Frankreich

Fossilien sammeln im Calvados

Das Département Calvados liegt im Herzen der Normandie im Norden Frankreichs. Die wirtschaftliche und kulturelle Hauptstadt des Calvados ist Caen. Obwohl Caen im zweiten Weltkrieg zu 75% zerstört wurde, gibt es dort einige Sehenswürdigkeiten, wie z.B. die Abbaye-aux-Hommes, welche von Wilhelm dem Eroberer erbaut und wie durch ein Wunder vor der Zerstörung bewahrt wurde.


Die Abbaye-aux-Hommes in Caen

Lohnend dürfte auch ein Besuch des Mémorial de Caen sein, in dem die Erinnerung an die Landung der Alliierten Truppen in der  Normandie im Jahre 1944 wachgehalten wird und das ein Museum für den Frieden ist.
Ich habe das Mémorial de Caen jedoch bislang noch nicht besucht.

Neben Caen sind vor allem Bayeux mit dem weltberühmten Teppich von Bayeux sowie die Seebäder Honfleur, Cabourg, Houlgate und Trouville (Côte fleurie) einen Besuch wert. Auch im Landesinneren gibt es einiges Besuchenswertes (siehe Foto von Beuvron-en-Auge), aber man sollte bei aller Freude an den französischen Kulturschätzen natürlich das Fossilien sammeln nicht vergessen!


Die Kathedrale von Lisieux.


Die Küstenzeile von Houlgate.


Das Fachwerkdorf Beuvron-en-Auge - gelegen zwischen Caen und Lisieux.

Die Jurafossilien des Calvados sind in Sammlerkreisen mindestens ebenso bekannt wie der Calvados, der beliebte Apfelbranntwein aus selbigem Département. Zu den berühmtesten Fundstellen zählen die „Falaises des vaches noires“ zwischen Houlgate und Villers sur mer, die Steilküste zwischen Lion sur mer und Luc sur mer mit ihren vielen Brachiopoden und selteneren Seeigelfunden aus dem Bathon (Dogger) und besonders das Gebiet südlich von Caen. Dort bieten z.B. Baustellen beiderseits der Orne gute Fundmöglichkeiten für Fossilien aus dem Toarcium (Lias) und dem Bajocium (Dogger).
Diese drei Fundorte und besonders die Fundgegend südlich Caen möchte ich im Folgenden anhand meiner dort in zwei vierzehntägigen Osterurlauben (2004/2005) und meiner bei weiteren Kurzbesuchen zusammengetragenen Fossilien vorstellen.


Feuguerolles und die Gegend südlich von Caen (Lias/Dogger)
Die Gegend im Süden Caens ist ein für den Fossiliensammler hochinteressantes Gebiet. Insbesondere bei Baumaßnahmen können dort immer wieder gute Funde gemacht werden. Und Baumaßnahmen gibt es viele, denn in der Umgebung von Caen wird viel gebaut. Also heißt es mit dem Auto herumzufahren und Baustellen zu suchen. Das kann durchaus lohnend sein. Natürlich hat man nie die Sicherheit, dass man eine Baustelle findet, aber wenn doch, dann ist unter Umständen "absahnen" angesagt!
Es empfiehlt sich jedoch auf Nummer sicher zu gehen und sich im Vorhinein eine Genehmigung für den für Sammler freigegebenen Teil des Steinbruches „Feuguerolles“ zu beschaffen.
Die Geschäftsleitung bittet bezüglich einer Genehmigung um eine schriftliche Anfrage, die (natürlich bereits einige Wochen vor dem geplanten Besuch) an die folgende Adresse geschickt werden sollte:

S.M.C.
Mr. Lamache
Z.I. Caen Canal – Zone Portuaire
F-14550 Blainville-s-Orne
FRANKREICH

(ACHTUNG, Änderung vom 9. April 2009: Seitdem Herr Lamache nicht mehr der Ansprechpartner ist, werden leider keine Genehmigungen mehr erteilt.)

