Weitere Staaten

Bernsteine aus Giulianova am Fuße der Abruzzen (Provinz Teramo, Italien)

Vor Ort

Seit einigen Jahren bin ich im Verein „Kinder unserer Stadt e.V.“ in Stade tätig und im Rahmen dieser Tätigkeit fahren wir in den Sommerferien mit den Kindern üblicherweise für zwei Wochen weg. In den letzten drei Jahren ging es für uns immer nach Italien, um dieses wunderschöne Land besser kennenzulernen.

Im Jahr 2019 führte uns die Reise in das Campingdorf Stork nach Cologna Spiaggia, welches zur Gemeinde Giulianova in der Provinz Teramo gehört und direkt an der Adria liegt.

 

Giulianova und Cologna Spiaggia

Abb. 1: Mündung des Tordino in die Adria. Links des Flusses befindet sich der Ort Giulianova, rechts das Campingdorf Cologna Spiaggia.

 

Openstreetmap u Mitwirkende Tordino Muendungsbereich

Abb. 2: Karte des Mündungsbereichs des Tordino. Nordwestlich des Flusses sieht man den südlichen Teil des Ortes Giulianova und südöstlich ist das Campingdorf verzeichnet. Quelle: OpenStreetMap-Mitwirkende, CC BY-SA 2.0

 

Das Campingdorf hat einen direkten Strandzugang und als „Küstenkind“ konnte ich nicht widerstehen, den Großteil meiner Freizeit dort zu verbringen, um den Kindern die Natur etwas näher zu bringen. Leider haben wir nicht nur natürliche Strandfunde gesichtet, sondern auch jede Menge Müll, wie er dort leider zu jedem Strandbild gehört, jedenfalls dann, wenn die Strände noch nicht für den Tourismus gereinigt sind.
Der Strand vor dem Campingdorf war zweigeteilt. Der für die Gäste bestimmte Bereich war ein geräumter Sandstrand, links vom Zugang befand sich dagegen ein Geröllstrand. Der Geröllstrand erschien mir von Anfang an interessanter als der Sandstrand. In den abgerollten Steinen fand ich unter Anderem roten Radiolarit, der mich sofort an den berühmten roten Helgoländer Feuerstein erinnerte. Außerdem waren Treibhölzer und diverse Mollusken zu finden. So konnte ich dort mit den Kindern auf Entdeckungstour gehen und Schnecken und Muscheln suchen.

Der Steinstrand entstand höchstwahrscheinlich durch die Ablagerungen des dort mündenden Flusses Tordino. Zu beiden Seiten der Mündung finden sich etwa 200 Meter Steinstrand mit jeweils ähnlicher Gesteinszusammensetzung. In der Flussmündung befindet sich ein Steinwall, so dass man im Sommer und bei warmem Wetter normalerweise ohne große Probleme von der einen Seite zur nächsten gelangt. Man sollte jedoch vorsichtig sein, je nachdem ob ablaufendes oder auflaufendes Wasser herrscht, können die Strömungen nämlich durchaus dafür sorgen, dass man das Gleichgewicht verliert und ein unfreiwilliges Bad in der Adria nimmt. Da wir im Sommer zu Besuch waren, haben wir gezielt nach einer Abkühlung im Wasser gesucht.

 

Tordino Muendung

Abb. 3: Blick vom Strand von Cologna Spiaggia nach Norden zur Mündung des Tordino

 

Im Brandungsbereich fanden sich teilweise mehrere Dezimeter mächtige Ablagerungen von Treibhölzern, Müll und Molluskenschalen sowie Knochen. In diesen interessanten Ablagerungen suchte ich mit den Kindern fast täglich nach neuen schönen und interessanten Objekten.

Nach etwa einer Woche fand ich auf der Cologna Spiaggia Seite des Tordino ein kleines, etwa einen Zentimeter messendes, verdächtiges Objekt, welches mich sofort an meine Elbbernsteinfunde in Stade (Niedersachsen) erinnerte.

