Österreich

Ammoniten aus dem alpinen Hettangium (Salzkammergut, Österreich)

Bereits vor 160 und 130 Jahren haben die österreichische Paläontologen v. Hauer und Wähner über Ammoniten aus dem alpinen Lias berichtet.

Als Fundstellen für gut erhaltene Ammoniten des Unterlias sind in dieser Literatur u. a. Adnet, Breitenberg, Enzesfeld, Gainfarn, Pfonsjoch, Hintermandling, Kammerkaralpe, Lämmerbach, Rohrbach, und Schreinbach angegeben. Einige der schönsten Exemplare waren aus dem Salzkammergut.

 

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Abb. 1: St. Gilgen am Wolfgangsee im Salzkammergut.

 

Zur damaligen Zeit herrschten wohl teilweise paradiesische Zustände. Offensichtlich haben die Paläontologen damals aber nur die Einzelstücke interessiert. Ob größere Stufen geborgen werden konnten, ist nicht bekannt, zumindest taucht in der Literatur nichts derartiges auf. Vielleicht lag es auch daran, dass früher die Präparationsmöglichkeiten dafür nicht gegeben waren.

 

Eine der bedeutendsten Fundstellen war das Schreinbachgebiet. Dort war ein riesiger Felssturz niedergegangen, der Blöcke über eine Fläche von mindestens einem halben Quadratkilometer verstreut hatte. Damals war es wohl ein Leichtes - ohne große Anstrengung - gute Funde zu machen. Nicht nur dort ist natürlich seitdem jeder Block mehrmals untersucht worden, so dass heute Funde absolute Glücksfälle sind. Doch schon die landschaftliche Schönheit ist für mich Grund genug, immer wieder dort herumzustreunen.

Ich habe in den letzten Jahrzehnten viel Zeit investiert, die gesamte Osterhorngruppe intensiv abgesucht und dabei auch immer wieder Erfolge verzeichnen dürfen. Im Lauf der Jahre habe ich dabei Stücke gefunden, die den Vergleich mit den Abbildungen der ersten, historischen Funde nicht scheuen müssen.

 

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Abb. 2: Überblick über einen Teil des Fundgebietes, im Vordergrund der Breitenberg, dahinter das Saubachgebiet.

 

Dabei gestaltete sich die Suche nicht immer einfach. Die fossilträchtige Lage ist nur stellenweise und begrenzt anstehend bzw. noch seltener so aufgeschlossen, dass überhaupt ein Abbau möglich war.

Bemühungen, aus dem anstehenden Gestein ein Fossil herauszustemmen, gab ich nach anfänglichen Versuchen schnell auf, da dies regelmäßig in einem Scherbenhaufen endete.

Dazu kommt, dass ähnlich wie in anderen Zonen, die Fossilhäufigkeit beträchtlich schwankt und die Bänke über weite Strecken absolut fossilleer sind.

 

In den letzten Jahren hat „Marmoreum“ über seine Funde im Karwendel auf der Steinkern-Website berichtet. Seinen informativen Beiträgen, in denen er auch die Schichten genauer beschreibt, ist nichts hinzuzufügen, da diese sich lediglich im Fossilinhalt, aber kaum im Aussehen bzw. der Morphologie unterscheiden. Nach meiner Erfahrung wechselt die Häufigkeitsverteilung der verschiedenen Gattungen/Arten mit zunehmender Entfernung der Fundstellen voneinander. So ist z. B. im Gebiet der Kammerkör Geyeroceras eher relativ häufig, hingegen im Salzkammergut äußerst selten zu finden, bei den Alsatiten ist es nach meinen Erkenntnissen gerade umgekehrt. Auch im Karwendel ist offensichtlich die Megastoma-Zone bei weitem nicht so gut durch Ammoniten belegt, wie im Salzkammergut.

