Oberer Jura

Einführung in die Bestimmung von Oberjura-Ammoniten

Hier entsteht in den nächsten Jahren schrittweise ein umfangreiches Werk über die Grundlagen zum Bestimmen von Oberjura-Ammoniten. Die Ergänzungen folgen nicht nur chronologisch, sondern werden bei Bedarf auch in ältere Passagen eingefügt. Für Malmammofreaks lohnt es sich also immer wieder, einen Blick in diesen Bericht zu werfen. Viele Aussagen sind übrigens auch für Ammoniten aus anderen Schichten verwendbar. Aus Zeit- und Platzgründen werde ich vieles straffen müssen, aber auch wichtige Themen immer wieder von neuem durchkauen. Den Textstil möchte ich betont locker halten, um auch Anfänger anzusprechen. Wissenschaftlich versierte Kolleginnen und Kollegen bitte ich um Nachsicht, wenn einiges stark vereinfacht wird, aber mir ist es wichtig, dass Sammlerkollegen die Grundschemata erkennen. Für Anregungen und Kritik und natürlich auch Diskussionen bin ich dankbar. Dies gilt auch für orthographische Fehler. Ich gebe mir zwar Mühe, diese peu à peu zu liquidieren, aber einige werden sich wohl trotzdem meines Zugriffs entziehen.

Copyright: Alles hier verwendete Material - Text, Fotos, Grafiken und Skizzen - ist geistiges Eigentum von Victor Schlampp und urheberrechtlich geschützt. Eine Verwendung außerhalb von steinkern.de ist nicht gestattet. Die abgebildeten Ammoniten stammen, soweit nicht anders angegeben, aus der Sammlung des Verfassers.

Anmerkung 15. Juni 2008: Da ich seit rund 9 Monaten keine Resonanz - weder Kritik, noch Bestimmungsanfragen - auf diesen Artikel bekommen habe, werde ich ihn bis auf weiteres nicht weiterverfolgen. Der enorme Zeitaufwand steht in keinem Verhältnis zum gezeigten Interesse. Möglicherweise liegt es auch daran, dass der Großteil der Steinkern-Leserinnen und -Leser andere Sammelgebiete hat oder Bestimmungsfragen wenig Bedeutung beigemessen werden.



Inhaltsverzeichnis

01. Aus dem Leben der Oberjuraammoniten
02. Das Chaos bei der Bestimmung, wie es seinen Anfang nahm, und warum man es auch auf absehbare Zeit nicht ändern kann
03. Noch einige Details zur Nomenklatur
04. Welche Merkmale sind für die Bestimmung noch notwendig?
05. Rippentypen bei Oberjuraammoniten (mit Übung 1)
06. Orthosphinctes Gang durch die Erdgeschichte mit Einführung in die Theorie der Chronostratigraphie
07. Wie sammle ich chronostratigraphisch?
08. Orthosphinctes polygyratus und Lithacosphinctes evolutus: Die unendliche Geschichte eines folgenschweren Irrtums




1. Aus dem Leben der Oberjuraammoniten

Das Schicksal, versteinert zu werden, konnte jeden treffen: Männchen wie Weibchen, Neugeborene, Jugendliche oder Greise. Da viele Oberjuraamoniten ihre Form und Skulptur im Laufe des Wachstums geändert haben, treffen wir in bestimmten Schichten eine Fülle scheinbar verschiedener Gattungen und Arten, die aber in Wirklichkeit nur die Variationsbreite einer einzigen Spezies abdecken.

Doch wie kann der Sammler erkennen, ob es sich bei einem Ammonitenfund um ein Männchen, Weibchen oder jugendliches Tier handelt?
Grundsätzlich bestehen alle Ammonitengehäuse aus zwei Teilen: Die inneren Windungen hatten zu Lebzeiten des Tieres Kammern, die durch Scheidewände voneinander abgetrennt waren. Der letzte Teil ist die Wohnkammer gewesen. Die Scheidewände waren Richtung Schaleninnenseite stark gefaltet. Diese Muster in Form von tannenbaumähnlichen Gebilden (die sogenannten Loben und Sättel, vereinfacht auch als Lobenlinie bezeichnet) kann man - eine gute Erhaltung vorausgesetzt - bei Ammoniten in Steinkernerhaltung auf der Oberfläche erkennen. Dort, wo die Lobenlinie endet, beginnt die Wohnkammer. Sie beträgt bei ausgewachsenen Oberjuraammoniten zwischen einem halben und fast einem Umgang.

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Abbildung 1: Ein Ammonit der Gattung Taramelliceras, (Taramellieras cf. subnereum; Unterer Malm Gamma 1; Hartmannshof; Durchmesser ca. 12 Zentimeter) bei dem man das Ende des Kammerteiles sehr gut erkennen kann. Die Wohnkammer beträgt - wie bei den meisten Exemplaren der Gattung Taramelliceras - nur einen halben Umgang.

