Sonstige Bundesländer

Fossilien aus dem Pleistozän von Katharinenrieth (Sachsen-Anhalt) – eine Bilanz in Bildern

Mitteldeutschland wurde im Laufe des Pleistozäns von mehreren Eiszeiten „heimgesucht“. Noch heute findet man überall deren Hinterlassenschaften. Ideale Aufschlüsse für die Suche nach den Zeugnissen der Eiszeit stellen u. a. die Deckschichten der Braunkohlentagebaue, aber auch eine Vielzahl von Kies- und Sandgruben in der Region dar. Vor allem die Ablagerungen der letzten beiden Eiszeiten (Saale- und Weichseleiszeit) haben die Landschaft geprägt. In die Kiese und Sande eingebettet, finden wir verschiedene Geschiebe, aber auch die Reste der Tiere und Pflanzen aus der Zeit von vor etwa 500.000 Jahren bis heute. Sehr ergiebige Fundorte waren Mitte der 1990er-Jahre die Kiesgruben bei Katharinenrieth südlich der Stadt Sangerhausen in Sachsen-Anhalt.

Bild1

Abb. 1: Kieswerk in der Abendstimmung. Meine Besuche im Kieswerk erfolgten meist erst gegen Abend.

 

Bild2 3

Abb. 2 und 3: Überkornhaufen. Man sieht deutlich, wie sich das Material aufbaut – ein Indiz für das Auftreten von Tonklumpen im Überkorn.

 

Bild4

Abb. 4: Karte mit Einzeichnung der maximalen Gletscherverbreitung in den einzelnen Eiszeiten (rot – Weichsel; gelb –Saale; blau – Elster), um den Fundort Katharinenrieth ergänzt. (Verändert nach: Botaurus, Wikimedia Commons, Public Domain).

 

Fundsituation

Nach 1990 wurden in den damals neuen Bundesländern eine Vielzahl von Kiesgruben zur Versorgung der Bauindustrie aufgeschlossen, unter anderem auch im Helmerieth südlich und westlich der Stadt Sangerhausen. Für mich interessant waren die beiden Gruben südlich von Sangerhausen. Dort waren in einem Abstand von gerade einmal einem Kilometer Luftlinie zwei Gruben entstanden, welche Kies im Nassabbau gewannen. Bei einem Treffen mit dem Betriebsleiter erwähnte dieser beiläufig, dass er in einer Grube verkieseltes Holz gefunden hatte. Da wurde der Fossiliensammler in mir hellhörig. Sofort kam besagte Grube ins Exkursionsprogramm. Verkieseltes Holz fand ich nur in sehr kleinen Stücken, allenfalls Belege, aber sonst nicht mitnehmenswert.
Der Überkornhaufen bestand im Wesentlichen aus Tonklumpen und wenigen Steinen. Dazwischen lagen, für den Fossiliensammler interessant, Knochen und Zähne. Schon die erste Begehung erbrachte neben den Knochen je einen pleistozänen Pferde- und Nashornzahn. Ich habe in der nächsten Zeit fast wöchentlich die Überkornhaufen begangen und jedes Mal einen Einkaufsbeutel voller Knochen, Knochenreste und Zähne mitgenommen. Zuhause angekommen wurden die Stücke gereinigt und vorsichtig getrocknet. Bei Bedarf wurden einige Teile noch mit verdünntem Holzleim getränkt und auf diese Weise gefestigt.
Nach dem Trocknen stellte ich fest, dass einige Knochen ungewöhnlich leicht waren. Nachdem ich alle betrachtet hatte, fielen mir bei den leichten Stücken gesägte Kanten auf. Das waren keine fossilen Knochen. Eine Nachfrage bei Beschäftigten des Kieswerkes erbrachte, dass wohl Anwohner Schlachtabfälle in Rieth versenkt hatten, bevor es entwässert und weitgehend landwirtschaftlich nutzbar gemacht wurde.