 

Zu Beginn meiner Sammlerkarriere vor 32 Jahren war ich Mitläufer eines sehr aktiven und erfahrenen Sammlerkollegen, von dem ich viel gelernt habe. Auf Grund verschiedener Hinweise in der Literatur erkundeten wir nacheinander zwei Fundstellen und konnten dort sehr schöne Stücke aufsammeln. Während damals meine Sammelleidenschaft nicht sehr ausgeprägt war und familiäre wie berufliche Belange im Vordergrund standen, waren andere Sammler offensichtlich fleißig, so dass diese Stellen bald erschöpft waren. Mein Kollege änderte zudem seinen Sammlungsschwerpunkt, so war ich in der Folge allein unterwegs um neue Unterlias-Fundstellen zu entdecken. In den ersten Jahren waren zwar die Wege weit, doch gelegentlich wurde ich auch belohnt, denn einige Male war ich eindeutig der erste, der dort aktiv war. Gerade der Lämmerbach, ebenfalls eine historische Fundstelle, hatte offensichtlich nach Wähner in den letzten 100 Jahren keinen mehr interessiert. Dort waren hervorragende, wenn auch naturgemäß begrenzte Möglichkeiten gegeben. Solche Fundstellen hängt man natürlich nicht an die große Glocke. Indiskretion eines befreundeten österreichischen Sammlers, den ich damals eingeweiht hatte, führte jedoch dazu, dass in den 90er Jahren fleißig abgebaut wurde. Die interessantesten Stellen waren in kurzer Zeit abgesucht.

Fleißig waren sie, die Kollegen, das muss man ihnen lassen. Wer schon mal am Feuerkogel in der Trias war, weiß, wie es dann in etwa aussieht.

Damit ich nicht falsch verstanden werde – jedem, der dort je gearbeitet hat, seien seine Funde vergönnt, er musste sie sich redlich verdienen. Ich war früher viel – und bin ja auch heute noch gelegentlich im fränkischen und schwäbischen Jura unterwegs und kenne die Unterschiede:

Das Gestein ist in der Regel härter bzw. zäher, es können keine wohlausgebildete Schichten großflächig abgebaut werden, es gibt keine Sprengungen, die laufend neues Material hervorbringen, kein Bagger übernimmt die Buckelarbeit.

Zuerst trägt man Werkzeug und Verpflegung u. U. weite Strecken bergauf und hat man dann glücklicherweise etwas gefunden, muss der schwere Rucksack wieder den gleichen Weg zurückgeschleppt werden.

 

Das vorhergehende und nachfolgende Bild geben einen Überblick über das Gebiet mit einigen historischen Fundstellen. Die Fotos sind auf einer Skitour im März 2012 entstanden.

 

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Abb. 3: Die andere Hälfte des Fundgebietes mit der Osterhorngruppe, im Hintergrund der Dachstein.

 

Die Unterlias-Schichten treten in diesem Gebiet immer wieder zu Tage. Es ist eine liebliche Gegend, die Berge sind ca. 1700 m hoch.

 

Da sich die interessanten Schichten des Lias meist in mittleren Höhen befinden, sind sie überwiegend verschüttet.

Leider – oder auch zum Glück? Jedenfalls ist und bleibt ein gut erhaltener Ammonit aus dieser Region und Epoche eine Rarität.

Es gibt zwar viele Aufschlüsse des Hettangiums und Sinemuriums, wie das folgende Bild zeigt – nur ist selten etwas darin zu finden.

 

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Abb. 4: Hettangium und Sinemurium anstehend, aber leider ist hier die fossilführende Schicht zu dünn.

 

Deshalb sollte der interessierte Sammler auch zufrieden sein, wenn er nach einer langen Tagestour nur die Eindrücke der teilweise wildromantischen Umgebung mitnehmen kann.

 

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Abb. 5: Wildromantischer Taleinschnitt.

Weitere neue Fundstellen, die ich mir im Lauf der Zeit erwanderte, ergaben in der Regel immer nur sehr begrenzte Fundmöglichkeiten. Sicher ist, dass ich viele Blöcke vergeblich zertrümmert habe.

 

Besonders eine unserer ersten Fundstellen, die bei ihrer Entdeckung vor mehr als 20 Jahren hervorragende Ergebnisse geliefert hatte, habe ich immer wieder mit ständig abnehmendem Erfolg abgesucht. Eigentlich hatte ich mich schon lange damit abgefunden, dass diese Ära vorbei ist, trotzdem habe ich die Stelle alle paar Jahre wieder aufgesucht.