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Abbildung 2: Der gleiche Ammonit im Ausschnitt. Die eingezeichnete blaue Linie markiert den Übergang des Kammerteils zur Wohnkammer. Die tannbaumähnliche Gebilde oberhalb der blauen Linie sind die Loben und Sättel, also die Ausbuchungen der ehemaligen Kammerscheidewände. Die unnatürliche Farbgebung des Fotos resultiert aus einem starken Heraufsetzen des Kontrastes, um die Lobenlinie noch plastischer darzustellen.

Ein Sammler, der einen Oberjuraammoniten findet, bei dem die Lobenlinien bis ans Ende des Gehäuses reichen, hat die Gewissheit, nur eine Innwindung ohne Wohnkammer in der Hand zu halten. Im späteren Teil dieses Artikels werden wir sehen, dass bei vielen Oberjuraammoniten solche Stücke nicht näher bestimmt werden können. Ein Hinweis, dass die Anlage der Wohnkammer kurz bevor gestanden hat, ist eine sogenannte Lobendrängung. Einige Oberjuraammoniten haben vor dem letzten Wachstumsschub die Abstände der letzten Septen stark verringert. Dies ist jedoch häufig nur wenig auffällig und muss selbst innerhalb einer einzigen Art nicht bei allen Individuen der Fall sein.

Jetzt aber zu der Frage: Wie kann ich Männchen und Weibchen unterscheiden?
Der Großteil der modernen Paläontologen geht heute bei den Ammoniten allgemein von einem Dimorphismus aus, wobei in Anlehnung an rezente Cephalopoden die kleineren die Männchen und die größeren die Weibchen gewesen sein sollen. Im Mittel- und Oberjura kommt als weiteres Merkmal ein unterschiedlich gestalteter Mundsaum dazu. Die Männchen, auch Mikrokonche (Abkürzung: m) genannt, bilden am Mundsaum meistens auf beiden Gehäuseseiten einen zungenförmigen Vorsprung aus, der auch als "Ohr" (wissenschaftlich: Apophyse) bezeichnet wird. Die Weibchen, auch Makrokonche (Abkürzung: M) genannt, haben dagegen einen einfach geschwungenen, glatten oder trichterförmigen Endmundsaum. In der Jugend sind Männchen und Weibchen skupturell identisch. Erst mit dem Auftreten der Geschlechsreife (und der Ausbildung der Endwohnkammer) kann es neben den verschiedenen Mundsäumen auch zu unterschiedlichen Skulpturen kommen. In Extremfällen unterscheiden sich beide Geschlechter jedoch bereits in den inneren Umgängen deutlich voneinander. Jugendformen sind nicht einfach zu erkennen. Ein Merkmal ist die ungewöhnlich lange Wohnkammer. Sie kann in diesem Stadium weit über einen Umgang betragen. Natürlich kommt auch keine Lobendrängung vor.



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Abbildung 3: Skizze einer Innenwindung aus der Gruppe der Perisphinctiden. Die Lobenlinien reíchen bis ans Ende der Röhre. Da die Wohnkammer fehlt und das Stück noch zu klein ist, um die typische Reifeskulptur auszubilden, kann dieser Ammonit - angenommene Größe 6 Zentimeter - weder einer bestimmten Gattung noch Art zugeordnet werden.


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Abbildung 4: Skizze einer Jugendform aus der Gruppe der Perisphinctiden. Das kleine Stück - angenommener Durchmesser 5 Zentimeter - fällt durch eine einfache Rippenspaltung auf. Die Wohnkammer erstreckt sich über mehr als einen Umgang. Eine Bestimmung auf Artebene ist meist nicht möglich.




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Abbildung 5: Skizze eines kompletten Mikrokonchs (= Männchen) mit vorhandem Ohr (= Apophyse) am Endmundsaum. Die Wohnkammer umfasst nicht ganz einen Umgang. Die Bestimmung des hypothetisch 12 Zentimeter großen Stücks als Orthosphinctes polygyratus (m) ist  - zumindest die Morphologie betreffend - kein Problem mehr.


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Abbildung 6: Diese Skizze zeigt den Makrokonch (= Weibchen) von Orthosphinctes polygyratus, der zu Lithacosphinctes evolutus (M) gestellt wird (auf die Problematik der Zuordnung von Männchen und Weibchen zu verschiedenen Arten oder wie in diesem Fall sogar zu unterschiedlichen Gattungen, wird im folgenden Kapitel eingegangen). Nicht nur der glatte Mundsaum und die Größe - wir nehmen fiktive 23 Zentimeter an - unterscheiden das Stück vom korrespondierenden Männchen, sondern auch die Skulptur im Bereich vor dem Mundsaum.



