen aus Mergeln des Mittel-Kimmeridge. Neben wenigen mäßig erhaltenen Brachiopoden fanden sich dort zunächst nur einzelne, sehr schlecht erhaltene Muschelsteinkerne. Meine Sammlerkollegen beschlossen daher, andere Bereiche im Umfeld des Steinbruchsees zu sichten, um einen Überblick über die verschiedenen weiteren Jura-Gesteinstypen und damit Vergleichsmaterial für vergleichbare Geschiebefunde zu bekommen. Ich beschloss dem kleinen Mergelhang noch eine Chance zu geben, und nach etwa drei weiteren Stunden (bei Sonnenschein, fast 4°C), rollte mir, der ich mittlerweile mit etwas steifem Rücken und schmerzenden Knien unterwegs war, aus den Mergelplättchen ein kugeliges Gebilde entgegen. Nach einer kurzen Reinigung im Mund zeigten sich erste Stachelwarzen in einer sehr soliden Kruste, die den kleinen regulären Seeigel umgab. Meine Freude über den recht seltenen Fund war groß.

Leider entpuppte sich die Umkrustung als sehr widerstandsfähig. Selbst vor dem Wundermittel Rewoquat verbarg der Igel seine wahre Schönheit. 2020 nahm sich dann Paul Freitag der Präparation an und enthüllte den Igel aus seinem kalkkrustigen Mergelkleid  heraus kam ein wunderschöner Hemicidaris von einer leider nahezu vergangenen klassischen Oberjura-Fundstelle Polens.

 

Hemicidaris hoffmanni Zarnglaff

Angaben zum Fossil im Überblick:

Hemicidaris hoffmanni (Roemer, 1836)

Größe: 22 mm

Steinbruch bei Czarnogłowy (ehem. Zarnglaff), N. Polen

Mittleres Kimmeridgium, Oberjura

Sammlung: Johannes Kalbe

 


 

17. Dezember

Entsprechend der Fundhäufigkeit an den für Sammler erreichbaren Lokalitäten Europas und ihrer Beliebtheit bei Fossilienfreunden, sind Ammoniten im Adventskalender gut vertreten, aber auch nicht überrepräsentiert. Erst gestern wurde seit langer Zeit einmal wieder ein Ammonit zum Steinkern.de Fossil des Monats November gekürt. Doch bleiben wir beim Kalender. Die Älteren von uns erinnern sich noch an das Türchen vom 2. Dezember, hier hatte uns Bernhard Jochheim eine Turmschnecke präsentiert. Der heutige Ammonit stammt aus derselben Lokalität. Es ist nicht nur schön anzusehen, sondern weist auch einige Besonderheiten auf, die Bernhard uns nachfolgend näherbringt.

 

Adventskalender 17 12neu

 

 

Beitrag von Bernhard Jochheim: Eine Haugia aus dem oberen Unterjura von Deux-Sèvres

Die Haugia variabilis (d´Orbigny 1845), die sich nun lange genug hinter dem 17. Türchen versteckt hat, stammt aus der nach ihr benannten Variabilis-Zone im Toarcium (oberer Unterjura) des französischen Departements Deux-Sèvres. An der Fundstelle gibt es eine nur wenige Zentimeter mächtige Schicht, in welcher die Ammoniten mit kalzitischer Ersatzschale erhalten sind. Darüber und darunter liegen die Ammoniten meist nur als Steinkerne vor. Nach dieser „Kalzit-Schicht“ suchen die erfahrenen Sammler bevorzugt. Es gibt an der Fundstelle aber noch viele weitere Fossilien beinhaltende Schichten. Meine Sammelerfahrung hat gezeigt, dass in dieser speziellen „Haugien-Schicht“ häufig adulte Exemplare abgelagert wurden. Gerade die darin enthaltenen macroconchen Exemplare der Gattung Haugia weisen insgesamt recht oft Pathologien auf. Am häufigsten habe ich verheilte Mundsaumverletzungen beobachtet, die sich zum Teil über große Bereiche der Windung von innen nach außen erstrecken. Aber auch Rippenscheitel, deren Anfang nur eine punktuelle Verletzung bildet, kommen ab und an vor.

 

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Haugia variabilis (d´Orbigny 1845), 22,5 cm. Foto vergrößern.

 

Die etwa 22,5 cm messende Haugia weist gleich zwei verschiedene Pathologien auf. Die zeitlich zuerst erfolgte Mundsaumverletzung hat einen feinen Rippenscheitel erzeugt, mit von diesem Scheitel ausgehenden feinen Schalenfältelungen. Im „Atlas der Paläopathologie der Cephalopoden“ von Keupp (2012) kam mir die forma aegra verticata Hölder 1956 am ehesten zu diesem Phänomen passend vor. Beschrieben wird sie dort als verheilte Mundrandverletzung mit scheitelartiger Teilung der Anwachslinien bzw. Rippen infolge einer Regeneration einer punktuellen Epithel-Verletzung am Mündungsrand.

 

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Die Schalenfälteltung auf der Außenwindung ist nicht artspezifisch, sondern pathologisch.

