Österreich

Die Pectinidenfauna der Innviertler Schichtenserie im Bezirk Schärding

Die tertiären Meeresablagerungen im Bezirk Schärding, die bis an den Südrand des Sauwaldes reichen, stammen aus dem Ottnangien. Es sind überwiegend Schlierablagerungen, die lokal als Mergel bezeichnet werden. Die Grobsande befinden sich in der ehemaligen Strandzone am Fuß des Sauwaldes, einem durch die Donau abgetrennten Teil der Böhmischen Masse. In den Höhenlagen des Sauwaldes finden sich keine Meeresfossilien, da diese im Ottnangien nicht überflutet waren. Vor allem in den Grobsanden, die heute kaum mehr aufgeschlossen sind, ist ein artenreiches Fossilienvorkommen vorhanden, bestehend aus verschiedensten Muscheln, einigen Schnecken, Moostierchen, Korallen, Krebsen, Seepocken, Entenmuscheln  und Wirbeltieren (Krokodilzahn, Schildkrötenpanzer, Sägezahnfisch, Fischwirbel, Delfinknochen und verschiedenste Haiarten). Nur sehr selten findet man in den Sanden versteinerte Hölzer, darunter auch Palmen und manchmal Phosphoritknollen.
Am Rand des Sauwaldes gibt es in dieser ehemaligen Strandzone einige kleine Sandgruben, in denen Bausande für den lokalen Baubedarf abgebaut wurden. Heute spielen diese Grobsande keine Rolle mehr, da sie als Bausande wegen der größeren Beimengung von Schlier nur mindere Qualität besitzen. Die Sandgrube in Mitterndorf wurde verstärkt während des Baus des Kraftwerkes Jochenstein und in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts für die Innkreisautobahn genutzt. In dieser Zeit war meine Sammlertätigkeit sehr rege. Besucht man heute diese Grube, kann man gar nicht glauben, welcher Fossilreichtum damals bestanden hat. Nach der Einstellung des Abbaus sind durch die Verwitterung und durch eine rasch fortschreitende Verbuschung heute keine Fundmöglichkeiten mehr gegeben. Dies gilt auch für die Fundstellen in Rainbach, die durch die Kommassierung (=Flurbereinigung) weitestgehend einplaniert und rekultiviert wurden.
Besonders ergiebig und artenreich war die Pectinidenfauna in Mitterndorf, die sich in zwei ca. 20 cm mächtige und etwa 15 m bzw. 8 m langen Bändern befunden hat. Diese Fossilansammlungen waren beide durch eine darüber liegende, etwa faustdicke Sandsteinplatte geschützt.
Die Pecten werden auch als Kammmuscheln oder Pilgermuscheln bezeichnet. Die bekannteste ist wohl die Jakobsmuschel, die von den Pilgern auf dem Jakobsweg getragen wird. Die Form einer Pilgermuschel ist auch das Symbol einer Erdölfirma. Charakteristisch sind die zwei flügelartigen Fortsätze beim Schloss.
Die Pectiniden sind sehr interessante Muscheln, da sie sich durch ruckartige Bewegungen mit den Schalenhälften bewegen können. Sie haben sozusagen das Rückstoßprinzip - wie bei den Düsenflugzeugen - schon vor Millionen von Jahren erfunden. Aber es gibt auch Vertreter der Pecten, die, wie die mit ihnen nah verwandten Austern, festsitzend sind. Auf dem unteren Bild sieht man, wie eine Schalenhälfte einer Austrohinnites auf einem riesigen Granitblock angewachsen  ist.

Hinnites1.jpg
Auf Granit festsitzende Austrohinnites brussonii.

Die größte Schwierigkeit war die Bestimmung dieser Pectiniden, durch die man z.T. selbst an der Universität Wien an Grenzen gestoßen ist. Erst durch den ukrainischen Paläontologen,  Dr. Mandic, der an der Universität Wien unterrichtet hat, war es möglich, die selteneren Arten zu bestimmen. Auch Dr. Schneider aus München hat mich dabei unterstützt.


Pectiniden aus den Grobsanden:

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Aequipecten submalvinae:
Sie ist die am stärksten vertretene Art, die ich in über tausend Exemplaren aufsammeln konnte. Sie ist aus mehreren Fundorten des Ottnangiens belegt und wird von manchen Paläontologen in der lokalen Literatur Chlamys scabrella oder macrotis zugeordnet. Die Bestimmung als submalvinae stammt von Dr. Schultz vom Naturhistorischen Museum. Gegenüber macrotis wird sie größer und hat – wie auf der linken Muschel ersichtlich – rechts eine unregelmäßige Ausbuchtung.


Oopecten_gigas_1.jpg

Die zweithäufigste Art war Oopecten gigasSchlotheim, die sonderbarerweise im Ottnangien bereits ausgestorben sein müsste. Prof. Steininger, ehemaliger Universitätsprofessor in Wien, vertritt die Meinung, es müsste sich um Umlagerungen aus dem älteren Eggenburgien handeln, da die meisten Bruchstücke sehr abgeschliffen sind und nur wenige ganzschalige Exemplare geborgen werden konnten. Dies würde bedeuten, dass das Eggenburgien im Innviertel weiter nach Norden vorgedrungen war, als bisher angenommen.
Das größte gefundene Exemplar ist 16 cm lang.
Auf dem obigen Foto sind eine linke und eine rechte Klappe zu sehen.

