Trias

Schwimmsaurier aus der ostwestfälischen Trias von Steinkern-Mitglied Michael Mertens entdeckt

Pressemitteilung der LWL-Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

 

Fossile Wirbelsäulenknochen aus der Trias entdeckt

Fossilien stammen womöglich von Fisch- oder Schwimmsaurier

Münster (lwl). Die Fundmeldung eines Hobby-Fossiliensammlers hat am 20. Juni für außergewöhnliche Aktivitäten im LWL-Museum für Naturkunde des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) gesorgt. Die Fachleute des LWL haben nach Besichtigung der Fundstelle und Feststellung der Richtigkeit und Wichtigkeit des Fundes umgehend mit einer Rettungsgrabung begonnen. Am vergangenen Mittwoch (10. Juli) wurden nun die versteinerten Knochen als Block geborgen und gut verpackt in ein Zwischenlager des LWL-Museums gebracht.

Eine Rettungsgrabung wird organisiert
Am späten Abend des 20. Juni traf ein Anruf von Sönke Simonsen aus Bielefeld im LWL-Museum für Naturkunde ein. Simonsen teilte mit, dass der Hobbysammler Michael Mertens aus Schwaney in einer aktiven Tongrube der Firma Lücking in Warburg (Kreis Höxter) auf der flachen Sohle der Grube ein Stück einer versteinerten Wirbelsäule gesichtet hat und dies melden wollte. Direkt am nächsten Morgen fuhr der LWL-Paläontologe Dr. Detlef Grzegorczyk zur Fundstelle und überprüfte die Meldung. Der Fachmann fand die Wirbel in zusammenhängender Form, sichtbar auf einer Schichtfläche liegend. Anschließend ging alles sehr schnell. Die Untere Denkmalbehörde der Stadt Warburg und später auch die Obere Denkmalbehörde des Kreises wurden informiert. Eine Rettungsgrabung wurde organisiert und die Fundstelle gesichert. Das Museum entschloss sich, die Wirbel in einem großen Block zu bergen. So sollten weitere, eventuell noch im Boden verborgene Knochen, geschützt werden.

Bedeutung des Fundes
Dr. Detlef Grzegorczyk: "Diese unter marinen und brackischen (Mischmilieu aus Süß- und Salzwasser) Bedingungen gebildeten Schichten enthalten normalerweise fast ausschließlich Reste von wirbellosen Tieren wie Muscheln, Schnecken, usw. Daher stellt der Fund dieser Wirbelsäule eines Wirbeltieres eine wissenschaftliche Besonderheit dar und auch allgemein ist ein derartiger Fund für norddeutsche Trias selten." Bei der genaueren Untersuchung und Bearbeitung der Fundstelle fanden sich weitere Wirbel und einzelne Knochen. Sie entpuppten sich als die von einem oder eventuell mehreren Reptilien.

Dr. Alfred Hendricks, Direktor des LWL-Museums für Naturkunde, sagt zu dem Fund: "Wir vermuten, dass es sich um einen Fisch- oder Schwimmsaurier, also um ein Meeresreptil, aus der oberste Trias (Rhät) handelt. Damit wäre der Fund ca. 201 Millionen Jahre alt." Zum jetzigen Zeitpunkt ist jedoch noch nicht mit Bestimmtheit zu sagen, so Hendricks weiter, ob es sich wirklich um Fisch- oder Schwimmsaurierknochen handelt. Aufgrund der Gesteinsschicht und der Tatsache, dass sich zur damaligen Zeit, also vor über 201 Millionen Jahren, an dieser Stelle der Kreis Höxter auf dem Meeresboden befand, und dass damals Fisch- oder Schwimmsaurier dort lebten, liegt die Vermutung jedoch nahe. Hendricks: "Wir sind sehr froh, dass Herr Mertens uns ordnungsgemäß den Fund gemeldet hat. Dank seines Engagements konnte ein zwar nicht einmaliger, aber durchaus seltener Fund für die Nachwelt gerettet werden. Herr Mertens hat gut beobachtet. Eine hervorragende Leistung, wenn man bedenkt, dass er erst seit ca. drei Jahren Fossilien sucht".

Wirbelsäulenfragmente, Rippen und Phalangen
Michael Böckmann, der Leiter der geologischen Präparation des LWL-Museums, hat zusammen mit seinem Team die Bergung durchgeführt. "Wir fanden neben der Wirbelsäule ein weiteres, kleineres Stück Wirbelsäule. Ansonsten nur noch Einzelfunde, wie Rippenfragmente oder Hand- bzw. Fußknochen (Phalangen). Falls die fossilen Knochen zusammen gehören sollten, wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach dennoch kein vollständiges Skelett finden lassen", erklärt der Präparator. Ein Stück Wirbelsäule von ca. 80 cm Länge und etwa 4 cm Durchmesser, lag sichtbar an einer Stelle. Unmittelbar daneben lag ein zweites Wirbelsäulenstück von ca. 30 cm Länge und etwa 2 cm Durchmesser. Zwischen den beiden Wirbelsäulenstücken klafft eine Lücke. Böckmann: "Eventuell handelt es sich um ein Individuum, welches gekrümmt auf dem Boden gelegen hat. Wir vermuten, dass beim Tonabbau einer der Bagger bereits ein Stück der Wirbelsäule versehentlich entfernt hat, bevor der Fund auffallen konnte."