 

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Es könnte sich hierbei um die forma aegra verticata Hölder 1956 bzw. eine Unterform davon (evtl. forma aegra pexa) handeln.

 

Auf der Außenwindung ist eine verheilte Pathologie zu sehen, die sich mehr oder weniger über die gesamte Windungsbreite erstreckt, wobei sich die neue Schale beim Unterfangen der Bruchkante leicht aufgewölbt hat. Im Atlas von Keupp (2012) passt in diesem Fall die forma aegra substructa Hölder 1973a am besten. Sie wird dort als Mundrandverletzung beschrieben, die in einer „Regeneration einer Schalenverletzung durch Unterfangen der Bruchkante mit neuem, regenerativem Schalenmaterial“ resultiert.

 

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Die hier sichtbare Pathologie wird meines Erachtens am besten durch Hölders 1973 aufgestellte forma aegra substructa beschrieben. Der Mundrand ist massiv beschädigt worden, wie man an der deutlich sichtbaren Bruchlinie erkennen kann, doch überlebte der Ammonit zurückgezogen in sein Gehäuse. Und er besaß offensichtlich auch das Vermögen, den Schaden im Laufe der Zeit zu kompensieren. Der zuvor gezeigte Rippenscheitel entstand bereits vor dieser Gehäusebeschädigung und ihrer skulpturellen Kompensation, geht also auf eine Verletzung zurück, die der Ammonit erlitt, als er noch etwas jünger war.

 

Der Ammonit bzw. der gesamte Stein waren im Fundzustand in mehrere Teile zerbrochen. Die Bruchkanten waren jedoch sauber und passten genau ineinander, so dass die Bruchstellen nach dem Kleben nicht mehr zu sehen sind. Einen Teil des Kiels habe ich aus optischen Gründen ergänzt, ansonsten ist die gesamte Schale des Ammoniten authentisch. Sie ist zum Teil kalzitisch und zum Teil in Pyrit erhalten, daher rührt auch die dunkle Färbung. Präpariert wurde nur durch Sticheln und Schaben.

 

Brachiopode

Nein, dieser rhynchonellide Brachiopode ist nicht schon der Inhalt der 18. Tür - dieses kleine Detail befindet sich vielmehr zusammen mit der Haugia auf der Matrix. Besonders aufmerksame Betrachter haben das auf dem ersten Bild bereits bemerkt.

 

 

Literatur

Keupp, H. (2012): Atlas zur Paläopathologie der Cephalopoden, Berliner paläobiologische Abhandlungen, Band 12, 390 S. Berlin.

Die umfangreiche, lesens- und sehenswerte Arbeit von Prof. Helmut Keupp kann hier kostenlos von einem Server der FU Berlin heruntergeladen werden: Download.

 


 

18. Dezember 2020

Am heutigen 18. Dezeber erweitert sich noch einmal das Spektrum der Tiergruppen. Stephan Bialas präsentiert uns nämlich Tentakuliten aus dem Devon der Eifel. Tentakuliten? Das hört sich nach Tentakeln an! Tatsächlich beobachtete Ernst Friedrich von Schlotheim (1764–1832) die ersten Tentakuliten in unmittelbarer Nähe zu Trilobitenresten und vermutete, sie seien "Fühlhörner" der Trilobiten (Antennen). Antennen kannte man noch nicht, damals sprach man daher von Tentakeln. So kam der Name Tentakuliten zustande, der wie wir heute wissen irreführend ist. Außer dass sie mit Trilobiten in denselben Schichten vorkommen, haben Tentakuliten nichts mit diesen zu tun. Die Assoziation mit Trilobitenkopfschilden auf dem durch von Schotheim untersuchten Stein war rein zufälliger Natur. Da Tentakuliten zu den schalentragenden Weichtieren zählen, ist aber nicht ganz ausgeschlossen, dass sie über Tentakeln im heutigen Wortsinn verfügten. Dann würde die Bezeichnung für die Gruppe, über die man im Wikipedia-Eintrag "Tentakuliten" einiges an Informationen gewinnen kann, plötzlich wieder Sinn ergeben. Zwar fand Stephan wirklich gut erhaltene und viele Tentakuliten, aber für Weichteilerhaltung hat es leider dennoch nicht gereicht.

 

Adventskalender aktuell 18

 

Beitrag von Stephan Bialas: Eine Tentakuliten-Anhäufung aus dem Devon der Eifel

Wie oben schon anklang, beinhaltet unsere 18. Kalendertür ein Handstück mit Tentakuliten aus dem Mitteldevon der Eifel. Tentakuliten sind häufige Fossilien in marinen Sedimenten des Paläozoikums und weltweit zu finden. Die stratigrafische Reichweite der sicheren Nachweise umspannt die Schichten vom Mittelkambrium bis zum Oberdevon. Mutmaßliche Nachweise aus jüngeren Schichten sind im wissenshaftlichen Diskurs noch umstritten.