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Abbildung 7: Jugendform eines Orthosphinctes polygyratus bzw. Lithacosphinctes evolutus, Malm Gamma 1 (untere Platynota-Zone), Kirchleus; Durchmesser 56 Millimeter.  Die Wohnkammer (Beginn ist durch den blauen Punkt markiert), nimmt fast einen ganzen Umgang ein. Die Rippenspaltung ist sehr einfach, der Durchmesser für ein ausgewachsenes Exemplar beinahe zu gering. (Das abgebildete Stück ist das Original zu meinem Malmbuch, Tafel 5, Figur 7)


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Abbildung 8: Jugendliches Exemplar eines Lithacosphinctes evolutus aus dem Malm Gamma 1 (untere Platynota-Zone) von Hartmannshof. Durchmesser 128 Millimeter. Die Wohnkammer (Beginn ist durch den blauen Punkt markiert) beträgt rund einen Umgang. Obwohl das Stück vermutlich noch nicht ganz ausgewachsen ist (es fehlt das Stadium mit den groben Wulstrippen), kann man aufgrund des Auseinandertretens der Hauptrippen auf dem letzten Drittel der Wohnkammer das korrespondierende Männchen (= Orthosphinctes polygyratus) ausschließen. Die büschelartige Aufspaltung der Hauptrippen ist zwar typisch für die Weibchen, kann aber auch bei relativ großen Männchen vorkommen.


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Abbildung 9: Altersreifes Gehäuse eines Lithacostphinctes evolutus mit erhaltenem Endmundsaum und den typischen Wulstrippen auf dem letzten Umgang; Malm Gamma 1 (unten) = untere Platynota-Zone, Hartmannshof; Durchmesser ca. 32 Zentimeter

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Abbildung 10: Komplettes Exemplar von Orthosphinctes polygyratus mit erhalter Apophyse (= Ohr) am Endmundsaum; Malm Gamma 1 (untere Platynota-Zone), Hartmannshof; Durchmesser: 118 Millimeter



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Abbildung 11: Exemplar von Orthosphinctes polygyratus mit anormaler Skulptur nach einem Krebsbiss (blauer Punkt); Malm Gamma 1 (untere Platynota-Zone), Hartmannshof; Durchmesser: 84 Millimeter; Trotz des fehlenden Mundsaums ist aufgrund der Berippung der inneren Umgänge eine Zugehörigkeit zu Orthosphinctes polygyratus ziemlich sicher. Es gibt aber auch Stücke, die durch Verletzung in den Innenwindungen eine derart ungewöhnliche Berippung ausbilden, so dass nicht einmal mehr eine Bestimmung auf Gattungsebene möglich ist.


2. Das Chaos bei der Bestimmung, wie es seinen Anfang nahm, und warum man es auch auf absehbare Zeit nicht ändern kann.

Sammler, die versuchen, Oberjuraamoniten (und das trifft nicht nur auf diese zu) zu bestimmen, sind oft am Rande der Verzweiflung. Viele resignieren, einige laufen Amok: Jeder Wissenschaftler nennt andere Namen und auch in der Literatur türmen sich die Widersprüche. Warum nur? - Schlampp versucht es zu erklären: knallhart, ohne Rücksicht auf irgendwelche Sammlergefühle.

Eines muss von vorne herein klar sein: Ammoniten waren Tiere, die sich im Laufe der Erdgeschichte kontinuierlich weiter entwickelt haben. Zwischen den einzelnen Gattungen und Arten gibt es fließende Übergänge. Wo neue Formen scheinbar plötzlich auftauchen, haben wir es mit Einwanderungen aus anderen Gebieten oder mit Schichtlücken (Überlieferungslücken) zu tun, mit denen sich die Übergänge hätten dokumentieren lassen. Bis zum Beweis des Gegenteils halte ich fest: Es gibt in der Evolution keine Entwicklungssprünge.
Wissenschaflter des 19. Jahrhunderts kannten weder Mikrokonche noch Makrokonche (auch wenn Quenstedt bereits vermutet hat, dass skulpturell ähnliche Formen mit verschiedenen Größen Varianten einer einzigen Art sein könnten), sie sammelten die Ammoniten auf, ordneten sie mehr oder weniger sicher irgendwelchen Schichten zu und fassten sie unter dem Sammelbegriff "Ammonites" mit den entsprechenden Arten zusammen.
Heute werden Ammoniten grundsätzlich nur noch in Verbindung mit der jeweiligen Fundschicht und in Form einer Typenserie (= mehrere Exemplare, die aus einer einzigen Fundschicht stammen müssen) bestimmt. Dazu sind Neuaufsammlungen meist unumgänglich, da bei historischem Material in der Regel jeweils nur wenige Stücke vorliegen, von denen man nicht einmal sicher ist, ob sie tatsächlich aus der gleichen Fundschicht stammen. Blöderweise hat sich die Morphologie bei den Männchen und Weibchen im Laufe der Evolution nicht parallel entwickelt. So sind die Gattungen Physodoceras (M) und Sutneria (m) als dimorphes Paar anzusehen. Doch während Sutneria vom Malm Beta bis in den Delta nacheinander mindestens fünf leicht zu unterscheidende Arten hervorbringt, sehen die Weibchen auf den ersten Blick alle gleich aus. Bei den Taramelliceraten verhält es sich konträr: Die Weibchen (= Taramelliceras) schwelgen in einer wahren Formenpracht, während sich viele der korrepondierenden Männchen (= Lingulaticeras) auf einen einfachen Nenner bringen lassen: klein und nahezu skulpturlos.
Bevor die Wissenschaft etwas über diese dimorphen Beziehungen gewusst hatte, stellte man für die vermeintlich unterschiedlichen Formen natürlich verschiedene Gattungs- und/oder Artnamen auf. Diese jetzt zusammen zu werfen macht jedoch nur dort einen Sinn, wo die beiden Geschlechter skulpturell sehr ähnlich sind. Und gelegentlich ist das auch schon geschehen, wie etwa bei Nebrodites oder Trimarginites. Bei den anderen allerdings würde diese Zusammenlegung zu einer heillosen Verwirrung führen. Auch der Weg einiger Wissenschaftler, makro- und mikrokonche Formen in einer Gattung mit verschiedenen Untergattungen zusammenzufassen, hat sich nicht durchgesetzt. Vor allem nomenklatorische Gründe aus dem Bereich der Biologie sprechen dagegen. Ganz aktuell wird meistens nur noch mit Gattungen gearbeitet, die durch (M) oder (m) als makrokonch oder mikrokonch bezeichnet werden. Eine aktuelle Liste typischer Ammoniten - nach eigenen Aufsammlungen und Beobachtungen bei Sammlerfreunden - aus dem mittleren Malm Gamma 1 (= mittlere Platynota-Zone) von Gräfenberg würde in etwa so aussehen:

Amoeboceras sp. (m)
Aspidoceras cf. binodum (Oppel) (m) und (? M)
Lytoceras cf. album (Quenstedt) (? M)
Taramelliceras ( ? Metahaploceras) rigidum (Wegele) (M)
Taramelliceras ( ? Metahaploceras) subnereum (Wegele ) (M)
Taramelliceras ( ? Metahaploceras) aff. kobyi (Choffat) (M)
Lingulaticeras cf. lingulatum (Quenstedt) (m)
Ochetoceras cf. canaliferum (Oppel) (M)
Oxydiscites laffoni (Moesch) (M)
Ardescia enayi Atrops (m)
Ardescia proincondita (Wegele) (m)
Ardescia desmoides (Wegele) (m)
Lithacosphinctes pseudoachilles (Wegele) (M)
Lithacosphinctes stromeri (Wegele) (M)
Subdiscosphinctes nov. spec. (M) und (m)
? Euaspidoceras rupellense (Orbigny) (M)
? Euaspidoceras nov. spec. (M)
Simosphinctes tieringensis (Fischer) (m)
Physodoceras circumspinosum (Oppel) (M)
Sutneria platynota (Reinecke) (m)
Prorasenia heeri (Moesch) (m)
? Pachypictonia sp. (M)

Erklärungen:

Ein Fragezeichen stellt eine Gattungszugehörigkeit dann in Frage, wenn es in der Wissenschaft verschiedene Meinungen gibt. Bei bestimmten Gattungen (etwa Lytoceras oder Aspidoceras) sind bisher keine "ohrentragenden" Männchen bekannt. Hier unterscheiden sich die Geschlechter vermutlich nur durch die Endgröße. Dies kann durch ein Fragezeichen im Zweifelsfall (Bsp. ? M) ausgedrückt werden. Will oder kann man eine Gattung keiner Art zuordnen, schreibt man dahinter ein "sp" für species. Ist man sich einer Artbezeichnung nicht sicher, schreibt man ein "cf" zwischen Gattung und Art. Dies bedeutet "vergleiche mit". Ein "aff" wird gesetzt, wenn die Art nicht identisch mit der angegebenen ist, aber vermutlich in deren Verwandschaftsbereich fällt. Während man ein cf. relativ locker verwenden kann, sollte es für ein aff. schon nachvollziehbare Gründe geben. Ist man der Meinung, dass eine Art noch nicht beschrieben ist, setzt man ein "nov. spec" hinter die Gattung, was soviel heißt wie "neue Art".

3. Noch einige Details zur Nomenklatur

Auch, wenn es lästig ist, wer Ammoniten bestimmen will, muss einige Grundregeln der Nomenklatur kennen. Aktuell enthält jede Bestimmung drei Elemente: Die Gattung, die Art und den Autor der Erstbeschreibung.
Beispiel: Orthosphinctes polygyratus (Reinecke). Steht der Autor in Klammern, so bedeutet es, dass der ursprüngliche Namen keine Gültigkeit mehr hat. Bei Reinecke heißt unser Orthosphinctes polygyratus nämlich noch Nautilus polygyratus. Bei der Verwendung von Untergattungen ist die Wissenschaft gespalten. Wo sie noch auftauchen, bezeichnen sie meist dimorphe Paare. 
Beispiel: Orthosphinctes (Orthosphinctes) polygyratus (Reinecke) (m) und Orthosphinctes (Lithacosphinctes) evolutus (Quenstedt) (M). Neben der Tatsache, dass dies vom biologischen Verständnis her keinen Sinn macht - eigentlich müsste man beide Formen zu einer Gattung und zu einer Art stellen und weil die ältere Zuordnung stets Priorität hat, müssten beide als Orthosphinctes polygyratus (m) und (M) bezeichnet werden - besteht ein weiteres Problem: Die Mikrokonche bilden eine scheinbar wesentlich größere Formenfülle aus, die bei den Makrokonchen bei kompletten Formen unter den Wulstrippen des letzten Umgangs verborgen bleibt. Deshalb gibt es hier mehr Gattungen. So werden der makrokonchen Gattung Lithacosphinctes als Männchen Orthosphinctes und Ardescia zugeordnet, bei Ataxioceras sind dies Schneidia und Parataxioceras.