Im Herbst 2012 hatte ich dort besonderes Glück. Ich hatte schon Ende August dort einen kleinen losen Block gefunden, der Inhalt ist bekannt, es war ein einzelner, großer Alsatites proaries, der erfreulicherweise von den Mitgliedern des Steinkern-Forums zum Fossil des Monats Oktober 2012 gewählt wurde.

 

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Abb. 6: Alsatites proaries, 22 cm.

 

Dieser Fund motivierte mich, deshalb suchte ich den Bereich einige Wochen später nochmals intensiv und großräumig ab.

Eine Stelle fiel mir auf, da ein kleiner Bereich in einem Graben besonders erodiert war. Tatsächlich wurde ich fündig. Es war ein Block mit ca. 1 m Seitenlänge, der eine bisher noch nicht dagewesene Stufe mit Alsatiten enthielt. Nachdem ich diese mit erheblichem Aufwand abtransportiert und präpariert hatte, hab ich sie zur Wahl des Fossils des Monats November gestellt und damit einen ehrenvollen 2. Platz erzielt.

 

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Abb. 7: Stufe mit mehreren Alsatiten, Länge über 70 cm.

 

Ein weiterer Block, von dem nur eine kleine Ecke aus Sturzmaterial und angeschwemmter Erde hervorspitzte, hatte damals meine Aufmerksamkeit erregt. Trotz der Strapazen des Transports des letzten Fundes war ich natürlich eine Woche später schon wieder vor Ort, um ihn näher zu beäugen. Er sah vielversprechend aus und ich machte mich daran, ihn freizulegen. Groß war meine Verblüffung, als ich nach einiger Zeit seine wahren Dimensionen erahnen konnte. Ich wusste, dass der Bereich, aus dem der Block stammen musste, schon vor 20 Jahren gute Fossilien geliefert hatte, der letzte Fund war auch nicht weit weg, deshalb legte ich ihn ganz frei, um zu prüfen, ob seitlich irgendwelche Querschnitte zu sehen sind. Das Ergebnis war ziemlich ernüchternd.

Trotzdem machte ich mich an die langwierige und anstrengende Arbeit, die Deckschicht abzutragen. Darunter folgte die Marmorea-Zone, die obwohl mit mindestens 10 cm eigentlich relativ mächtig, trotz der großen Fläche kaum verwertbares Material lieferte. Die Schlotheimien waren zwar mit einer dicken Erzschicht umhüllt, aber total verdrückt.

 

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Abb. 8: Block der Marmorea-Zone.

 

Dann musste der Block geknackt werden. Ohne die wohl schon langjährige Verwitterung wäre das sicherlich nicht möglich gewesen, so jedoch gelang es mir, mit mehreren Meißeln die fossilträchtige Schicht der Megastoma-Zone vom Rest abzutrennen.

 

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Abb. 9: Der Block ist geknackt.

Die äußeren Bereiche waren zu meiner Enttäuschung leer, umso größer war dann meine Freude, als in der Mitte dann endlich Windungsteile bzw. Querschnitte an den Bruchstellen zum Vorschein kamen. Es war offensichtlich ein richtiges Nest!

 

Um das Tragegewicht zu reduzieren, ist man natürlich versucht, die Funde so gut wie möglich zu formatieren.

Bei verkrusteten Fossilien ist das kein Problem, Top-Stücke sind nicht verkrustet, aber meist innig mit dem umgebenden Gestein verbunden, deshalb besteht immer die Gefahr dass der nächste Schlag einer zuviel ist. Wenn dann das Fossil gar voll calzitiert ist, stehen die Chancen für eine Präparation oft schlecht, auch wenn man den ganzen Block mit nach Hause schleppt.

Da sich bei der erst kurz vorher gefundenen Alsatiten-Stufe schon gezeigt hatte, dass die Qualität brauchbar war, war für mich klar, dass ich versuchen musste, dieses Stück in der Gesamtheit zu erhalten.