Tentakuliten werden zu den Weichtieren (Mollusca) gezählt und hatten ihren Entwicklungshöhepunkt im Devon. In den Kalkmulden der Eifel sind diese oft winzigen und fragilen Fossilien beim Auslesen von Schlämmproben nicht selten vorzufinden, leider sind sie aber zumeist nur bruchstückhaft erhalten. Umso erfreulicher war der Fund eines Kalksteins, auf dessen Oberfläche sich eine Anreicherung der kleinen Fossilien zeigte. Dort wurden sie durch Strömung nach Größe eingeregelt und abgelagert. Derartige Funde bieten die Möglichkeit, die ansonsten unscheinbaren Fossilien ausnahmsweise sogar einmal vitrinentauglich präsentieren zu können. Im oberen Teil des Kalksteins war das Umgebungsgestein mergelig genug, um die Tentakuliten mit dem Tensid Rewoquat schonend freilegen zu können.

 

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Tentakuliten-Handstück mit verwitterungsbedingter farblicher Zweiteilung, Breite 95 mm. Foto vergrößern.

 

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 Detailansicht der bis 1 cm langen Tentakuliten.

 

Angaben im Überblick:

Fossilien: Unbestimmte Tentakuliten

Breite des Handstücks: ca. 95 mm

Länge der Tentakuliten: bis 10 mm 

Fundhorizont: Mitteldevon, Eifelium, Ahrdorf Formation

Fundregion: Sötenicher Mulde, nordrhein-westfälischer Teil der Eifel.

 

Sammlung und Fotos: Stephan Bialas

 

 


 

19. Dezember 2020

Einen Tag vor dem 4. Advent verdanken wir den Artikel hinter der heutigen Kalendertür abermals Paul Freitag, der schon am 1., 10. und 16. Dezember, zweimal als Präparator des jeweiligen Exponats und einmal zusätzlich als Urheber eines Kalendertürchen-Artikels beteiligt war. Die Tür zum 19. Dezember beinhaltet Trilobiten Vertreter dieser Tiergruppe vorzufinden ist angesichts der Autorenschaft von Paul nicht überraschend, hat er sich doch bereits vor Jahren auf Trilobiten spezialisiert. Ausgewählt hat Paul zwei kleine Exemplare aus der Taklamakan-Wüste von China, die er sorgfältig aus dem angewitterten Gesteinssplitter herauspräpariert hat. 

 

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Beitrag von Paul Freitag: Stufe mit einer Taklamakania aus China
Hinter der 19. Tür sehen wir eine kleine Stufe, die man auch als Scherbe bezeichnen könnte. Darauf befinden sich ein Thoracopygidium (Pleuren und Schwanzschild eines Trilobiten, ohne Kopfschild) und ein kleiner dunkler „Fleck“. Bei genauem Hinsehen ist dieser Fleck bereits im unpräparierten Zustand als ein weiterer Trilobit zu erkennen und das eigentliche Highlight der Scherbe! Es handelt sich um eine seltene Taklamakania tarimensis aus der Yingan Formation (Ordovizium) von Xinjiang, China. Dieser Trilobit hat lediglich drei Pleuren und ist mit durchschnittlich 3 bis 5 mm Größe ein leicht zu übersehendes Fossil. Wie alle Vertreter der Raphiophoridae, zu der die Spezies gehört, war Taklamakania blind. Folgerichtig sind beim Betrachten des Kopfschilds auch nirgends Augen auszumachen.

 

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Das kleine Stüfchen vor der Präparation.


Neben der geringen Größe, die besonderes Geschick bei der Präparation erforderte, kam noch erschwerend hinzu, dass sich nur die oberen 2 bis 3 mm des Gesteins gut bearbeiten ließen. Diese waren ausreichend angewittert, um problemlos gestrahlt werden zu können. Im Inneren ist das Gestein dunkler, unverwittert und extrem hart. Auch die Trennung lässt mit zunehmender Härte zu wünschen übrig, sodass Stücke wie dieses, wo das Gestein ausreichend angewittert, ist, die Fossilien aber davon noch nicht allzu sehr in Mitleidenschaft gezogen worden sind, für eine Präparation am besten geeignet sind.
Namensgebend für diesen kleinen „Krabbler“ ist übrigens die den Fundort umgebende Taklamakan-Wüste, die zweitgrößte Sandwüste der Welt.

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Gesamtansicht nach der Präparation.


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Das Thoracopygidium eines Symphisurus(?) ist in diesem Falle fast nur schmückendes Beiwerk.

 

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Interessanter, da vollständig überliefert, ist, diese 4 mm große Taklamakania tarimensis.

 

Angaben zu den Fossilien im Überblick:

Vollständige Taklamakania tarimensis, Thoracopygidium eines Symphisurus(?).

Fundort: Tarim, Xinjiang, China

Formation: Yingan Formation, Caradocium, Ordovizium

Länge des kompletten Trilobiten: 4 mm

Zeitaufwand der Präparation: 2 Stunden

Präparation und Sammlung: Paul Freitag

 
 

 
 
4. Advent 2020, 20. Dezember 2020
 
Adventskalender Dendriten4
 

Das Kalendertürchen zum heutigen 4. Advent hat zwei Flügel (obwohl das ja eigentlich dem 24. vorbehalten ist), weil es sich um ein zweiteiliges Fundstück handelt. Klaus Bartls kleine Weihnachtsgeschichte zu dem Bundenbacher Fossil erzählt von verschlungenen Wegen eines "Stachelschweins", allerlei Zufällen und einem unerwarteten Ergebnis.