4. Welche Merkmale sind für die Bestimmung noch wichtig?

Neben dem Entwicklungsstadium (Jungtier oder Erwachsener) und dem Geschlecht (Männchen oder Weibchen) sind vor allem skulpturelle Besonderheiten (beispielsweise Ausbildung der Rippen und deren Anzahl, Rippenspaltung oder Knoten) wichtig. Dagegen sind der Windungsquerschnitt und die Nabelweite nur in seltenen Fällen wirklich aussagekräftig, da diese Parameter im Laufe des Wachstums stark variieren können. Außerdem sind die meisten Oberjura-Ammoniten der Fränkisch-Schwäbischen Alb mehr oder weniger stark gedrückt, so dass man hier leicht auf falsche Ergebnisse kommt. Ganz wichtig, darauf werde ich später noch kommen, ist die Fundschicht. 

5. Rippentypen bei Oberjuraamoniten


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Abbildung 12: Rippentypen bei Oberjura-Ammoniten:

01: Ungegabelte Hauptrippe (= aschizotome Hauptrippe); Beginn ist stets an der Nabelkante. Falls sie sich nicht aufspaltet, reicht sie in der Regel bis zur Externseite und zieht sich sogar oftmals darüber
 
02: Zweifach gespaltene Hauptrippe (= bipartite Rippenspaltung oder synonym auch biplikate Rippenspaltung); in diesem Fall erfolgt die Spaltung im Bereich der Flankenmitte.

03: Ungegabelte Schaltrippe; diese schiebt sich aus Richtung Externseite kommend ein, darf aber die Nabelkante und auch keine andere Haupt-oder Spaltrippe erreichen

04: Dreifach gespaltene Hauptrippe mit einem einzigen Spaltpunkt, hier im Bereich des Flankendrittels ( = tripartite Rippenspaltung oder synonym auch triplikate Rippenspaltung)

05 und 06: Dreifach gespaltene Hauptrippe, wobei eine Teilrippe geringfügig tiefer ansetzt. Es gibt also im Gegensatz zur tripartiten Rippenspaltung zwei Spaltpunkte (= polygyrate Rippenspaltung). Rückt der erste Spaltpunkt in Richtung Flankenmitte oder darunter, sprechen einige Wissenschaftler bereits von einer polyploken Rippenspaltung. Ich bezeichne diese Einheit lieber als "polygyrate Rippenspaltung mit einem tiefen ersten Spaltpunkt"  

07: Gegabelte Schaltrippe

08 und 09: Hauptrippe spaltet sich unterhalb oder im Bereich der Flankenmitte in zwei Teiläste auf, die sich im Bereich des Flankendrittels bis -viertels nochmals in jeweils zei Teilrippen aufgabeln (= polyploke Rippenspaltung) 

10: Hauptrippe spaltet sich bereits an der Nabelkante oder kurz darüber in zwei Teiläste auf, wobei einer weiter oben nochmals gegabelt ist (= Subpolyploke Rippenspaltung)

11: Parabelknoten mit Parabelrippe: Überreste eines überwachsenen, juvenilen Mundsaums

12: Hauptrippe (oftmals verdickt oder sogar in einen Knoten umgewandelt) spaltet sich im Bereich der Flankenmitte in mindestens drei Teilrippen von (plus/minus) einem Spaltpunkt auf (= fascipartite Rippenspaltung)

13: Hauptrippe spaltet sich oberhalb der Flankenmitte büschelartig auf und es gibt mehrere Spaltpunkte (= diversipartit) 

14: Einfache Wulstrippe

15: Keilrippe (à la Toblerone-Schokolade); die Basis an der Nabelkante ist deutlich schmäler als das Ende nahe der Externseite

16: Das soll eine Einschnürung darstellen. Ebenso wie eine Parabelrippe wird hier eine Wachstumspause markiert

17: Hauptrippe spaltet nur nach einer Seite mit mehreren Spaltpunkten fiederförmig ab (= virgatipartite Rippenspaltung)

18: Endmundsaum mit Apophyse (= Ohr)

Einige Anmerkungen:

- Die Definition, ob sich eine Hauptrippe etwa bei einer bipartiten Spaltung in zwei gleichberechtigte Teilrippen aufspaltet oder sich von der Hauptrippe nur ein Ast abzweigt, ist subjektiv. In vielen Fällen kann man aber festellen, dass nicht beide Äste gleich kräftig ausgebildet sind. Zur Vereinfachung verwende ich - wie der Großteil der Wissenschaftler - die erste Variante

- Gehäuse großwüchsiger Ammoniten (= Makrokonche) werden entweder mehr oder weniger glatt oder haben mehr oder weniger stark ausgeprägte Wulstrippen. Deutlich Keilrippen sind bisher im Oberjura nur bei den Gattungen Perisphinctes und Crussoliceras (eckiger Form) und Pachypictonia (gerundete Form) bekannt
- Bei Vertretern der Gattung Subdiscosphinctes können sich zwei Hauptrippen an der Nabelkante so nahe kommen, dass eine subpolyploke Rippenspaltung vorgetäuscht wird. Dies ist deshalb wichtig, weil wir bei einer subpolyploken Einheit eine echte Rippenspaltung haben, bei der Berührung dagegen eine ungepaltene und eine zweifach gespaltene Hauptrippe. Ungespaltene Hauptrippen kommen jedoch nur bei wenigen Oberjuraformen vor und leisten wichtige Dienste bei der Bestimmung.