 

Holz- und Pflanzenreste

Auf dem Überkornhaufen lagen ab und an auch Holzreste herum. Da sie abgerollt sind, ist ein Transport in fließendem Wasser bis zur Einlagerungsstelle anzunehmen. Bei der zeitlichen Einordnung tendiere ich zum Spätpleistozän bis hin ins ältere Holozän (ca. 10.000 Jahre). Umgelagerte Hölzer aus Voigtstedt sollten deutlich dunkler gefärbt sein.

 

Bild5

Abb. 5: Abgerolltes, 152 mm langes, Aststück (Vorderseite) aus Katharinenrieth, Jungpleistozän, ca. 12.000 Jahre alt.

 

Bild6

Abb. 6: Unbestimmte Wurzel, 105 mm lang, Holozän.

 

Bild7a b

Abb. 7: Fichtenzapfen Picea sp., 98 mm lang, Holozän.

 

Bild8

Abb. 8: Kiefernzapfen Pinus sp., 29 mm lang, Holozän.

 

Bild9
Abb. 9: Unbestimmtes Rindenstück (60 mm x 34 mm), Holozän.

 

Muscheln 

Muschelreste konnte ich nur wenige finden. Es handelt sich um Fragmente der Gemeinen Fluss- oder Bachmuschel. Diese kommt auch heute noch vor, so dass der fossile Charakter der Stücke nicht sicher ist. Bis ins Mittelalter hinein war das Helmerieth sich selbst überlassen. Die Helme trat über die Ufer oder das Bett veränderte sich, so dass durchaus dort, wo heute Acker ist einmal ein Altarm gewesen sein kann.

 

Bild10

Abb. 10: Muschelreste Unio cf. crassus (Philippson 1788), Gemeine Fluss- oder Bachmuschel, großes Fragment: 52 mm x 35 mm und kleines Fragment: 31 mm x 24 mm, Holozän.

 

Bild11

Abb. 11: Zum Vergleich: Ein Muschelsteinkern (58 mm x 54 mm) mit vereinzelten Schalenresten von Unio cf. crassus von der Trasse der BAB 71 bei Voigtstedt. Die Trasse verläuft unmittelbar neben den ehemaligen Tongruben, in denen Spengler seine Funde aus dem Cromer machte. Gefunden wurde das Stück während der Bauarbeiten der BAB 71 im Sommer 2009.

 


Fische

Innerhalb weniger Tage fand ich auf dem Überkorn, aber auch im Material der Körnung 8–16, die im Folgenden abgebildeten Fischreste. Es handelt sich um Teile eines Hechtes. Auch diese stelle ich aufgrund der Fundumstände und des Erhaltungszustandes in das späte Jungpleistozän bzw. ins frühe Holozän.

 

Bild12
Abb. 12: Schädelknochen Hecht Esox sp., 43 mm lang, Holozän.

 

Bild13

Abb. 13: Unterkiefer eines Hechtes (Esox sp.) aus dem Jungpleistözän von Katharinenrieth, 130 mm lang, Zahnfragment 14 mm lang.

 

Bild14

Abb. 14: Wirbel vom Hecht Esox sp., Durchmesser zwischen 10 und 16 mm, Jungpleistozän (dunkle Färbung) bzw. Holozän.

 

 

Reptilien 

Von Reptilien habe ich nur eine Panzerplatte einer Schildkröte gefunden. Diese wurde erst auf den zweiten Blick entdeckt. Zuerst habe ich das Stück für einen Schädelknochen gehalten.

 

Bild15a b
Abb. 15: Bauchpanzerrest Schildkröte Emys orbicularis Linnè 1758, Mittelpleistozän.

 

Bild16

Abb. 16: Zum Vergleich der Bauchpanzer einer rezenten Chinesischen Dreikielschildkröte Mauremys reevesii (Gray, 1831), Größe ca. 20 cm.

