Trias

Sedimentation in Ceratitengehäusen

englischsprachig This article is also available in English. Please click here to switch to the English version.

 

Aktualisierung: Im Rahmen einer Foren-Diskussion über die Verfüllung von Ceratitengehäusen hat Thomas Billert den Text dieses Artikels ins Englische übertragen. Um die Übersetzung und damit den Inhalt des Artikels einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, fügen wir die Übersetzung nachfolgend an.

Zur Forendiskussion

Angeregt zu diesem vor allem für die Anfänger unter den Fossiliensammlern gedachten Beitrag wurde ich durch die Lektüre von Seilachers Artikel über die Sedimentation in Ammonitengehäusen, in dem er eine Frage behandelt, die ich auch selbst noch immer spannend finde (*). Ich habe nun also einmal meine Sammlung durchforstet und nach Belegstücken Ausschau gehalten, mit denen ich Seilachers Artikel "steinkerngerecht" illustrieren kann. Dabei hat sich die Erkenntnis bestätigt, daß nicht jeder unvollständige Ammonit auch gleich uninteressant für die Sammlung sein muß - ganz im Gegenteil, kann man doch gerade aus den unvollständig überlieferten Stücken manches über die mit der Fossilisation verbundenen, ja zur Fossilisation führenden Prozesse lernen. Besonders interessant ist für mich in diesem Zusammenhang die Steinkernerhaltung, da diese bei den Ceratiten des (oberen) Muschelkalks die gängige Form der Überlieferung darstellt, und die Ceratiten einen meiner Sammlungsschwerpunkte bilden.

Jeder Sammler kennt sie, die unvollständigen Steinkerne, die so kaputt erscheinen, daß sie manchmal nur die Wohnkammer oder einen Teil des Phragmokons in ansprechender Überlieferung zeigen und nach denen man sich im Steinbruch oder auf dem Acker eigentlich gar nicht bücken möchte. Aber hier liegt schon der springende Punkt: Die Stücke sind oftmals gar nicht kaputt in dem Sinne, daß sie im Laufe der Zeit beschädigt wurden, sondern sie wurden im Rahmen der Fossilisation primär so überliefert, wie sie nun vorliegen.

Das Grundproblem der Steinkern-Erhaltung von Ceratiten besteht letztlich darin, die Frage zu beantworten, wie das in diverse, durch Scheidewände voneinander getrennte Kammern unterteilte Ceratitengehäuse überhaupt so weit mit Sediment verfüllt werden konnte, daß eine reale Chance für eine vollständige Überlieferung gegeben war.

Man kann sich leicht vorstellen, daß am Meeresboden trüber Schlamm in die Wohnkammer gespült werden konnte, sobald die Weichteile des Ceratiten verwest waren. Um jedoch die hinter der Wohnkammer gelegenen Kammern des Phragmokons zu füllen, bedurfte es zweier Voraussetzungen, die bei einem Blick auf den generellen Bauplan des Ceratitengehäuses und der Rückerinnerung an die Schulphysik offenbar werden.

Grundlage war, daß die Phragmokon-Kammern von der Wohnkammer natürlich nicht isoliert waren, sondern mit dieser und untereinander durch den Sipho verbunden waren. Dabei handelte es sich um einen durchbluteten Hautschlauch, der bei den Ceratiten median auf der Außenseite der Kammern verlief und über den der Ceratit unter Nutzung des osmotischen Prinzips den Salzgehalt des Wassers in den Kammern regulieren konnte.

Damit nun die Kammern des Ceratitengehäuses mit Sediment gefüllt werden konnten, mußte der Sipho also in jeder einzelnen Kammer eine undichte Stelle besitzen, über die der Schlamm einströmen konnte. Andererseits bedurfte es für das Zustandekommen der erforderlichen Strömung natürlich einer treibenden Kraft, und dazu insbesondere einer Ein- und einer Ausströmöffnung des Gehäuses. Neben der offenen Wohnkammermündung mußte das Gehäuse also noch eine Beschädigung in der Nähe des Nabels besitzen, über die die in die Wohnkammer einströmende Trübe wieder aus dem Gehäuse austreten konnte.

Waren diese beiden Bedingungen erfüllt und der Ceratit ausreichend lange einer Bodenströmung ausgesetzt, so bestanden gute Chancen, daß das Gehäuse ganz mit Schlamm gefüllt wurde und dann im Zuge der Diagenese ein so schöner Steinkern wie in Abb. 1 entstand.

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Abb. 1: Ceratites compressus (7,5 cm) aus Niesen. Der Steinkern zeigt eine ziemlich tadellose Überlieferung.

War der Sipho hingegen in einigen Kammern nicht beschädigt, so konnte ein Steinkern entstehen, wie ihn Abb. 2 zeigt. Hier sind die Wohnkammer und ein Teil des Phragmokons erhalten, einige Kammern des Phragmokons wurden hingegen nicht mit Sediment gefüllt. An diesem Steinkern erkennt man deshalb sehr schön die geschwungene Struktur der Kammerscheidewände, die sich auf vollständig gefüllten Steinkernen als Lobenlinie abzeichnen.