- Parabelrippen zählen nicht als Hauptrippen und werden auch nicht mitgezählt. Wenn sie eine bipartite Rippeneinheit kreuzen, wird dies nicht als polygyrate bzw. subpolyploke Rippeneinheit gewertet. Gleiches gilt bei Einschnürungen.

- eine Haupt-oder Teilrippe der einen Flankenhälfte kann - nachdem sie sich über die Externseite gezogen hat - auf der anderen Seite auch zu einer Schaltrippe werden; die polygyrate Rippeneinheit der einen Seite beispielsweise kann also auf der Gegenseite theoretisch auch zu einer ungespaltenen Hauptrippe mit zwei Schaltrippen oder zu einer zweifach gespaltenen Hauptrippe und einer Schaltrippe werden. Eine spiegelbildliche Entsprechung eines Spaltungstyps ist eher die Ausnahme als die Regel.

Bestimmungsbeispiel:

Bei dem Ammoniten (Inventarnummer 1066) handelt es sich um einen Orthosphinctes polygyratus (Reinecke) aus dem unteren Malm Gamma 1 von Hartmannshof. Das Stück hat einen Durchmesser von 105 Millimetern. Der blaue Punkt markiert den Beginn der Wohnkammer, die fast einen Umgang umfasst. Obwohl der Mundsaum mit dem Ohr nicht überliefert ist, scheidet aufgrund der Skulpturentwicklung ein Makrokonch (= Weibchen - dies wäre Lithacosphinctes evolutus) aus.
Auf dem äußeren Umgang sind zwei Einschnürungen (rote Punkte) und drei Parabelrippen (grüne Punkte) erkennbar. Sie sind von den Hauptrippen unabhängig und beinflussen die Skulptur bis auf einige überlappte Schalt- beziehungsweise Spaltrippen nicht.
Die Hauptrippen sind kräftig, stehen radial oder leicht vorgeneigt, und spalten sich im äußeren Flankendrittel meist bipartit auf. Es ist nur eine polygyrate Teilung zu beobachten; ungespaltene Hauptrippen und tripartite Rippeneinheiten konnte ich nicht feststellen. Dazu kommen noch zahlreiche ungepaltene Schaltrippen, die sich gegen Ende der Wohnkammer weiter Richtung Flankenmitte schieben. Alle Rippen überqueren die Externseite ohne Unterbrechung.

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Abbildung 13: Der zu analysierende Orthosphinctes polygyratus von der Flanke aus fotografiert

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Abbildung 14: Der zu analysierende Orthosphinctes polygyratus von der Externseite aus fotografiert. Deutlich zu sehen ist das Parabelrippenpärchen, das wie eine Klammer aussieht.

6. Orthosphinctes Gang durch die Erdgeschichte

Jetzt wird es konkret: Anhand der Entwicklung der Gattung Orthosphinctes möchte ich euch die vorher genannten Probleme exemplarisch darstellen.
Die Ursprünge der Gattung Orthosphinctes sind in der Wissenschaft umstritten: Als Vorfahren kommen Kranaosphinctes, Dichotomosphinctes, Dichotomoceras oder Passendorferia aus dem Malm Alpha 2 in Frage. Leider reicht mein Material von diesen Formen nicht aus, um ein fundiertes Urteil abgeben zu können. 
Relativ sicher ist derzeit, dass die typischen Orthosphincten im unteren Malm Alpha 3 (= Bimammatum-Zone, Hypselum- bzw. Semimammatum-Subzone) erstmals auftreten. Die Männchen bilden relativ kleine Formen (Enddurchmesser etwa 6 bis 12 Zentimeter) mit gerundetem Windungsquerschnitt und durchweg  sich zweifach teilenden oder ungespaltenen Hauptrippen aus. Nur bei größeren Formen kommen in Ausnahmefällen einzelne Schaltrippen und dreifach gespaltene Hauptrippen dazu.  Einschnürungen sind durchweg vorhanden, Parabelrippen kommen meist in großer Anzahl und deutlicher Ausprägung vor. Am Ende der Wohnkammer sitzt eine Apophyse, die oft im Vergleich zu den kleinen Tieren überdimensioniert erscheint. Eine Artbestimmung ist schwierig, weil es für diese Frühformen keine neuere wissenschaftliche Überarbeitung gibt. Günter Schweigert (Schweigert 1997) nennt als Mikrokonche: Orthosphinctes ex gr. colubrinus (Reinecke) [Anmerkung: ex gr. steht für Exemplar aus der Artgruppe um Orthosphinctes colubrinus].