 

Den Schildkrötenrest habe ich vor vielen Jahren bereits im Internetmagazin Leitfossil.de vorgestellt (HUHLE, 2005)

 


Großsäuger: Mammut

Der klassische Großsäuger des Eiszeitalters ist der Elefant im „Wollpullover“, das Wollhaarmammut Mammuthus primigenius (Blumenbach, 1799). Es war in Mitteleuropa von der Saale-Kaltzeit (300.000 Jahre) bis zum Ende der Weichsel-Eiszeit vor etwa 12.000 Jahren verbreitet.
Man findet in den Kiesgruben Mitteldeutschlands vor allem Zähne. Das Mammut hatte im Laufe seines Lebens nur 6 Zähne pro Kieferhälfte. Davon ist jeweils einer in Gebrauch. Die hinteren Zähne schoben die vorderen solange nach vorn, bis diese ausfielen. War der letzte Zahn abgenutzt, „war´s das“. Neben den Backenzähnen bilden Mammuts, wie alle Elefanten, Stoßzähne aus. Diese sind leider aufgrund der Gewinnungstechnologie (große Teile schafft der Saugbagger nicht bzw. sie werden durch den Baggervorgang zerstört oder direkt vom Bagger wieder ins Wasser verstürzt) zerbrochen und man findet nur kleine Reste. Eine Zahnspitze ist da schon etwas Besonderes.

 

Bild17a

Abb. 17: Mammuthus primigenius (Blumenbach, 1799), Zahn (M 1) von unten links, gefunden: 1994, Größe 7 cm, Mittelpleistozän.

 

Bild18a

Abb. 18: Mammuthus primigenius (Blumenbach, 1799), Zahn von Abb. 17, Kaufläche 5 cm x 4 cm.

 

Bild19

Abb. 19: Mammuthus primigenius (Blumenbach, 1799), Unterkieferzahn M 2 unten rechts, Mittelpleistozän, 10 cm x 8 cm.

 

 

Bild20

Abb. 20: Blick auf die Kaufläche des Zahnes von Abb. 20, 9 cm x 4,5 cm.

 


Der größte Zahn ist sehr hell und kaum verwittert. Er weicht damit bezüglich Erhaltung und Farbe deutlich von den anderen Funden ab. Wie es der Zufall so wollte, wurde gerade zur Fundzeit die Helmebrücke im Ort saniert. Dabei fiel Aushub an, der aufgrund des hohen Kiesanteils zur Entsorgung zu schade war. Man hat den Aushub vor dem Bagger ins Wasser gekippt und dann den enthaltenen Kies gewonnen und vermarktet (HUHLE 2010).

 

Bild21

Abb. 21: Zahn von Mammuthus primigenius, M 3, unten links, aus den Helmeschottern vom Brückenbau der Helmebrücke Richtung Katharinenrieth, Länge 33 cm, Jungpleistozän.

 

Bild22

Abb. 22: Kaufläche, 22 cm x 10 cm, des Zahnes von Abb. 22.

 

 

Bild23
Abb. 23: Oberkieferzahn von Mammuthus primigenius, M3 oben links, 17 cm x 13 cm, Mittelpleistozän.

 

 

Bild24

Abb. 24: Kaufläche des Zahnes vom Abb. 23, 9 cm x 6,5 cm,. Die Lücken zwischen den Zahnlamellen habe ich bei diesem Exemplar mit Holzkitt stabilisiert.

 

 

Bild25
Abb. 25: Stoßzahnfragment Mammuthus primigenius, 10,3 cm, Mittelpleistozän.

 


Knochen treten in Katharinenrieth, bedingt durch die Gewinnungstechnologie (Saugbagger und Dregde), nicht oder kaum auf. Gefunden habe ich leider nur Molaren (M 1 bis M3). Die Prämolaren sind kleiner und sollten bei der Baggertechnologie prinzipiell gefunden werden können. Ich hatte diesbezüglich leider kein Glück.

 

 

Nashorn Coelodonta antiquitatis (Blumenbach 1807):
Das Steppennashorn ist ein Charaktertier pleistozäner Ablagerungen. Nashornfossilien wurden nur wenige gefunden. Es waren vor allem Ober- und Unterkieferzähne. Da die großen schwarzen Zähne alle zur selben Zeit gefunden wurden, könnten sie durchaus zu ein und demselben Tier gehören. Ohne dazugehörige Schädelknochen ist das alles jedoch nur Spekulation.