Der Adressat, Monsieur Lamache, ist ein überaus freundlicher Mann, der sogar ein paar Brocken Deutsch spricht und auch schon mal ein paar Brocken mit der Raupe für uns Sammler abschieben lässt. Am besten sollte man eine Flasche Wein oder ein anderes Präsent als kleinen Dank zum Abschied hinterlassen – als kleine anerkennende Geste, damit der Steinbruch für uns Sammler noch länger erhalten bleibt. Das zeitige Einholen einer Genehmigung per Post empfiehlt sich, besonders wenn man gleich am Anreisewochenende sammelt. Wenn nicht anders möglich, erteilt Herr Lamache vielleicht auch während der Arbeitszeiten in der Woche eine Genehmigung.
Der freigegebene Teil des Steinbruches erschließt vor allem Schichten des Toarcium mit überaus reicher Fossilführung und akzeptabler bis guter Erhaltung, am häufigsten zu finden sind dabei die Gattungen Grammoceras und Haugia, sowie Hildoceras und Dactylioceras. Über dem Toarcium steht das weitestgehend fossilleere Aalenium an, über welchem das wiederum fossilreiche Bajocium folgt. Die Fossilien des Bajocium sind in Feuguerolles – von unseren Funden ausgehend - jedoch vielfach schlecht erhalten. Dies gilt insbesondere für die Ammoniten und Nautiliden, wohingegen kleinere Schnecken in recht guter Erhaltung zu finden waren.
Zum Sammeln in Feuguerolles empfehle ich den Bericht von A. E. Richter über den Steinbruch Feuguerolles sur Orne zu lesen (FOSSILIEN Heft 6 Nov./Dez. 2004).
Ebenfalls aufschlussreich ist der Besuch dieser beiden französischen Seiten: http://thierry.rebours.pagesperso-orange.fr/sortpaleo/feuguerolles.htm
http://www.etab.ac-caen.fr/discip/geologie/..


Feuguerolles ist einer der rar gesäten Fundpunkte, für welchen man eine Sammelgenehmigung bekommt. Daher ist der Steinbruch ein beliebtes Ziel von Sammlern aus ganz Westeuropa, die dort nicht selten anzutreffen sind. Auch französische Schulklassen machen dorthin ihre Exkursionen. In der Nähe des benachbarten Laize la ville befindet sich ein weiterer überaus interessanter Steinbruch ("La roche blaine"). Dieser Steinbruch ist allerdings soweit mir bekannt für Sammler gesperrt, was sehr schade ist, weil dort auch das Pliensbachium erschlossen ist, welches mir bisher weder in Feuguerolles noch auf den Baustellen bei May sur Orne oder Évrecy begegnet ist. Ein französischer Lokalsammler zeigte uns einige hervorragend erhaltene rund 30 cm große Lytoceraten und ein durch und durch calzitisiertes Tropidoceras - aber leider weder verkäuflich noch selbst zu finden. Man kann eben nicht alles haben!


Der französische Händler, ein Hannoveraner Sammlerkollege und Simon Studer.


Der etwa 20 cm große Tropidoceras ("Tropi") des Franzosen.


Der für Sammler freigegebene Teil des Steinbruches von Feuguerolles.


Hier wird frisch abgeschoben - die Sammler stehen in den Startlöchern.


Ein gut 30 cm großer Lytoceras, von einem deutschen Sammler aus der frisch vom Bagger angekratzten Wand abgeborgen.


Keine ernsthafte Konkurrenz -  eine französische Schulklasse, die sich auch mit kleinen Funden zufrieden gibt.


Ein großer Fund aus dem Toarc, sehr wahrscheinlich ein Pseudogrammoceras.


Typische Kleinfauna, hauptsächlich bestehend aus Dactylioceraten und - etwas seltener - Hildoceraten.


Eine Baustelle im Toarc bei May sur Orne.


Frohes Farbenspiel, auf Dauer war der Haufen dahinter aber interessanter.

Es folgen nun Bilder von Funden aus Feuguerolles, May sur Orne und Evrecy:


Eine 18 cm große Haugia variabilis aus May sur Orne.


Das bereits im Fundzustand gezeigte Pseudogrammoceras(?) hat ca. 22 cm Durchmesser.


Ein 14 cm großer bislang nicht näher bestimmter Vertreter der Grammoceratidae.


Ein mit 12 cm Durchmesser recht großes Hildoceras levisoni.


Selten: ein mit 14 cm Größe schon als stattlich beschreibbares Exemplar von Phylloceras heterophyllum.


Ein 7 cm großer Ammonit der Art Haugia variabilis.


Sechs sehr gut erhaltene Kleinammoniten: Fünf Dactylioceraten und ein 19 mm großes Hildoceras cf. levisoni.


Zwei Pleurotomarien aus dem Dogger, die größere Schnecke ist 35 mm breit.


Links: Stephanoceras sp. (78 mm); rechts: Parkinsonia cf. parkinsoni (62 mm).


Luc sur mer und Lion sur mer (Dogger)
Auf den bei Ebbe freiliegenden Schichtflächen vor der niedrigen Steilküste zwischen Luc und Lion sur mer gibt es sehr viele Brachiopoden und relativ selten Seeigel (z.B. Hemicidaris) aus dem Bathon (Dogger). Brachiopoden liegen so reichlich herum, dass man sie gar nicht alle aufheben kann. Seeigel dagegen sind seltener und man muss schon Glück oder Ausdauer haben um den ein oder anderen zu finden. Die Fossilien sind calzitisch überliefert und oft auf natürlichem Wege schon nahezu perfekt freigelegt, länger lose herumliegende Fossilien sind abgerollt und können bei der Vielzahl an gut erhaltenen Stücken liegen gelassen werden. Für das Sammeln ist kein Werkzeug erforderlich, man ist einzig auf die Ebbe angewiesen, aber selbst bei Flut kann dort wo keine Steilküste ist am Spülsaum gesucht werden.


