Paläogen, Neogen und jünger

Ein 17 cm großer Nautilus aus dem Geschiebe

Hallo Steinkerner, hallo Geschiebesammler

im November 2008 hat Stefan (tassadia) Solveig und mich in eine Kiesgrube bei Lübeck mitgenommen. Dort wies er uns in die Geheimnisse des Heiligenhafener Kieselgesteins ein, das uns bisher noch fremd war. Er zeigte uns, wie man in den aufgeschlagenen Steinen Hinweise auf Krabben erkennen kann.

Also ´ran ans Werk.

Und wie es dem Anfänger glücklicherweise so häufig passiert, fand ich bald in einem Steinhaufen einen Block von etwa 40 X 30 X 15 cm. Die untere Kante ist vom Gletscher angeschliffen, und sie zeigt ein etwa 10 cm langes Oval mit einem Rest brauner Schale, das auf ein Fossil hinweist.
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(BILD 1: Der Stein in Fundsituation.)


Ein allzu kräftiger Schlag auf die richtige Stelle förderte nicht nur mehr Schale ans Tageslicht; er teilte den Stein auch gleichzeitig in 4 große und diverse kleine Bruchstücke. Ich habe aber alle Teile aufsammeln können für die spätere Präparation.
Ein großes Teilstück zeigt das Innenleben des Fossils. In dieser Phase wurde das Fossil alternativ zum Nautilus auch  noch als Hummerfragment oder Schnecke gedeutet. An einen Nautiliden mochte ich noch nicht so recht glauben, weil ich keine Kammerscheidewände erkennen konnte.
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(BILD 2: Der Blick ins Innere des Fossils.)


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(BILD 3: Das abgeschlagene große Stück kann bündig eingepasst werden.)


Der Tipp von Stefan, es könnte ein Nautilide sein, erwies sich erst nach über einem Jahr des Wartens als zutreffend. So lange habe ich mich nämlich nicht an die Präparation herangetraut.

Zunächst wurden die „fossilfernen“ Teile mit der Flex abgetrennt, um den Stein etwas handlicher zu machen.
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(BILD 4: Der Stein ist schon auf handliche Größe zurechtgeflext worden.)


Aber so brachial wollte ich natürlich nicht in Fossilnähe herangehen. Das musste in „Feinarbeit“ mit kleinem Wideameißel und großem Stichel gemacht werden. In dieser Phase schwante mir, dass die Präparation wohl viele, viele Arbeitsstunden erfordern würde.
Deshalb blieb das gute Stück erst mal einige Monate in der Plastikkiste, bis mich durch wiederholte Anfragen von René und Stefan, was denn wohl der mögliche Nautilus macht, die Arbeitswut packte.

Die Arbeit mit dem Drucklufthammer HW 60, den ich mir mit 2 Sammlerfreunden teile, zeigte mir wieder einmal, dass das eine hervorragende Investition war. Dieses Instrument begeistert mich als Hobby-Präparator immer wieder. Er trennt große Stücke des harten Gesteins ab und ist gleichzeitig für feinste Arbeiten zu gebrauchen.
Um den Stein „näher kennenzulernen“ habe ich mit der Seite begonnen, auf der das Fossil an der vermuteten Wohnkammer (unten rechts auf dem Foto) eine große Fläche ohne Schale aufweist. Wenn hier ein Fehler passieren sollte, dann wäre es nicht ganz so tragisch. 
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(BILD 5: Das in Bild 3 gezeigte Bruchstück konnte bündig eingeklebt werden. Es waren nur wenige Millimeter Schale an den Bruchkanten abgesplittert.)

Nach vielen, vielen Arbeitsstunden hatte ich das Fossil endlich aus der Matrix befreit. Dabei mußte ich zu meinem Leidwesen feststellen, dass so gut wie keine Trennschicht vorhanden war. Und hier begann für mich ein großes Problem. Wie kann ich diese dünne weiße kieselige Schicht entfernen?  Dieses Problem wollte ich noch einige Zeit vor mir herschieben.
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(BILD 7: Die Vorderseite des Fossils ist freigelegt. Das unten im Bild sichtbare Oval war in der Fundsituation der einzige Hinweis auf ein eingeschlossenes Fossil. Das Stefan da schon einen Nautiliden erahnen konnte, ist beachtlich!)