 

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Erste kleine Objekte, wie unter anderem diese drei Wirbel und eine Phalange (Finger- oder Zehenknochen), konnten geborgen werden. Foto: LWL/Fialla

 

Bergung des Fundes
Rings um die Fossilien wurde das Gestein rinnenartig entfernt und der Block somit ringsum freigelegt. Insgesamt hat der Block eine Größe von ca. 200x100 cm. Da die Sedimente in die das Fossil eingebettet ist, durch Witterungseinflüsse sehr leicht zerfallen, wurde über die Fossilien vor der Bergung eine Schicht Kunstharz, verstärkt mit Glasfasermatten, aufgetragen. So konnten die einzelnen Versteinerungen im Verbund gesichert werden. Später wurden Metallschwerter unter den zu bergenden Block getrieben. Obenauf kam eine Metallplatte, welche durch Gewindestangen mit den Schwertern verbunden wurde. Anschließend konnte der Gesteinsblock von rund 2 Tonnen vom Boden gelöst werden. Ein Bagger drehte ihn auf den Rücken, so dass die stabile Harz-Glasfaserverstärkung nun unten lag. Mittels eines LKWs wurde der Fund anschließend ins Außenlager des Museums transportiert, wo er die nächsten Wochen gut verpackt gelagert wird, bis das Museum für die weitere Bearbeitung des Fundes Kapazitäten frei hat. Dann werden die Fossilien von den Spezialisten des LWL vollständig freigelegt und präpariert um herauszufinden, wie bedeutend das Stück ist.

 

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Es mussten insgesamt acht Schwerter unter den Block getrieben werden, um ihn vom Untergrund zu lösen. Foto: LWL/Oblonczyk

 

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Der Bagger hebt den Block schließlich an und transportiert ihn zu dem dahinterliegenden Transporter. Foto: LWL/Oblonczyk

 



 


Kurz-Kommentar der Steinkern.de Redaktion

Die Steinkern.de Redaktion gratuliert Michael Mertens herzlich zu seinem bemerkenswerten Fund eines Schwimmsauriers aus dem Rhät des Warburger Landes!!!

Michael Mertens (Steinkern.de-Pseudonym micha665) besucht seit einigen Jahren mehrmals wöchentlich Aufschlüsse der Region und ist nicht durch puren Zufall auf das Skelett gestoßen. Er ist ein akribischer Sammler und hat am Fundort schon mehrere isolierte Vertebratenreste gefunden. Noch auf den Westdeutschen Mineralientagen 2012 hatte er am Steinkern-Stand einen bemerkenswerten Wirbelknochen vorgelegt, der in unserem Nachbericht in Abb. 27 gezeigt wurde und noch angedeutet, dass er vermute, dass die Schicht auch zusammenhängendere Reptilreste liefern könne und nicht nur ein klassisches Bonebed dort vorhanden sei. Vom selben Fundpunkt wie dieser Knochen stammt auch der - bei aller Vorsicht - artikuliert erscheinende Skelett-Neufund. Es handelt sich beim Fundpunkt um einen anderen Aufschluss, als den des Westphaliasaurus simonsensii , der im Unteren Pliensbachium (Unterer Jura) und ebenfalls in einem Tongruben-Aufschluss im Kreis Höxter entdeckt wurde.

Wir hoffen, dass auf die gelungene Ausgrabungsaktion des LWL - die Bergung gelang in einem einzigen großen Block von mehr als einer Tonne Gewicht - eine ebensolche Präparation folgt. Die Spannung, was noch alles an Knochenmaterial in dem Sedimentblock ruht, ist ungeheuer groß. Es ist zu erwarten, dass sich neben den sichtbaren Wirbeln noch einiges an bisher nicht erkanntem Knochenmaterial im Block befindet - vielleicht sogar der Schädel? Wir hoffen das Beste! Anhand des Fingergliedes und der relativ hohen Wirbel glauben wir nicht an einen Fischsaurier, sondern an einen Plesiosaurier im weiteren Sinne (mit Tendenz zum Pliosaurier) - natürlich vorbehaltlich besserer Erkenntnisse, sobald mehr zu sehen ist. Die oben gezeigten isolierten Knochen waren schon durch die Maschinen gelöst. Der Finder beließ das Material nach Entdeckung der Wirbelkette professionell im Verbund.

 

Wir werden auf Steinkern.de bzw. in der Steinkern-Zeitschrift weiter über den Fund berichten, sobald die Präparation neue Erkenntnisse liefert und freuen uns mit dem Finder!

 

Sönke Simonsen für die Steinkern.de Redaktion

 


 

Ergänzende Meldung im April 2015:

Im Reptilien-Spezialheft zum 10-jährigen Jubiläum von Steinkern.de (Heft 21) wird der mittlerweile präparierte und im LWL-Museum Münster in der Ausstellung "Dinosaurier - die Urzeit lebt" gezeigte Plesiosaurier vorgestellt:

 

michael mertens plesiosaurier