Suche am Spülsaum des Meeres, im Hintergrund ist die flache Steilküste zu sehen.


Ausnahmsweise mal kein Fossil: Eine Alge auf einem vom Wasser abgerollten Stein.


"Brachiopodenernte" auf den nur bei Ebbe freiliegenden Schichtflächen des Bathon.


Verschiedene Brachiopoden von den Schichtflächen.


Aboralansicht mehrerer Seeigel aus dem Küstenabschnitt zwischen Luc und Lion sur mer, das größte Exemplar hat einen Durchmesser von 26 mm und zählt sehr wahrscheinlich zur Gattung Hemicidaris.


Die „Falaises des vaches noires“ (Dogger, Malm)
Die „Falaises des vaches noires“ zwischen Villers sur mer und Houlgate sind ein in Sammlerkreisen sehr bekannter Aufschluss, dessen Schichtfolge schon von ORBIGNY und Co. untersucht wurde. Die „Klippen der Schwarzen Kühe“ sind etwa 4 Kilometer lang und bieten dem Sammler einen guten Einblick in das Callovium (Dogger), den Malm (Oxford) und in die Kreide (hierbei speziell in das Cenoman).
Bei unserem Besuch Ostern 2005 haben wir allerdings nur sehr wenig gefunden. Gute Lesefunde sind praktisch nur möglich, wenn das Wasser die sogenannten „Mergel von Dives“ erreicht und die Fossilien frisch ausspült. Ansonsten wird die Küste einfach zu stark von Sammlern und Touristen abgesucht! Die besten Sammelzeiten dürften der Winter und das zeitige Frühjahr sein. Abzuraten ist von der touristischen Hochsaison im Sommer, wo der Rummel an der Küste sehr groß ist.



Die "Falaises des vaches noires" bei Villers sur mer.


Foto auf der Höhe des "Eisenoolith von Villers" (Oxford), aufgenommen nahe Houlgate.


Große Funde, am rechten und am linken Bildrand je ein Euaspidoceras, links die Schnecke Harpagodes und zentral ein etwas 14 cm großes Pachyceras lalandeanum.


Weitere Funde aus den "Falaises"; Eine unbestimmte Muschel aus dem "Mergel von Dives", der Ammonit Cardioceras cordatum (55 mm Durchmesser), der Brachiopode Thurmanella thurmanni und die sehr häufige Auster Gryphea dilatata.


Zwei pyritisierte Ammoniten (cf. Quenstedtoceras) aus dem oberen Callovium, das bräunliche Exemplar misst 37 mm.


Das Calvados ist auf jeden Fall einen Besuch wert! Besonders lohnenswert was das Fossilien sammeln betrifft sind die Baustellen um Caen, aber auch die Küstenfundstellen ermöglichen durchaus noch den ein oder anderen interessanten Fund! Am besten sollte man sich einige Zeit vor einer längeren Frankreichreise über das Internet eine Ferienwohnung suchen, vor Ort ist das in Frankreich erfahrungsgemäß sehr schwierig! Also rechtzeitig planen!

Ich gebe an dieser Stelle nochmal zu bedenken, dass  die Funde von mehreren Besuchen stammen! Also nicht enttäuscht sein, wenn bei der Rückfahrt von einem Kurzbesuch nicht gleich Unmengen toller Fossilien im Gepäck sind. Man muss mit den Baustellen einfach Glück haben, dann bekommt man schneller Platzprobleme als einem lieb ist!

Falls noch Fragen bestehen oder Ihr einzelne Stücke anhand meiner Bilder näher zuordnen könnt, mailt mir einfach (Adresse unter Redaktion/Sönke Simonsen)!


Weiterführendes:
 heft5_miniatur.jpg

Informationen zur Zeitschrift.
Unser Lesetipp in der Steinkern-Zeitschrift:

Fossilien aus dem Oxfordium der Falaises des Vaches Noires
von Sönke Simonsen

Die an der Côte Fleurie gelegenen Falaises des Vaches Noires zählen zu den Klassikern unter den Fundstellen. Sammler und Paläontologen schätzen den Küstenaufschluss gleichermaßen - und das seit Jahrhunderten. In diesem Beitrag wird ein einleitender Überblick über den Fundort gegeben und es werden einige der vielfältigen Fossilfunde aus Strandgeröllen des Oxfordiums vorgestellt.

10-seitiger Bericht in Heft 5 von Der Steinkern.