Daher bin ich zunächst an die angewitterte Rückseite herangegangen in der Hoffnung, dass dort noch einige Schale erhalten ist. Links oben ist der Abbruch eines Teilstücks zu erkennen, das später noch angefügt werden muss.
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(BILD 8: Nur wenige Millimeter der abgewitterten Rückseite waren zu erkennen. Nachdem 1-2 cm freigelegt waren, hatte ich mit Schalenerhaltung zunächst nicht gerechnet.)


Nun erfolgte ein langwieriges Freilegen des Fossils. Die Arbeit war zwar aufwändig, aber es brachte mir viel Freude und Genugtuung, wenn Millimeter für Millimeter immer mehr vom Nautiliden zutage tritt. Und besonders erfreulich war, daß ein großer Teil der Schale erhalten war.
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(BILD 9: Ein Teil der Rückseite ist nun freigelegt, aber der große Rest muss noch weg)

Endlich ist Rückseite weitgehend freigelegt und ich bin bisher mit der Qualität des Fossils recht zufrieden. Ein Teil der Matrix sollte am Fossil bleiben.
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(BILD 10: Nun ist die Rückseite freigelegt.)


Die Mündung habe ich mit dem HW 60 vertieft und mit PROXXON-Frässtiften geglättet.
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(BILD 11: Blick in die Mündung der Wohnkammer)


Nun war fast alles geschafft und ich konnte nicht länger das Problem vor mir herschieben, wie die dünne Schicht von der Schale entfernt werden kann.  
Meine Experimente mit Strahlen, Essigsäure, Salzsäure, KOH brachten leider nichts. Es blieb mir daher nichts anderes übrig, als die Schicht mit einer kleinen Proxxon-Schleifkappe vorsichtig nach und nach abzuschleifen.
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(BILD12:  Die ersten Versuche zeigten Wirkung. Immer mehr braune Schale kam zum Vorschein.)


Dann kam das Finish. Zunächst habe ich das Teilstück links oben angeklebt.
Dann die kleinen Lücken mit dem 2-Komponenten Epoxidharz-Kleber von UHU ausgefüllt. Um einerseits eine Brauntönung zu erreichen, andererseits diese Teile deutlich als Ausbesserung kenntlich zu machen, habe ich dem Kleber etwas Kaffeemehl (der Gute mit der Krone) beigefügt.
Abschließend wurde der Nautilus noch einmal übergeschliffen und mit Bienenwachs leicht einpoliert.
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(BILD 13: Die Rückseite mit 80-90% Schalenerhaltung. Mit etwas Mühe sind die Lobenlinien andeutungsweise zu erkennen. Die Wohnkammer befindet sich in der unteren rechten Bildhälfte.)

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(BILD14:  Der Nautilus misst in seinem größten Durchmesser stolze 17 cm.)


Zunächst bestanden Zweifel, ob das Gestein tatsächlich dem mitteleozänen Heiligenhafener Kieselgestein zuzurechnen ist oder aber dem Danflint aus dem unteren Paläozän. Das feinkörnige, feste und kieselige graue Gestein ist aber nach dem Urteil von Stefan und Jan, die den Fund bei uns im Original untersuchten, eindeutig als Heiligenhafener Kieselgestein einzuordnen. Ein weiterer Hinweis, der gegen Danflint spricht, ist nach Einschätzung von Michael die Größe der zwei im Gestein eingebetteten Foraminiferen
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(Bild 15: Foraminifere Lenticulina sp.; 1 mm und 0,8 mm Durchmesser. Diese Größe ist für das Dan eher untypisch.)


Das Fossil wurde vorläufig als Deltoidonautilus sp.aff. sowerbyi bestimmt. (vgl. Rayner, Mitchell, Clouter, 2009, „London Clay Fossils of Kent and Essex“). Nautiliden überhaupt und insbesondere in dieser Größe kommen im Heiligenhafener Kieselgestein nur sehr selten vor.

Bei dieser Gelegenheit zeigte sich einmal mehr, wie gut der Sammler in der „STEINKERN-Gemeinschaft“ aufgehoben ist. Ich habe so viele wertvolle Hinweise und Anregungen  zur Präparation, zur Bestimmung des Gesteins und des Fossils selbst bekommen. Dafür geht mein herzlicher Dank an die Steinkerner: Stefan (tassadia), René (kautz80), Michael (~MH~), Axel (Lybyman) und Jan (Gister).

Mit  den besten Sammlergrüßen

Karsten Witteck