 

Adventskalender Tuer20

 

Beitrag von Klaus Bartl: Hystrigaster horridus aus dem Unterdevon von Bundenbach

Beim Suchen und Finden von Fossilien kommt es vor, dass beim Fundschlag zwar das Fossil ans Licht kommt, aber dabei zerbricht und ein Teil verloren geht. Mit etwas Glück findet man das fehlende Stück noch – sei es direkt in der Fundsituation, oder manchmal bei einer Nachsuche einige Zeit später. Wird fundhöffiges Material unter wirtschaftlichen Aspekten verarbeitet, ist das Zerteilen von Fossilien als „Kollateralschaden“ an der Tagesordnung. Getrennte Fossilhälften finden dann meist nie mehr zueinander.

Angeschnittene und durchgesägte Fossilien aus Bundenbach gibt es viele. Der aus dem Berg gesprengte Schiefer wurde in Standardformate zurechtgesägt und anschließend in Handarbeit zu Schieferplatten von ca. 5 mm Dicke gespalten, hauptsächlich als Rohmaterial für Dachschindeln. Dabei wurden die Fossilien entdeckt und kaum etwas übersehen. Nicht zuletzt ist eine mit Fossilien „verunreinigte“ Schieferplatte technisch minderwertig. Würde man damit ein Dach decken, wäre aufgrund der Verwitterung das Fossil nach 50 Jahren zerstört und stattdessen ein Loch im Dach. Das Aussortieren der Fossilien diente also auch der Qualitätssicherung. Die Spalter durften die Fossilien behalten und viele verkauften ihre Stücke zur Aufbesserung der schmalen Haushaltskasse.

Wer findet, darf behalten – das galt auch während der Arbeitsschicht. Wurde beim Aufspalten ein angesägtes Fossil entdeckt, stand dem Spalter auch das Reststück zu, sofern dieses im benachbarten Schieferblock gefunden wurde.
Ich habe in meiner Bundenbach-Sammlung mehrere angeschnittene oder zusammengefügte Stücke, weil das für die Fundstelle einfach typisch ist. Außerdem offenbaren diese Fossilien meist ungewöhnliche Qualitäten: besondere Details, tolle Erhaltung usw., weshalb man sich überhaupt die Mühe gemacht hat, das Stück trotz seines „versehrten“ Zustands aufzubewahren und zu präparieren. Das Durchsägen bewirkt ca. 4–5 mm Materialverlust, daher entsteht beim Zusammenfügen meist ein Versatz in den Strukturen, sodass die Klebung nicht gänzlich „unsichtbar“ gemacht werden kann.

Im Sommer 2020 hatte ich die Aufbewahrung meiner „Bundenbacher“ neu sortiert. Dabei kamen mir wieder zwei halbe Sterne in die Hand, die ihren Weg aus ganz verschiedenen Quellen zu mir fanden: Hystrigaster horridus Lehmann, 1957. Der sehr seltene Stern zeigt einen „wehrhaften“ Habitus mit massiven langen Einzelstacheln.
Das erste Stück hatte ich 2005 bei Peter Hohenstein (Bundenbachfossilien) als guten Beleg erworben. Beim Schieferspalten war es in mehrere Splitter geborsten und musste nach dem Zusammenpuzzeln rückseitig stabilisiert werden. Aufgrund dieser „Schäden“ und des angeschnittenen Zustands war es für mich erschwinglich. Nicht zuletzt fiel mir der flächige Pyritüberzug auf, der eventuell als Überrest der Seesternhaut zu deuten ist. Ich habe dergleichen bei Hystrigaster nie wieder gesehen.

Abb 1 KB2005 Hystrigaster hi kl

Halber Hystrigaster mit möglicher Hauterhaltung. Foto vergrößern.

 

Das andere Stück hatte Rudolf Stanzel (1948–2017) im Jahr 2010 in einem Tauschgeschäft zu Heiko Sonntag gegeben: „als Übungsstück“ wie er sagte, da er es nur anpräpariert hatte und die Lust daran verlor.
Heiko stellte rasch fest, dass eine gute Präparation trotz Feinstrahlgerät so einige Tücken birgt und fragte mich um Rat. Ich habe das Stück dann einfach im halb-rohen-Zustand übernommen und von Peter Hohenstein fertig präparieren lassen. Ich mochte das Ding – als Erinnerung an die beteiligten Personen und die verschlungenen Wege, die es zu mir brachten.

 

Abb 2 KB2010 Hystrigaster 860px
Halber Hystrigaster, das „Stachelschwein“ unter den Bundenbacher Sternen (die Hystricidae – Familie der Stachelschweine – waren namengebend). Foto vergrößern.

 

Beim Sortieren stellte ich überrascht fest, dass beide Stücke tatsächlich zum selben Fossil gehören. Der Seestern war damals beim Zuschnitt der Rohblöcke durchgesägt, die Hälften zu verschiedener Zeit gefunden und von verschiedenen Personen als Rohmaterial angekauft worden. Seit 2010 lagen beide Hälften bei mir, ohne dass ich einen Gedanken daran verschwendet hätte, dass sie in Wahrheit eins waren. Zehn Jahre später habe ich das nun entdeckt, und die Sternen-Odyssee ist zu Ende!