Crassodoma_multistr_Mi.jpg

Crassodoma_25_All.jpg

Crassadoma multistriata (Poli) war noch häufig zu finden, aber weit unter 5 % der Funde von Aequipecten submalvinae. Wegen der Dünnschaligkeit dieser Muschel sind überwiegend   Bruchstücke erhalten geblieben. Ganze Exemplare sind recht selten. Ein Teil dieser Muscheln kann auch die Jugendform von Austrohinnites sein, da diese erst ab einem gewissen Alter festsitzend werden und beginnen sich mit einer Schalenhälfte an eine Unterlage zu heften.
Die rechte Klappe ist angebohrt, wahrscheinlich von einer räuberischen Schnecke, die dann die Muschel aussaugte.
Auf dem 2. Foto ist noch die Bestachelung dieser Muschel auf der Schale erhalten. Es könnte sein, daß es sich aber bei diesen Funden um eine Jugendform der folgenden Hinnites handelt, zu der alle Übergangsformen vorhanden sind.


Austrohinnites_brussoni.jpg

Austrohinnites brusonii (de Serres) ist etwas seltener als C. multistriata vertreten. Auch hier sind ganze Schalen selten. Am häufigsten sind Bruchstücke mit Wucherungen am Schalenrand zu finden, da diese sehr kräftig (bis 1 cm dick) ausgebildet sein können und daher besser erhalten geblieben sind als der Rest der sonst dünnen Schale. Diese Pectinide war festsitzend. Die Schalenhälfte mit den Wucherungen war jene Seite, die an Felsen angewachsen war. Siehe auch erstes Foto (Austrohinnites auf Granit).


Pecten_hornensis_M.jpg

Pecten hornensis - ansich eine bekannte Pectinide, von der ich aber nur 6 vollständig erhaltene Exemplare in der abgebildeten Form aufgefunden habe, wobei Dr. Mandic die Meinung vertritt, dass eine früher zu Flabellipecten hermannsennii zugeordnete Gruppe in die Bandbreite von P.hornensis gehören könnte.


chlamys.JPG

Chlamys (Flexopecten?) palmata bipartita(Csepreghy-Meznerics 1960)
An die 30 Schalen, die wegen ihrer Dicke und Härte recht gut erhalten geblieben sind. Die linke und rechte Schale sind unterschiedlich ausgebildet, mit längsgestreiften oder  mit quergestreiften Rippen, wie auf dem Bild ersichtlich ist.
Dr. Schneider aus München ordnet eine Gruppe dieser Pecten Flexopecten davidi zu,
die das untere Bild zeigt.

Flexopecten_palmata_All.jpg



Manupecten_fasciculatus.jpg


Chlamys (Manupecten) fasciculata (Millet)
Diese Art kommt sehr selten vor und ich habe nur Bruchstücke gefunden, die aber ausreichen, um die Art bestimmen zu können.
Das größte Bruchstück sieht man auf dem Bild rechts.


MChlamys_jackloweziana.jpg

Chlamys aff. jakloweciana Kittl  - vielleicht sogar eine neue Art, die C. jakloweciana recht nahe steht.


Paliolum_decussatum.jpg

Palliolum decussatum findet sich nur in der unmittelbaren Auflage der tertiären Schichten auf dem Granit. Diese kleine Pilgermuschel muss also an Felsenküsten gelebt haben, wo sie nach dem Tod zwischen den einzelnen Felsblöcken eingebettet wurde. Es kommt in diesem Lebensraum eine weitere, bisher noch nicht bestimmte Art vor.



Pectiniden aus den Schliervorkommen
Funde von Pectiniden sind aber nicht nur in den Sanden sondern auch im Schlier möglich, wo sie aber sehr selten vorkommen. So wie bei den Funden im Sand ist im Schlier Chlamys scabrella am häufigsten vertreten. Vereinzelt findet man Oopecten gigas (nur Bruchstücke), Crassadoma multistriata und Chlamys palmata. Meistens sind es Abdrücke. Schalenerhaltung gibt es bisher in Schliervorkommen nur von Chlamys scabrella, Crassadoma multistriata und Hinnites brusonii. Die Schalen sind im Schlier alle sehr dunkel, fast schwarz gefärbt.

Lentipecten_corneum_1.jpg
Nur im Schlier zu finden ist Pecten denudatus nodosus, meistens nur als Abdruck wie auf dem Foto. In den Schliergruben von St. Marienkirchen bei Schärding sind sie auch in Schalenerhaltung zu finden. Durch die fehlende Berippung ist diese Pecten leicht zu erkennen, selbst dann, wenn nur ein schwacher Abdruck erhalten geblieben ist.


Lima Arten
Eng  verwandt mit den Pecten ist die Gattung Lima. Sie besitzt ebenfalls Flügel. Die Form ist aber unsymmetrisch.



Lima_lima_A.jpg

Funde von Lima lima gibt es aus Mitterndorf selten mit Schalenerhaltung, meistens als  Abdrücke in Schlierlinsen.
Die unsymmetrische Form unterscheidet sie gut von den anderen Pecten. Es sind einige Exemplare gefunden worden, die Anzahl schöner Fundstücke ist
aber recht gering.

Limaria_RB.jpg

Aus Rainbach liegt ein einziger Fund einer kleinen Limaria ohne Rippen vor. Die Art konnte noch nicht bestimmt werden, obwohl die Schale erhalten geblieben ist.

Wolfgang Danninger