Da ich mir nicht sicher war, ob es einfach nur merkwürdig geformte Plastikabfälle oder sich tatsächlich um fossiles Harz handeln könnte, packte ich es erst einmal zu den anderen Funden, um es später im Camp genauer zu betrachten (Abb.4 ).

Dort habe ich mit einer heißen Nadel und zuckerhaltiger Cola die ersten, primitiven Tests (mehr dazu weiter unten) unter den staunenden Blicken der Kinder und einiger Angestellter der Anlage durchführen können. Und die Tests fielen positiv aus!


An den nächsten Tagen machte ich mich dann gezielt auf die Suche. Tatsächlich konnte ich während des Aufenthalts noch drei weitere und größere Stücke unterschiedlicher Farbe und Qualität bergen. Ein weiteres Stück stammt, wie das erste vom Tordino-Mündungsbereich bei Cologna Spiaggia und zwei von der Giulianova-Seite des Tordino.
Um an die interessanten Stellen zu gelangen, musste ich teilweise bis zu 50 cm Strandgut diversen Materials umschichten. Gefährlich wurde es durch allerlei medizinisches Besteck und durch viele Glasscherben, die sich zwischen dem Treibholz und den Steinen befanden und nicht alle rundgeschliffen waren. Als geeignetes Hilfsmittel, um gefahrlos suchen zu können, erwiesen sich 50 bis 70 Zentimeter lange Rohrstücke des dort vorkommenden Riesenschilfs.

 

Fundstücke 

Bei den vier gefundenen Bernsteinen handelt es sich um 1,6  bis 5,5 Zentimeter lange Stücke von unterschiedlich ausgeprägter Farbe, Transparenz und variablem Abrollungsgrad. Es sind sowohl klare Steine von honiggelber Farbe dabei als auch opake, fast wie Karamell gefärbte und laminierte Exemplare mit organischen Einschlüssen. Da der Grad der Abrollung teils nur gering ist, liegt die Vermutung nahe, dass die Bernsteine als organische Gesteinskomponenten aus Sedimenten stammen, die in Mündungsnähe des Tordino ihren Ursprung haben. Da in den Abruzzen Braunkohleablagerungen bekannt sind, kam mir der Gedanke, dass die Bernsteine eventuell aus diesen ausgewaschen worden sein könnten und über den Tordino bzw. seine Nebenflüsse in die Strandsedimente eingelagert wurden. Leider kann man über die regionale Geologie kaum etwas im Internet finden, so war es mir noch nicht möglich, in Erfahrung zu bringen, aus welchem Zeitabschnitt die Braunkohle und somit auch die Bernsteine stammen könnten.

 

Die Bernsteine werden im Folgenden in der Fundreihenfolge beschrieben:

 

 

Bernstein1 14x15mm

Abb. 4: 1. Bernstein-Fund.

 

Angaben zum 1. Fund:

Größe: 1,6 x 1,6 x 1 cm
Gewicht: zirka 1 Gramm
Farbe: klar, gelblich
Einschlüsse: keine makroskopischen Einschlüsse ersichtlich
Besonderheiten: stark abgerollt und mit Rissen durchzogen

 

Bernstein 43x30x23mm

Abb. 5: 2. Bernstein-Fund.

 

Angaben zum 2. Fund:

Größe: 6 x 4 x 2,2 cm
Gewicht: zirka 19 Gramm
Farbe: laminiert, weiße, fast klare gelbliche und kohlehaltige(?) Schichten
Einschlüsse: inkohlte Partikel auf einigen Schichtgrenzen
Besonderheiten: mehrere Harzflüsse anhand der Schichtung erkennbar

 

 

Bernstein 43x30x23mm

Abb. 6: 3. Bernstein-Fund.