Leider stellte sich heraus, dass man die Teile nicht überzeugend zu einem Ganzen zusammenkleben kann. Zwar passen mehrere Details erstaunlich gut „falsch“ zusammen, aber es fehlt der Sägeabstand. Auch hätte an der linken Platte noch ein Stück des Arms oben freipräpariert werden müssen, weil sonst ein rechtwinkliges „Loch“ im Gesamtbild bleibt.

 

Abb 3 KB20052010 Hystrigaster hi 860px

Beide Platten auf Stoß gelegt. Die grau schraffierte Partie hätte man nachpräparieren müssen. Foto vergrößern.

 

Ausgerechnet die im Bild markierte Partie ist verloren gegangen, denn dieses Schieferstück war beim Spalten geborsten und der benötigte Splitter brach nach unten aus. Die Oberfläche ist an dieser Stelle hauchdünn. Würde man jetzt „präparieren“, käme stattdessen nur der unterfütterte Kleber zum Vorschein.

So verbleibt der Seestern in zwei Hälften ... aber immerhin in der Sammlung wiedervereint!

 

Abb 4 KB20052010 Hystrigaster hi 860px

Wiedervereinigung - auf Abstand, was der wahren Anordnung der Stücke entspricht. Foto vergrößern.

 

Seestern Hystrigaster horridus Lehmann, 1957

Gesamtbreite ca. 148 mm (incl. 5 mm Spalt wie in der letzten Abbildung)

Bundenbach/Deutschland, Hunsrückschiefer, Kauber Horizont, Unteres Devon, ca. 400 Mio. Jahre

Rechte Hälfte: Coll. K.B. 2005, von Peter Hohenstein

Linke Hälfte: Coll. K.B. 2010, von Rudolf Stanzel († 2017)

 

Fotos und Sammlung: Klaus Bartl

 

Literatur

Lehmann, W. M. (1957): Die Asterozoen in den Dachschiefern des rheinischen Unterdevons, Hessisches Landesamt f. Bodenforschung, Ausgabe 21, 160 S.

 
 

 
 
21. Dezember 2020
 
Muscheln sind nicht unbedingt der meisten Fossiliensammler liebstes Kind. Das liegt nicht nur an deren oft relativ skulpturarmen Formen, sondern wohl auch daran, dass die Tiergruppe noch rezent vorkommt und somit weniger mystisch ist als etwa Ammoniten oder Saurier. Trotzdem werden Muscheln von den meisten Sammlern glücklicherweise nicht links liegen gelassen und speziell von Fundortsystematikern gern als Bestandteil der gesamten Fauna eingesammelt. Manchmal treten sie sogar mit einem beachtlichen Formenreichtum auf. Dass Sammler aber eigens Fundorte aufsuchen, an denen speziell Muscheln zu finden sind, ist dann doch eher selten. Ausnahmen bilden z. B. Vorkommen der attraktiven "Herzmuscheln des Mesozoikums" oder von Jakobsmuscheln. Im Oktober 2020 wählten die Mitglieder der Steinkern.de Community eine Stufe mit Jakobsmuscheln der Gattung Pseudopecten aus dem Unterjura zum Fossil des Monats (siehe hier).
In den 1980er-Jahren gab es bei Montagnac in Südfrankreich einen kleinen Aufschluss, der eine überregionale Anziehungskraft auf Sammler dadurch ausübte, dass sich besonders große und zahlreiche Austern dort in weichem Sediment des Miozän finden ließen. Hedda und Heribert Schwandt waren im Rahmen einer Südfrankreichreise dort und zeigen uns im viertletzten Türchen des Adventskalenders gleich drei dort geborgene Exemplare.
 
 
 
Adventskalender Tuer21
 
 

Beitrag von Hedda und Heribert Schwandt: Austern der Gattung Crassostrea aus dem Miozän Südfrankreichs

Eine unserer Urlaubstouren mit Wohnwagen führte uns vor nunmehr über dreieinhalb Jahrzehnten nach Südfrankreich. Unter anderem gingen wir damals, im Sommer des Jahres 1984, einem Tipp bezüglich einer Fundstelle für große Austern in Montagnac im Departement Hérault nach. Ausgerüstet mit Spitzhacke, Fäustel und Meißel erreichten wir den Ort bei glühender Mittagshitze. Der uns vorliegenden Fundstellenbeschreibung folgend, suchten wir einen Weinberg auf und erreichten an dessen Ende eine gelblich-graue Sandsteinwand. Hier war offensichtlich vor uns von anderen Sammlern gegraben worden. Wir räumten Sand und Bruchstücke von Austern zur Seite und stießen schon bald auf eine Bank mit Einzellklappen und zum Teil zusammengewachsenen Austern. Mit Eifer und viel Schweiß konnten wir einige doppelklappige Exemplare der Gattung Crassostrea aus dem relativ weichen Gestein der Bank bergen. Abschließend wurde die Fundstelle mit dem eigenen Abraum verfüllt und in den ursprünglichen Zustand versetzt.