 

 

Bild26

Abb. 26: Nashorn-Schädelknochen Coelodonta antiquitatis (Blumenbach 1807), 7,6 cm x 9 cm, Jungpleistozän.

 

 

Bild27

Abb. 27: Nashorn (Oberkieferzahn) Coelodonta antiquitatis (Blumenbach 1807), 5 cm x 6,2 cm, Mittelpleistozän.

 

 

Bild28

Abb. 28: Nashorn, nicht abgekauter Zahn, Coelodonta antiquitatis (Blumenbach 1807), 7 cm x 4,3 cm, Jungpleistozän.

 

 

Bild29

Abb. 29:

Links: Nashorn (Unterkieferzahn) Coelodonta antiquitatis (Blumenbach 1807), 7,8 cm x 5,2 cm, Mittelpleistozän.

Rechts: Nashorn (Unterkieferzahn) Coelodonta antiquitatis (Blumenbach 1807), 7 cm x 5 cm, Mittelpleistozän.

 

 

 

Höhlenbär Ursus spelaeus (Rosenmüller, 1794):

Von den Karnivoren des Pleistözän habe ich nur einen nachweisen können: den Höhlenbären. Von diesem gibt auch es nur einen Beleg, den im Folgenden abgebildeten Reißzahn.

 

Bild30
Abb. 30: Höhlenbär-Reißzahn Ursus spelaeus, (Rosenmüller 1794), 11,6 cm, Mittelpleistozän.

 

 

Pferde

Im Fossilbestand der Kiesgruben bei Katharinenrieth waren Knochen und Zähne von Pferden sehr häufig anzutreffen.
Bei der Durchsicht der Pferdefossilien für diesen Beitrag sind mir drei verschiedene Arten (Equus mosbachensis, Equus germanicus und Equus (Asinus) hydruntinus) aufgefallen. Bisher war ich nur von zwei Arten ausgegangen. Beide habe ich in der Zeitschrift Fossilien beschrieben (HUHLE 2000/2001).

 

Bild31

Bild32

Abb. 31 und 32: Zwei für das Foto mit Kitt zusammengefügte Zähne (Prämolaren) aus dem Oberkiefer von Equus germanicus Nehring 1884, 80 mm x 85 mm, Kaufläche 70 mm x 28 mm, Jungpleistozän.

 

Bild33

Abb. 33: Vorderzahn vom Hengst von Equus mosbachensis, 6,7 cm, Eem bis Weichsel-Frühglazial, Mittelpleistozän.
Der Hengst hat bei Pferdeartigen als einziger Schneidezähne. Deshalb ist die Zuordnung des Zahnes eindeutig.

 

 

Bild34

Abb. 34 (links): Oberkieferzahn Pferd Seite Equus mosbachensis, 68 mm x 27 mm, Holstein-Warmzeit.

 

Bild35

Abb. 35 (rechts): Oberkieferzahn Pferd (Draufsicht) Equus mosbachensis, 27 mm x 27 mm, Mittelpleistozän.

 

Bild36

Abb. 36: Oberkieferzahn von Equus (Asinus) hydruntinus Regalia 1907, 70 mm x 22 mm, Kaufläche 22 mm x 22 mm, Mittelpleistozän.

 

Bild37
Abb. 37: Equus (Asinus) hydruntinus Regalia 1907, Rippenbruchstück 160 mm (links), Zehenknochen: 80 mm (oben links), Huf: 48 mm (unten rechts), Mittelpleistozän.

 

Bild38

Abb. 38: Vergleich vom Huf Pferdes Equus germanicus, Nehring 1884 (Mitte) mit dem des Esels Equus (Asinus) hydruntinus Regalia 1907 (links) und dem des Mosbachpferdes Equus mosbachensis, Reichenau 1904 (rechts), Fingerknochen 85 mm, Huf 60 mm.

 

 

 

Bison

Der Bison wird im Fossilbestand der Gruben bei Katharínenrieth durch den Steppenbison Bison priscus vertreten.