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Abb. 2: Ceratites spinosus (10,5 cm) aus Vahlbruch. In einigen Kammern des Phragmokons blieb der Sipho intakt, so daß diese nicht mit Sediment gefüllt werden konnten.

War der Sipho überall beschädigt aber die Zeit des Schlammeinstroms nicht ausreichend für eine vollständige Gehäusefüllung, so lassen sich verschiedene Stadien der Überlieferung unterscheiden.

Abb. 3 zeigt das erste Stadium. Hier wurden alle Kammern des auf der Seite liegenden Gehäuses ungefähr bis auf Höhe des Siphokanals gefüllt. Dann brach die Sedimentation zum Beispiel durch die Verschüttung des Gehäuses jedoch zusammen, so daß ein ziemlich ebener Füllspiegel erhalten blieb und sich der auf der Oberseite recht konturlose Steinkern bilden konnte.

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Abb. 3: Ceratites sp. (9 cm) aus der Nähe von Gotha. Unvollständig verfüllter Steinkern.

Ein Zwischenstadium zwischen Abb. 1 und 3 zeigt Abb. 4. Hier sind einige Kammern des Phragmokons vollständig verfüllt, während andere Kammern einen ebenen Füllspiegel auf dem Niveau des Sipho zeigen. Eventuell läßt diese Erhaltung auf einen zeitlichen Versatz der Sipho-Durchbrüche in den einzelnen Kammern schließen.

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Abb. 4: Ceratites sp. (6,5 cm) aus Göttingen. Die Kammern des Phragmokons weisen unterschiedliche Sedimentfüllstände auf.

Interessant wird es nun wieder, wenn das Gehäuse primär bis oberhalb des Siphokanals verfüllt war. Ab diesem Stadium findet man keinen ebenen Füllstand mehr, sondern die in die Kammern eingeströmte Trübe zog sich an den Innenseiten der Schale nach oben, so daß der Steinkern im Ergebnis in den nicht vollständig verfüllten Kammern konkav geformt ist. Ein Beispiel für dieses Erhaltungsstadium zeigt Abb. 5.

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Abb. 5: Ceratites compressus aus Göttingen (7 cm). Die in das Gehäuse eingespülte Trübe überstieg die Höhe des Siphokanals und zog sich an der Gehäusewand nach oben.

An diesem Punkt stellt sich nun die Frage, wie die Trübe den Pegel des Siphokanals überhaupt übersteigen konnte. Die Ursache hierfür liegt in den Eigenschaften des strömenden trüben Mediums begründet, das im Zuge der Strömung verwirbelte und zwischen den Siphonaldurchbrüchen in den Kammern sinusförmig oszillierte, so daß sich die Trübe in über den Pegel des Siphos hinausreichenden Schüttungskegeln ansammeln konnte. Diese Schüttungskegel lassen sich teilweise schon in Abb. 5 erahnen.

Richtig deutlich wird dieses Sedimentationsregime hingegen erst, wenn das Gehäuse nahezu vollständig verfüllt wurde. Dann kann man auf der Außenseite der Steinkerne nämlich manchmal eine sinusförmig oszillierende Linie sehen, bei der es sich um den restlichen Strömungskanal handelt, der gerade noch offen geblieben ist. Einen solchen Kanal zeigen die Steinkerne in den Abb. 6 und 7.

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Abb. 6: Sinusförmiger Strömungskanal auf der Außenseite eines Ceratites nodosus (14 cm) aus Göttingen. Der Kanal ist wahrscheinlich nach der Auflösung des Gehäuses mit gelbem Mergel gefüllt worden.

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Abb. 7: Sinusförmiger Strömungskanal auf der Seite eines Ceratites compressus aus Göttingen (7,5 cm).

Ähnlich wie bei den Ceratiten verlief die Sedimentation in den Gehäusen von Nautiliden, die sich neben den Ceratiten im gesamten (oberen) Muschelkalk finden lassen. Bei diesen liegt der Siphokanal jedoch nicht auf der Außenseite der Kammern, sondern er verläuft mitten durch diese hindurch. Zudem war er als kalkige Röhre ausgebildet, was zur Folge hatte, daß der Sipho bei den Nautiliden oftmals nicht beschädigt wurde und die Phragmokon-Kammern somit oft nicht erhalten sind. In diesen Fällen zeigt der Steinkern im Phragmokonbereich lediglich den Innenabguß des stabilen, mit Sediment gefüllten Sipho, der wie in Abb. 8 ein perlschnurartiges Erscheinungsbild besitzt.

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Abb. 8: Nautilidensteinkern mit "Perlschnur" aus der Nähe von Göttingen (17 cm), Sammlung P. Osburg.

Ich werde mich bemühen, in der nächsten Zeit noch aussagekräftigeres Bildmaterial zu den einzelnen Stadien der Überlieferungsqualität einzustellen. Außerdem bin ich natürlich für Kritik und Anregungen dankbar.

 

Alle Fotos und Fossilien: Stefan Wagner.