 

Angaben zum 3. Fund:
Größe: 4,5 x 2,8 x 2,4 cm
Gewicht: zirka 22 Gramm
Farbe: gelblich weiß, karamellig, mit honigfarbener Zone
Einschlüsse: makroskopisch keine erkennbar
Besonderheiten: kompakter Klumpen mit Rissen durch Abrollung, auf einer Seite interessante raue Oberflächenstruktur

 

Bernstein52x40x13mm

Abb. 7: 4. Bernstein-Fund.

 

Angaben zum 4. Fund:
Größe: 5 x 4 x 1,2 cm
Gewicht: zirka 15 Gramm
Farbe: honiggelb, klar
Einschlüsse: Blasen und Blitze
Besonderheiten: plattig ausgebildet ohne erkennbare Schichtung, von Rissen durchzogen

 

 

Warum ich die Harze für Bernstein halte:


Da mir zum Testen der Bernstein-Eigenschaft nur die üblichen Hausmittel zur Verfügung standen, habe ich mit diesen getestet.


Versuch 1: UV-Test
Unter einer UV-Taschenlampe mit einer Wellenlänge von circa 390 Nanometern testete ich alle Stücke, als Referenzstücke dienten diverse Elbbernsteine, Baltische Bernsteine sowie Bernstein aus diversen anderen Lagerstätten. Die Lumineszenzfarben entsprachen etwa jenen von Bernsteinen aus dem Baltikum und der Elbe.

 

Versuch 2: Salzwasser und zuckerhaltige Cola Test:
Ich stellte eine 10%ige Salzlösung her und ließ die Steine darin schwimmen. Genau diesen Vorgang habe ich mit Cola wiederholt und kam bei beiden Tests zu dem Ergebnis, dass die Dichte des Harzes unter der der Lösungen lag. Die Bröckchen schwammen auf. So konnte ich diverse Kunstharze schon einmal ausschließen.

 

Versuch 3: Alkohollöslichkeit
Nach den ersten zwei Tests rieb ich die Harze mit Baumwollpads, welche mit 96%igem Alkohol getränkt waren, etwa eine halbe Minute lang ein. Sie blieben an der Oberfläche unverändert, wie man es bei Bernstein erwarten darf.

 

Versuch 4: Acetonlöslichkeit
Ähnlich wie bei Versuch 3 habe ich in Versuch 4 mit Baumwollpads die Stücke etwa einen halbe bis ganze Minute eingerieben ohne sichtbare Veränderung und ohne das die Stücke anfingen zu kleben.

 

Versuch 5: glühende Nadel
Ich erhitzre eine Nähnadel solange bis diese zu glühen begann und steckte das glühende Ende auf den Bernstein. Die Nadel drang nur minimal ein und es entwich ein angenehm harziger Geruch. Dieses Ergebnis habe ich bei allen vier Fundstücken beobachtet.

 

Aufgrund all dieser Beobachtungen und Tests ging ich davon aus, dass ich tatsächlich Bernstein gefunden habe und somit einen ganz neue Fundstelle für Bernstein entdeckt habe.


Auf der Messe Mineralien Hamburg des Jahres 2019 zeigte ich Carsten Gröhn und seiner Frau Jutta die Stücke und bat um deren Einschätzung. Nach Begutachtung dieser Stücke, kamen wir übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass meine Vermutungen plausibel klingen.

 

Dank

Mein Dank gilt Michael Sostmann und dem Verein Kinder unserer Stadt e.V., ohne die die Funde gar nicht möglich gewesen wären, Carsten und Jutta Gröhn danke ich für Ihr Interesse und Ihre Geduld, sowie für die Beratung und Einschätzung. Johannes Kalbe und Sönke Simonsen danke ich für die Durchsicht des Artikels.

 

Fotos und Bericht:

Alexander Benn für Steinkern.de

 


 

Diskussion zum Beitrag im Steinkern.de Forum:

https://forum.steinkern.de/viewtopic.php?f=3&p=273177