 

Bild39
Abb. 39: Bison, Unterkieferzahn mit Wurzel, Bison priscus Bojanus 1827, 7,1 cm x 3,4 cm, Mittelpleistozän.
Vom Bison fanden sich Ober- und Unterkieferzähne und diverse Extremitätenknochen.

 

Bild40

Abb. 40: Metacarpale Bison priscus, 25 cm, Jungpleistozän.

 

 

Ur

Ein weiterer Hornträger, der nachgewiesen werden konnte, war der Ur bzw. Auerochse Bos primigenius. Leider konnte ich nur einen eindeutig zuordenbaren Rest finden, den im Folgenden abgebildeten Hornzapfen.

 

 

Bild41
Abb. 41: Ur Hornzapfen Bos primigenius Bojanus 1827, Länge 13 cm, Jungpleistozän.

 

 

Hirsche

Wie fast in jeder Fossilienlagerstätte aus dem Pleistozän finden sich auch in Katharinenrieth eine ganze Menge von unterschiedlichen Geweihträgern. Ich fange bei den Hirschen mit der Vorstellung an, beginnend mit dem Rothirsch Cervus elaphus.

 

Bild42

Abb. 42: Oberkieferzahn vom Hirsch, Seite, Cervus elaphus (Linnè 1758), 5,2 cm x 2,5 cm.

 

Bild43

Abb. 43: Oberkieferzahn vom Hirsch, oben, Cervus elaphus (Linnè 1758), 2,5 cm x 2 cm, Mittelpleistozän.

 

Bild44

Abb. 44: Rest einer Abwurfstange von einem Rothirsch Cervus elaphus, Länge: 11 cm, Durchmesser: 5 cm, Jungpleistozän.

 


Riesenhirsch Megaloceros giganteus (Blumenbach, 1799)

Zu dem im Folgenden abgebildeten Riesenhirsch-Unterkiefer gibt es eine kleine Anekdote: „Ich war abends, nach der Arbeit, wieder einmal bei den Kathrinenriether Gruben vorbeigefahren. Es wurde noch gearbeitet. Auf den Überkornhaufen kam ab und zu ein Knochen oder Zahn an. So auch das hintere Stück des Unterkiefers des Riesenhirches Megaloceros. Das Stück wurde eingepackt und danach fuhr ich zur zweiten Grube, um dort die eventuell noch weitere Funde zu machen. Die Fundsituation dort war mittelprächtig, nur ein paar Knochensplitter. Also ging es wieder zurück Richtung Heimat. Dabei bin ich an der ersten Grube vorbeigefahren, wo zwischenzeitlich auch die Förderung eingestellt worden war. So bot es sich an ohne die bei der Suche störenden von oben herabfallende Steine und Tonklumpen den Überkornhaufen noch einmal genauer zu betrachten. Es hat sich mehr als gelohnt! Direkt auf dem Top der Halde lag das noch fehlende Stück des Unterkiefers.“

 

 

Bild45
Abb. 45: Rechter Mandibel von Megaloceros giganteus (33 cm), Mittelpleistozän, nach der Reinigung und dem Zusammenfügen der beiden Fragmente.

 

Bild46

Abb. 46: Rosenstockfragment eines Riesenhirsches Megaloceros giganteus, Länge 8 cm, Durchmesser 8 cm, Mittelpleistozän.

 

Ren

Zum Abschluss der Vorstellung der Hirsche folgt nun noch das arktische Ren Rangifer tarandus.

 

Bild47

Abb. 47: Geweihrest (Abwurfstange) vom Ren Rangifer tarandus Linnè 1758, Länge: 27 cm, Jungpleistozän.

 

Bild48

Abb. 48: Rangifer tarandus Linnè 1758, Unterkieferast, Länge 14 cm, Jungpleistozän.

 

Während die meisten der bisher vorgestellten Fossilien aus den warmzeitlichen Ablagerungen stammen, ist das Ren ein eindeutiger Vertreter der kaltzeitlichen Fauna.