Nun stand mir der Abtransport von insgesamt zirka 170 kg Material bevor. Für den Transport durch das unwegsame Gelände ist mir folgende Lösung eingefallen: Die einzelnen Bestandteile dieser Stufe (der größte Block wog ca. 40 kg) habe ich mit Gurten auf dem umgedrehten Deckel einer Regentonne verzurrt und wie auf einem Schlitten bergab gezogen.

Zuhause wurden dann die Blöcke vorsichtig zerlegt. Da es sich um einen Kondensationshorizont handelt, liegen die Fossilien nicht auf einer Ebene, einzelne Stücke liegen auch quer. Soweit möglich, habe ich die einzelnen Teile vor dem Zusammenkleben präpariert. Nach dem Kleben waren nur mehr die Feinarbeiten erforderlich.

Das Ergebnis ist eine Stufe mit ca. 90 x 70 cm und insgesamt 16 mehr oder weniger gut erhaltenen Makrofossilien.

 

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Abb. 10: Stufe mit Ammoniten aus der Megastoma-Zone, Breite rund 80 cm.

 

Zwischen den Alsatiten...

 

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Abb. 11: Drei Exemplare von Alsatites proaries.

 

.... befindet sich teilweise verdeckt ein schöner kleiner Paradasyceras uermoesense, sowie Fragmente von Kammerkarites und einem sehr seltenen Pseudaetomoceras, daneben andere Raritäten wie Kammerkarites...

 

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Abb. 12: Kammerkarites, die unansehnliche Schale wurde Millimeter für Millimeter wegpräpariert, so dass die teilweise calzitierten Lobenlinien zu sehen sind.

 

... und zwei weitere, nicht optimal erhaltene Exemplare der gleichen Gattung sowie ein sehr seltenes Pleuroacanthites, das ebenfalls optische Mängel aufweist:

 

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Abb. 13: Kammerkarites, vergesellschaftet mit seltenem Pleuroacanthites.

 

Ebenfalls auf der Stufe befindet sich dieses Storthoceras extracostatum.

 

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Abb. 14: Storthoceras extracostatum.

Und zuletzt noch ein weiterer Ammonit, der auf Grund der schwachen Berippung aussieht wie eine Übergangsform zwischen Kammerkarites und Discamphiceras. Bei seiner Mündung ein Fragment von Atractites.

 

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Abb. 16: Dieser Ammonit sieht aus wie eine Übergangsform zwischen Kammerkarites und Discamphiceras.

 

Weitere Fragmente von Cenoceras und Kammerkarites seien der Vollständigkeit halber erwähnt.

 

Auch ein sehr schönes Cenoceras war dabei, dieses war allerdings an einer so ungünstigen Stelle, dass ich es separat präparieren musste und nicht mehr in den Block integrieren konnte.

 

Ich habe zwar schon schönere und seltenere Einzelammoniten gefunden, eine derartige Stufe aus der Megastoma-Zone scheint mir bisher einmalig zu sein und stellt einen Höhepunkt meiner Sammlertätigkeit im alpinen Unterlias dar.

 

Nun fragt sich sicher der Eine oder Andere, ob es sich lohnt, im Lias des Salzkammerguts mal im Urlaub zu suchen. Wie so oft kommt es wohl auf die Motivation an und darauf, wie viel Findigkeit, Zeit, Kraft und Ausdauer man mitbringt. Ich habe im Beitrag schon anklingen lassen, dass im Prinzip alles abgesucht ist. Aber jeder hat natürliche andere Vorstellungen. Wo der Aufwand für mich nicht mehr gerechtfertigt erscheint, kniet sich ein anderer vielleicht erst so richtig hinein.

Die kosmische Gerechtigkeit sorgt durch solche Glücksfälle offenbar schon dafür, dass das Konto bei dem, der sich´s verdient hat, irgendwann ausgeglichen wird.

 

Ich wünsche allen Steinkernen, dass sie ebenfalls irgendwann ein unerhofftes Erfolgserlebnis haben!

 

Peter Reiter (Private Homepage mit Ammoniten des Alpinen Lias: http://neoammoniten.jimdo.com )