Gezeigt werden aufgrund der Variationsbreite der Schalen gleich drei der damals von uns geborgenen Exemplare:

 

 

Crassostrea 195mm Montagnac

Mit 19,5 cm ist dieses das kleinste der drei Exemplare.

 

Crassostrea 235mm Montagnac

Dieses doppelklappige Individuum bringt es auf 23,5 cm Länge.

 

Crassostrea 315 mm Montagnac KL

Rekordhalter in Bezug auf die Größe unter den Crassostreen in unserer Sammlung ist diese doppelklappige 31,5 cm lange Crassostrea cf. crassissima, die auch optisch besonders hervorsticht. Foto vergrößern.

 

 

Angaben zu den Fossilien im Überblick:

Crassostrea cf. crassissima

Größen: 19,5 cm bis 31,5 cm

Fundort: Montagnac (Hérault, Frankreich)

Alter: Mittleres Miozän 

Fotos und Sammlung: Hedda und Heribert Schwandt

 

 


 

22. Dezember 2020

Langsam wird es weihnachtlich. Betrachten wir uns den regulären Geschiebe-Seeigel von René Kautz im 22. Türchen, so können wir festhalten: die ersten Christbaumkugel haben wir schon einmal - es ist ein „schmucker“ regulärer Seeigel, der aus einem Flintgeschiebe herausgeschliffen und poliert wurde und durch diese spezielle Art der leicht-invasiven Präparation optisch einiges hermacht! Nun fehlt quasi nur noch der passende Baum.

Im Artikel fällt mehrfach der Begriff „Corona“. Noch zu Beginn dieses Jahres war dieses Wort für Fossiliensammler ausschließlich positiv konnotiert. Zeiten ändern sich, aber es ist und bleibt trotz Covid-19 die fachlich korrekte Bezeichnung für die Gesamtheit aller Platten von Seeigelgehäusen.

 

 
Adventskalender 22
 
 

Beitrag von René Kautz: Regulärer Seeigel aus schleswig-holsteinischem Flintgeschiebe

Seeigel gehören zweifellos zu den beliebtesten Fossilien aus dem Geschiebe. Nahezu jeder Strandurlauber an deutschen Küsten hat sich schon einmal nach Seeigeln oder „Donnerkeilen“ (Belemniten) umgesehen, nicht wenige bereits in ihrer Kindheit. Wer als Erwachsener weiterhin sammelt, hat Seeigel oft noch immer sehr weit oben auf der Wunschliste stehen. Betreibt man die Seeigelsuche mit etwas Elan, so kommt mit der Zeit beinahe zwangsläufig die Jagd nach besonders schönen und/oder seltenen Stücken hinzu, wenn man die häufigeren Arten in ausreichendem Maße in der Sammlung belegt hat. Zu den absoluten Highlights unter den Seltenheiten gehört der reguläre Seeigel Stereocidaris. Dieser ist aufgrund seiner attraktiv verzierten Corona und seinen langen Stacheln besonders begehrt. Im Geschiebe kann man regelmäßig einzelne Platten der Corona oder auch einzelne Stacheln finden, sowohl lose als auch in Flint oder Kalk vorliegend.

Bereits artikulierte Reste der Corona sind selten zu finden, in Verbindung mit Stacheln sind Coronenreste dann wirklich begehrte Sammlerstücke. Eine komplette Corona mit Stachelkranz ist im Geschiebe meines Wissens noch gar nicht gefunden worden. Kein Wunder, denn selbst im Anstehenden sind derartige Funde handverlesen.

 

Cidaride01

Stereocidaris sp., Breite der Corona: 4,9 cm, Geschiebebreite: 10 cm.

 

Hinter der 22. Kalendertür begegnen wir nun einem besonders schönen Vertreter aus dem Kreis der artikulierten Funde von Stereocidaris. Er liegt in einem anhand der Farbe gut als Maastrichtium-Flint (Oberkreide) erkennbaren Flint vor. Das Gehäuse könnte ursprünglich komplett fossil überliefert gewesen sein, allerdings wurde ca. ein Drittel irgendwann beim Gletschertransport abgetrennt. Wir haben somit eine immerhin noch zu zwei Dritteln vollständige Corona in Geschiebeflint vorliegen, die außerdem von einigen Stacheln umgeben ist. Besonders hervorzuheben sind am vorliegenden Stück die erhaltenen Aboralplatten (Verschluss Oberseite). Ein vergleichbarer Geschiebefund ist mir nicht bekannt.

Das Stück wurde von Reinhard Braasch mit viel Aufwand präpariert und liefert einen guten Einblick in den Aufbau der intakten Corona. Man kann sicherlich darüber streiten, ob der durch die angewendete Präparationstechnik erreichte Anblick zu künstlich geworden ist. Zur Visualisierung finde ich es in dieser Form aber sehr gelungen.

 

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Ansicht der 4,9 cm großen Corona mit den Aboralplatten. In der Flintmatrix rechts sind mehrere Stacheln zu sehen. Foto vergrößern.