 

Sus scrofa

Das Wildschwein kommt im gesamten Pleistozän Europas vor. Bereits von der in der Nähe von Katharinenrieth liegenden Fundstelle Voigtstedt (Thüringen) wurde die Art nachgewiesen. Diese Fundstelle wird in die Cromer-Warmzeit gestellt. Die gefundenen Fossilien sind jüngeren Alters. Lediglich zwei größere Zähne mit doppelter Größe und dunkler Farbe stelle ich zu Sus scrofa priscus und in die Cromer-Warmtzeit.

 

Bild49

Abb. 49: Unterkieferrest (linker Unterkieferast) Sus scrofa, Länge: 19,5 cm, Jungpleistozän.

 

Bild50a b

Abb. 50: Sus scrofa priscus, 32 x 19 mm, Kaufläche 24 mm x 17 mm, Mittelpleistozän.

 

 

 

Biber

Bei der Suche nach Knochen von pleistozänen Großsäugern in den Kiesgruben Mitteldeutschlands finden sich manchmal auch Knochen anderer Tiere aus unterschiedlichen Kalt- und Warmzeiten, so habe ich u. a. auch zwei Biber-Unterkieferfragmente gefunden. Es handelt sich um zwei rechte Unterkieferäste eines Bibers. Einer mit einigen Zähnen, der andere nur noch blanker Knochen ohne Zahnreste. Die Funde habe ich vor wenigen Jahren publiziert (HUHLE 2021),

 

Bild51

Abb. 51: Innenseite des rechten Unterkiefers von Castor fiber Linné 1758, 86 mm x 45 mm. Der linke Zahn hat eine Kaufläche von 13 mm x 8 mm und der rechte von 10 mm x 8 mm, Mittelpleistozän.

 

 


Artefakte 

Artefakte kommen ab und an zusammen mit pleistozänen Fossilien vor. So auch in Katharinenrieth. Sie wurden bei einer einzigen Exkursion gefunden. Die Stücke lagen auf dem ausgesiebten Material und waren somit nicht mehr der Fundschicht im Kieskörper zuzuordnen.

 

Bild52

Abb. 52: Mittelpleistozäne Klinge aus Flint, Länge 7,8 cm.

 

Bild53

Abb. 53: Mittelpleistozäner Bohrer aus Flint, Länge 8,9 cm.

 

 

Bild54

Abb. 54: Zeichnungen der gefundenen Artefakte von W. Bernhardt (Herr Bernhardt hat der Nutzung seiner Zeichnungen zugestimmt.)

 

 

Zeitliche Einordnung der Fossilien

Im Helmerieth wurden im Eiszeitalter Kiese, Sande und Tone in unterschiedlichen Mächtigkeiten abgelagert. Im Bereich der Tongruben (Voigtstedt) finden sich Stillwasserablagerungen aus der Cromer-Warmzeit mit einem absoluten Alter von etwa 500.000 Jahren. In der auf das Cromer folgenden Elster-Eiszeit war unser Bereich dann zeitweilig von Eis überdeckt und große Teile, insbesondere im Bereich der heutigen Helmeaue, wurden ausgeräumt, so dass sich hier beginnend im späten Elster-Glazial und der Holstein-Warmzeit Kiese und Sande ablagern konnten. In der Talebene (Katharinenrieth) hinterließen die genannten Zeitabschnitte ihre Spuren. Im Umland wurden die Ablagerungen ausgeräumt. Da die Gewinnung des Kiessandes im Nassabbau erfolgt, ist keine Schichtung zuerkennen und wir müssen uns bei der Zuordnung der Funde zu einem Zeitabschnitt auf die Qualität der Erhaltung der Stücke, anhaftende Sedimentreste, Hohlraumfüllungen oder sonstige Beobachtungen stützen. Es sind Warm- (Sumpfschildkröte) und Kaltzeitarten (Rentier und Mammut) im Fossilbestand vertreten. Die Fossilien stammen aus dem Kiessand (helle Farben) und dem Liegendton (schwarze Färbung). Es handelt sich um eine Konzentratlagerstätte, das heißt, es wurden Fossilien aus verschiedenen Zeitabschnitten umgelagert und zusammen eingebettet. Fossilien waren vom Mittelpleistozän (schwarze Mammutzähne) bis zum Holozän (Hechtfossilien und Muschelreste) zu finden. Die mittelpleistozänen Fossilien lagerten im Liegendton und sind meist schwarz gefärbt. Die Fossilien aus dem Jungpleistozän sind durch helle Farben gekennzeichnet. Aus dem Holozän stammen vermutlich die Pflanzenteile, die Fischreste und die Muschelreste.
Die Funde ordne ich nach den genannten Kriterien ins Mittel- bis Jungpleistozän (Holstein-Warmzeit bis Weichselkaltzeit einschließlich des Übergangs zum Holozän) ein. Einige Stücke können durchaus älter sein. Es handelt sich dann um umgelagerte Fossilien aus der Cromer-Warmzeit.