 

Das Stück wurde schon vor Jahren im südlichen Schleswig-Holstein gefunden und erst vor kurzer Zeit präpariert.

 

Falls jemand im Steinkern-Forum einen Stereocidaris mit Aboralplatten zeigen könnte: Ich würde mich freuen, ein paar Vergleichsstücke zu sehen! Diese müssen nicht aus dem Geschiebe sein. Möglicherweise gibt es sogar Funde mit Platten, die noch exakt in situ vorliegen?

 

Fotos: René Kautz

 


 

23. Dezember

"Früher war mehr Lametta", das wusste Loriot in seiner legendären Rolle als Opa Hoppenstedt schon im Jahr 1976. Gerade mit Blick auf das zurückliegende Jahr 2020 steckt im Augenblick beklagenswert viel Wahrheit in diesem mittlerweile geflügelten Wort: ja, frühere Weihnachtsfeste fanden fraglos in netterem und besinnlicherem Ambiente statt. In diesem Jahr ist Kontaktminimierung zur Unterbrechung von Corona-Infektionsketten angesagt. Tja, so ist das halt, aber im Kleinen kann und wird es hoffentlich trotzdem nett werden. Machen wir das Beste daraus, denn etwas anderes bleibt uns ohnehin nicht übrig!

Frank Raquet liefert uns heute im 23. Türchen jedenfalls einen optimal an den Untergrund angepassten Weihnachtsbaumständer aus der Hannoverschen Kreide. Aus Spaß und zur Kompensation des wenigen Lametta in diesem Jahr, hat er schonmal probehalber ein Silberbäumchen aus dem Gebiet um Pribram (Tschechien) damit aufgestellt. Nun kann Weihnachten kommen!

 

23

 

Beitrag von Frank Raquet: Oktokorallenbasis aus der Hannoverschen Oberkreide

Fossile Korallen sind ein Sammlergebiet für sich. Im Devon sind sie heißgeliebt (besonders wenn man Eifel-Sammler fragt), aus dem Jura begehrt und auch rezent sind sie vertreten. Korallen der Kreidezeit sind – bis auf wenige Fundorte – dagegen meist eher „Nebensache“. Immerhin, in Deutschland wurde eine hochdiverse Korallenfauna im westlichen Ruhrgebiet gefunden, genauer gesagt am Kassenberg bei Mülheim/Ruhr. Dieser Fundort ist weltberühmt, da er spektakuläres Material aus dem Cenoman erbrachte. Ansonsten…, tja! Im Cenoman, Turon und Santon des Münsterlandes kommen Korallen immerhin vereinzelt vor. Fundmöglichkeiten bestehen auch im Campan des Großraums Hannover. Beinahe jedem sind die Grubennamen geläufig: Höver, Misburg bzw. Alemannia, Germania, HPC usw. Die Hannoversche Oberkreide ist seit Langem ein beliebtes Sammlerziel und war vor einigen Jahren daher auch Anlaufpunkt der bislang größten Steinkern-Exkursion. Die Kreidegruben liefern eine sehr diverse Fauna, u. a. bestehend aus Muscheln, Schnecken, Ammoniten, Nautiliden, Wirbeltierresten sowie Schwämmen und Seeigeln. Das Sammeln dieser Stücke ist eine Liebe für sich. Oftmals nimmt man unwissentlich eine kleine Fossiliensammlung mit nach Hause, wenn man nur einen Igel oder Schwamm einpackt. Viele Exemplare sind nämlich bewachsen mit Austern, Serpuliden und Bryozoen oder auch mit seltsam verästelten, an Wurzeln erinnernden Gebilden.

 

Oktokorallenbasis 860px

4 cm große Oktokorallenbasis auf Oberkreide-Schwamm. Foto vergrößern.

 

Die Deutung dieser Gebilde war etwas umstritten. Bereits früh war klar, dass es Wurzelgeflechte von sessilen Tieren sind. Sehr wahrscheinlich von Korallen und Crinoiden, manchmal sicherlich auch von Schwämmen. Crinoidenwurzeln sind gut zu erkennen an ihrer kalzitischen Substanz. Korallenwurzeln „eigentlich auch“, zumindest bis zum Bestimmungspunkt „Korallenwurzel“. Darüber hinaus ist eigentlich fast keine Aussage möglich. Die Wurzeln sind als „Morphotypen“ in die Literatur eingegangen, getrennt nach der Wuchsgestalt der Äste. Man differenziert meist noch zwischen Okto- und Hexakorallen.

 

Oktokorallenbasis Detail

Detailansicht. Foto vergrößern.

 

Das hier vorgestellte Stück ist ein ziemlich perfektes Exemplar einer Oktokorallenbasis. MALECKI trennte 1982 viele dieser Geflechte in „Octobasis“-Arten auf, das aber ist nicht haltbar. Wir belassen es daher bei der Bezeichnung als Oktokorallenbasis. Das recht große Geflecht (Durchmesser 4 cm) ist weit verzweigt und auf einen Schwamm (?Siphonia) aufgewachsen. Neben dem größeren Wurzelgeflecht ist ein zweites, kleineres und schmaleres zu sehen.

 

860px lametta

Auch in diesem Jahr müssen wir nicht ganz auf Lametta verzichten. Hier wurde die Oktokorallenbasis (mit etwas Montagekitt und Photoshop) zu einem Silberbäumchenständer umfunktioniert. Das Silber stammt aus dem Gebiet um Pribram (Tschechien).

 

Sammlung und Fotos: Frank Raquet, Sulzbachtal

 
 
 
24. Dezember (Heiligabend)
 
„Ja, ist denn heut´ schon Weihnachten?“ Nein, aber es ist Heiligabend und wir sind beim 24. und letzten Türchen angelangt! Steinkern-Redakteur Stefan Werner hat es für Sie gestaltet und wählte hierzu wunderschöne Chalcedon-Steinkerne von Schnecken aus dem Paläogen Marokkos dazu aus. Man kennt diese Schnecken schon seit einigen Jahren von Fossilienbörsen, wo man sie zuweilen im Angebot marokkanischer Händler vorfindet. Sie werden dort meistens als „lose Schüttung“ präsentiert. Nicht wenige Stücke sind angestoßen oder abgebrochen, teils sicherlich transportbedingt, weil die Spitzen in Chalcedon-Erhaltung bruchanfällig sind. Aber es befinden sich immer noch schöne Stücke darunter, die man sich gezielt herauspicken und für überschaubare Geldbeträge erwerben kann. Am Fundort scheinen die Schnecken also keinesfalls selten zu sein.
 
 
 
Adventskalender 24
 
 
 

Beitrag von Stefan Werner: Chalcedonisierte Schnecken aus dem Eozän von Marokko

An Heiligabend möchte ich zum Abschluss des Steinkern-Adventskalenders zwei schöne Schnecken-Steinkerne von Meeresschnecken aus bernsteinfarbig durchscheinendem Chalcedon, einer Achat-Varietät (SiO2) zeigen, verbunden mit den besten Wünschen zum Fest:

 
 
Heiligabend 24 12 2020
 

Wie konnte es zu dieser Erhaltungsform kommen?

Man kann sich das in groben Zügen so vorstellen: Nach dem Absterben des Tieres und der Einbettung im Sediment, füllte sich die Schale zunächst mit etwas Sediment. Im Verlauf der Gesteins- und Fossildiagenese löste sich die Schale auf. In den entstandenen Hohlraum zwischen Sediment und ehemaliger Schale sowie in den restlichen Hohlraum im noch nicht vollständig verfüllten Gehäuse muss nun stark kieselsäurehaltiges Fluid eingeströmt und schließlich im weiteren Prozess der Diagenese auskristallisiert sein. Auf diese Weise entstanden die ästhetischen Chalcedon-Steinkerne. Die Farbe hängt von den durch die in der Chemie des Fluides gelösten Elemente ab. Chalcedon-Erhaltung ist insgesamt selten anzutreffen, da die Entstehung an sehr spezielle Bedingungen gekoppelt ist. Sie kommt somit an nur wenige Fundorte gebunden vor, weshalb die marokkanischen Stücke schöne Anschauungsobjekte für die Sammlung darstellen.

Die beiden Schnecken habe ich käuflich erworben. Die „Handelsbezeichnung“ (die leider nicht unbedingt immer wissenschaftlich haltbar ist, wir dürfen also auch hier zweifeln - wenn jemand genauere Angaben machen kann, ist dies gern im Forum möglich!) für den linken Steinkern war „Vicinocerithium sp.“. Er hat eine Höhe von 3,4 cm und einen Durchmesser von 1,8 cm. Ist die Bezeichnung korrekt, gehört die Schnecke zur Familie Batillariidae Thiele 1929.

Der rechte Steinkern wurde mit „Campanile sp.“ bezeichnet. Dieser hat eine Höhe von 5 cm und einen Durchmesser von 2,3 cm. Diese Art gehört zur Familie Campanilidae Douvillé 1904.

 

Über die Fundschichten, einbettende Matrix und deren Diagenese, sowie über lithostratigrafische und biostratigrafische Zuordnung ist mir leider so gut wie nichts bekannt. Nur soviel: Das Alter der Funde wird mit Eozän (Paläogen / ''Tertiär'') angegeben. Das absolute Alter wurde mit ca. 50 Millionen Jahren beziffert. Ob diese Daten korrekt sind, kann auf Grund des Fehlens von Publikationen über die Fauna derzeit nicht verifiziert werden.

Der Fundort ist laut Händler (und eigener Internet-Recherche) Ad Dakhla in der Provinz Oued Ed-Dahab Lagouira (Westsahara/Marokko).

 

Fotocollage: Stefan Werner

 

 
 

 

24. Dezember. 2020:

Die Steinkern.de Redaktion schließt sich Stefan Werners Weihnachtsgrüßen an, bedankt sich für Ihr Interesse am Adventskalender und wünscht allen Leserinnen und Lesern ein besinnliches Weihnachtsfest! Möge es auch im dieses Jahr leider kleinen Rahmen doch wieder schön werden!

 

 

Redaktionelle Bearbeitung aller Beiträge: Sönke Simonsen für Steinkern.de