 

Danksagung
Ich danke den Geschäftsführern der Gruben, Herrn Heinrich und Herrn Schleichert, welche mein Treiben auf den Überkornhalden der Betriebe toleriert haben. Ebenfalls bedanken möchte ich mich bei der Belegschaft der Gruben, welche mir größere Knochenfunde in der Nähe der Pumpstation im Wasser bereitlegten. Dafür habe ich, nach Zustimmung durch die Geschäftsführer, so manche Kiste Hopfenkaltschale bereitgestellt.

 

Geschichte der Entstehung dieses Beitrags

Es war Ende des Jahres 2004, Andy Richter hatte gerade sein Projekt Leitfossil.de zum Laufen gebracht, da erhielt ich von ihm eine E-Mail. Er bat mich um Zustimmung zur Zweitveröffentlichung meines in der Fossilien-Zeitschrift erschienenen Beitrags zu Katharinenrieth (Eiszeitliche Fossilien aus dem Kiessandtagebau, Huhle, H. 2000/2001). Das war mir nicht ganz geheuer und wir vertagten die Thematik, zumal ich noch genügend Ideen für weitere Beiträge hatte. Mittlerweile sind es 172 größere und kleinere Beiträge geworden, die im Wesentlichen im Internetmagazin Leitfossil und in der Zeitschrift „Fossilien“ veröffentlicht wurden. Zu Katharinenrieth gab es bisher keine Zusammenfassung.
Wir (Andy und ich) haben immer mal darüber nachgedacht einen größeren Beitrag als Bilanz in der Leitfossil-Kategorie „Erloschene Fundstellen“ zu Katharinenrieth zu fertigen. Ich habe mehrmals damit angefangen, aber der Beitrag wurde nicht fertig. Da Andy Richter leider im Dezember 2023 verstorben ist, konnte die Veröffentlichung leider nicht mehr im Leitfossil erfolgen.

 

 

Widmung

Diesen Beitrag möchte ich Andy (Andreas E. Richter) für die Idee zu diesem Beitrag, widmen.

 

 

Literatur

 

Bernhardt, W. & Rudolph, A. (1995): Die mittelpaläolithischen Steinartefakte der Sammlung F. MANN im Naturkundemuseum Leipzig, in: Veröff. Naturkundemuseum Leipzig, 13, S. 1-22.

 

Bernhardt, W. & Rudolph, A. (1997): Artefaktfunde der Altsteinzeit aus der Elster-Luppe-Aue bei Schkeuditz, in: Veröff. Naturkundemuseum Leipzig, 15, S 1-32.

 

Boy, J. u. a. (1994) (Hrsg. v. W. v. Koenigswald und W. Meyer): Erdgeschichte im Rheinland, Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München.

 

Geologisch-Geotechnisches Gutachten vom 23. Juni 1992 der Dachroth & Schmidt GmbH, unveröffentlicht.

 

Hohl, R. (Hrsg.) (1981): Die Entwicklungsgeschichte der Erde, 6. Auflage, F. A. Brockhaus Verlag, Leipzig.

 

Huhle, H. (2000/2001): Eiszeitliche Fossilien aus dem Kiessandtagebau Katharinenrieth; Fossilien (5 und 6) 17 S. 300-302; S. 335-338; (2 und 6) 18 S. 89-91 u. S.332; Goldschneck-Verlag, Korb.

 

Huhle, H. (2005): Ein mittelpleistozäner Schildkrötenrest aus Katharinenrieth; Online-Magazin „Leitfossil.de“, Jahres-CD 2005, Ammon Rey, Augsburg.

 

Huhle, H. (2010): Über den Kiesgrubenfund eines Mammut-Backenzahns (nicht zur Nachahmung empfohlen) (17. Februar 2010) Online-Magazin „Leitfossil.de“, Funde, Jahres-CD 2010, Ammon Rey, Augsburg.

 

Huhle, H. (2021): Castor fiber heißt der Biber, in: Geschiebe und Fossilien 2/2021, internes Material der Fachgruppe Paläontologie am Museum für Naturkinde Berlin während der Corona-Zeit.

 

Jelinek, J. (1980): Der große Bildatlas des Menschen in der Vorzeit, Artia Verlag, Prag.

 

Joger, U. & Koch, U. (Hrsg.) (1994): Mammuts aus Sibirien, Hessisches Landesmuseum Darmstadt.

 

Kahlke, H. D. (1981): Das Eiszeitalter, Urania-Verlag, Leipzig, Jena, Berlin.

 

Kahlke, H. D. (1955): Großsäugetiere im Eiszeitalter, Urania-Verlag, Leipzig, Jena, Berlin.

 

Mania, D. & Dietze, A. (1980): Begegnungen mit dem Urmenschen. Die Funde von Bilzingsleben, Urania-Verlag, Leipzig, Jena, Berlin.

 

Mlynarski, M. (1969): Fossile Schildkröten, Die Neue Brehm-Bücherei, Bd. 396, A. Ziemsen Verlag, Lutherstadt Wittenberg.

 

Müller, A. H. (1958): Lehrbuch der Paläozoologie, Bd. II Invertebraten, Teil 1: Protozoa – Molluska, 2. Auflage, Gustav Fischer Verlag, Jena.

 

Müller, A. H. (1985): Lehrbuch der Paläozoologie, Bd. III Vertebraten. Teil 2: Reptilien und Vögel, Gustav Fischer Verlag, Jena.

 

Müller, A. H. (1989): Lehrbuch der Paläozoologie, Bd. III Vertebraten Teil 3: Mammalia 2, Gustav Fischer Verlag, Jena.

 

Paul, S. (1983): Fossilien Westfalens, Eiszeitliche Säugetiere, Münstersche Forschungen zur Geologie und Paläontologie, Heft 60.

 

Probst, E. (1986): Deutschland in der Urzeit, C. Bertelsmann Verlag, München.

 

Schoch, E. (1974): Fossile Menschenreste, Die Neue Brehm-Bücherei, Bd. 450, A. Ziemsen Verlag, Lutherstadt Wittenberg.

 

Seidel, G. (1978): Das Thüringer Becken, Geologische Exkursionen, Hermann Haach Geographisch-Kartographische Anstalt, Gotha, Leipzig.

 

Steiner, W. (1981): Der Travertin von Ehringsdorf und seine Fossilien, Die Neue Brehm-Bücherei, Bd. 522, A. Ziemsen Verlag, Lutherstadt Wittenberg.

 

Triska, J. & Felix, J. (1983): Tiere und Pflanzen Europas, neu bearbeitete Auflage, Artia-Verlag, Prag.

 

Tröger, K.-A. (1984): Abriss der Historischen Geologie, Akademie-Verlag, Berlin.

 

Turek, V.; Marek, J; Benes, J. (1990): Fossilien – Handbuch und Führer für den Sammler, Natur-Verlag, Augsburg.

 

Walker, C. und Ward, D. (1994): Ravensburger Naturführer Fossilien, Ravensburger Buchverlag.

 

 

 

Hartmut Huhle (Seegebiet Mansfelder Land, Röblingen am See)

 

 


 

 

Hier geht es zur Diskussion über den Artikel im Steinkern.de Forum:

https://forum.steinkern.de/viewtopic.php?f=3&t=39189