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Abbildung 15: Orthosphinctes cf. colubrinus (Reinecke). Original zu meinem Malmbuch, Tafel 5, Fig. 2; Malm Alpha 3 (= Untere Bimammatum-Zone, Semimammatum-Subzone), Gräfenberg (Deuerlein); Durchmesser ca. 11 Zentimeter. Der kleine rote Punkt markiert eine ungespaltene Hauptrippe, der grüne Punkt eine ungespaltene Hauptrippe, die von zwei Schaltrippen begleitet wird, so dass es aussieht, als wenn diese dreifach gespalten wäre. Der blaue Punkt markiert eine Parabelrippe. Gut zu erkennen ist auch das überdimensioniert große Ohr am Endmundsaum. Der große rote Punkt zeigt, dass es sich beí diesem Stück um ein Abbildungsoriginal handelt. Mit rot habe ich die Originale zu meinem Malmbuch kennzeichnet, andere Veröffentlichungen und Gastfotos für Beiträge befreundeter Sammler in Printmedien tragen einen grünen Punkt und alles, was im Internet steht, wird mit blau markiert.  In meinem Buch hatte ich dieses Stück übrigens als Orthosphinctes (Orthosphinctes) tiziani (Oppel) bestimmt. Diese Zuordnung, darauf hat mich Günter Schweigert hingewiesen, ist falsch. Denn diese Art ist stratigraphisch jünger (Malm Alpha 3 (oben) = Hauffianum-Zone, bauhini-Horizont) und unterscheidet sich von Orthosphinctes colubrinus im Wesentlichen durch zwei winzige Details: Bei Orthosphinctes umfassen sich die Windungen weniger stark, so dass man auch in den inneren Umgängen die Teilung der Hauptrippen beobachten kann. Außerdem kommen neben den typischen bipartiten Rippeneinheiten auch immer wieder Schaltippen dazu, so dass gelegentlich eine Dreifachspaltung vorgetäuscht wird.

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 Abbildung 16: Und hier ist ein echter Orthosphinctes tiziani (Original zu Schweigert, 1997- Ser. B, 247 -, Tafel 4, Fig. 1); Hauffianum-Subzone, bauhini-Horizont, Hundsrücken bei Streichen; die Unterschiede zum vorher gezeigten Orthosphinctes cf. colubrinus sind nicht besonders auffällig. 


Die korrespondierenden Weibchen (= Makrokonche) zeichnen sich meist durch eine moderate Größe (< 25 Zentimeter) aus. Allerdings konnte ich in geringfügig höheren Bänken eine Schicht mit ausgesprochen großwüchsigen Vertretern ausfindig machen. Hier ist ist selbst bei einem halben Meter noch nicht das letzte Wort gesprochen.


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Abbildung 17: Komplettes Exemplar von Pseudorthosphinctes sp. aus dem Malm Alpha 3 von Hartmannshof; Durchmesser ca. 47 Zentimeter. Im Gegensatz zur Gattung Lithacosphinctes fehlt in den mittleren Umgängen das Stadium mit den Büschelrippen. Um dies festzustellen, hatte ich einige schlechter erhaltene Exemplare aus der gleichen Fundschicht zerlegt.

Weil sich viele der kleineren Weibchen von den Männchen nur durch die Größe und einen einfachen Endmundsaum unterscheiden, hat Enay dafür die Gattung Pseudorthosphinctes aufgestellt, nicht wissend, dass diese Formen auch wesentlich größer werden können und dann eine typische Alterskupltur mit groben Wulstrippen ausbilden. Pseudorthosphinctes wird heute als eigene Gattung oder als Untergattung von Orthosphinctes geführt und benennt die makrokonchen Begleiter der Gattung Orthosphincten im Malm Alpha. Günter Schweigert (Schweigert 1997) stellt den Mikrokonchen um Orthosphinctes ex gr. colubrinus (Reinecke) als Makrokonche Pseudorthosphinctes fonannesi (Choffat) gegenüber. Wie schon erwähnt, können diese Pseudorthosphincten Durchmesser bis über einen halben Meter erreichen. Ab einem Durchmesser von rund 25 Zentimeter rücken die Hauptrippen dann auseinander, verstärken sich. Die Rippenspaltung bleibt mit zwei- bis dreifach gespaltenen Hauptrippen und gelegentlichen Schaltrippen konservativ. Büschelrippen, wie bei den jüngeren Lithacosphincten, kommen nicht vor. Ab einem Durchmesser von etwa 30 Zentimetern bleiben nur noch noch wulstig verstärkte Hauptrippen übrig.
Und jetzt kommt das Problem: Bis zum oberen Malm Beta entwickeln sich die Mikrokonche (= Orthosphinctes) nur in geringen evolutiven Schritten weiter, (bsp. Abnahme der ungespaltenen Hauptrippen, Zunahme der Schaltrippen), während bei den Makronchen ein schneller Trend zu komplizierteren Rippenspaltungen erkennbar ist (bsp. dreifach gespaltene Hauptrippen, zahlreiche Schaltrippen, typische diversipartite Rippeneinheiten = "Büschelrippen"), so dass die männlichen Orthosphincten spätestens ab der Basis der Planula-Zone (= unterster Malm Beta) als Makrokonch statt Pseudorthosphinctes nun plötzlich Lithacosphinctes zugordnet bekommen. Bei Günter Schweigert (Schweigert 1997) werden dann vom unteren Alpha 3 bis in den untersten Beta 1 folgende mögliche Pärchen gruppiert:


Bimammatum-Zone; semimammatum-Horizont: Orthosphinctes ex gr. colubrinus (Reinecke) (m) und Pseudorthosphinctes fontannesi (Choffat) (M)

Bimammatum-Zone; bimammatum-Horizont: Orthosphinctes colubrinus (Reinecke) (m) - Pseudorthosphinctes gredingensis (Wegele) (M)

Bimammatum-Zone; tizianiformis-Horizont: Orthosphinctes ex gr. tizianiformis (Choffat) (m) - Pseudorthosphinctes n. sp. in Enay 1966, Taf. 160, Fig. 1-2 (M)

Hauffianum-Zone; bauhini-Horizont: Orthosphinctes tiziani (Oppel) (m) - Pseudorthospinctes cf. alternans Enay (M)

Planula-Zone, tonnerense-Horizont: Orthosphinctes cf. wemodingensis (Wegele) (m) - Lithacosphinctes spielbergensis (Nitzopoulos) (M)

Würde man Männchen und Weibchen jeweils zu einer einzigen Art zusammenfassen, würden gemäß den Regeln der Nomenklatur (ältere Bezeichnung schlägt jüngere) folgende Formen übrigbleiben:

Semimammatum-Horizont: Orthosphinctes ex. gr. colubrinus (m) und (M)
Bimammatum-Horizont: Orthosphinctes colubrinus (m) und (M)
Tizianiformis-Horizont: Orthosphinctes tizianiformis (m) und (M)
Bauhini-Horizont: Orthosphinctes tiziani (m) und (M)
Tonnerense-Horizont: Orthosphinctes cf. wemodingensis (m) und (M)

Man könnte zwei Gattungen (Pseudorthosphinctes und Lithacosphinctes) und drei Arten (fontannesi, gredingensis und spielbergensis) einziehen. Bei Pseudorthosphinctes alternans müsste geklärt werden, welcher Mikrokonch aus den Reihen der Orthosphincten sein Partner ist; für den Pseudorthsphinctes n. sp. in Enay 1966 würde sich die Aufstellung einer neuen Art erübrigen.

Und jetzt kommt ein ganz wichtiger Merksatz: Die Abfolge von Orthosphinctes ex gr. colubrinus bis zum Orthosphinctes cf. wemodingensis (und noch weiter bis zum Gamma) zeigt einerseits eine lückenlose Abwandlung der Formen zum anderen aber auch eine in sich geschlossene Faunengemeinschaft: In nicht kondensierten Abfolgen kommen diese fünf Arten niemals zusammen vor. Obwohl jede Art ein charakteristisches Berippungsbild (bei den Mikrokonchen und/oder Makrokonchen) aufweist, gibt es an den extremen Rändern Überlappungen mit der nächst jüngeren oder älteren Spezies. Spezies, die in einer bestimmten Bankgruppe morphologisch  durch alle Übergänge verbunden sind, bilden eine sogenannte CHRONOSPEZIES. Man nimmt an, dass diese Formen gleichzeitig gelebt haben, also isochron waren. Im Kartext heißt das (vereinfacht ausgedückt): Ob ein Orthosphinctes groß oder klein, dick oder dünn, dicht- oder grobberippt, war, ob er überwiegend zweifach- oder dreifach gespaltene Hauptrippen, viele oder wenige Parabelrippen und/oder Einschnürungen hatte, spielt keine Rolle: Wenn alle Exemplare aus einer einzigen Schicht stammen und durch lückenlose Übergänge verbunden sind, ist es nur die individuelle Variationsbreite einer einzigen Biospezies. Selbstverständlich ist es möglich, dass es zu Lebzeiten Dutzende verschiedener Arten waren. Allerdings ist dies morphologisch nicht überliefert und weil wir zur Bestimmung nur die Parameter Fundschicht und Skulptur haben, halte ich die Theorie der Chronospezies derzeit als das beste Werkzeug, Übersicht in den Formenwirrwarr zu bringen.
Für den Sammler (auch im Lias oder Dogger) bedeutet dies: Wer die Fundschicht nicht kennt, den Artnamen besser nicht nennt. 
 
Doch kehren wir zurück zu den Orthosphincten. Wie bereits erwähnt, verläuft die Entwicklung der Mikrokonche und Makrokonche nicht synchron. Während spätestens im Malm Malm Beta die Weibchen in den mittleren Umgängen die typischen Büschlerippen (= Gattung Lithacosphinctes) ausbilden, sehen die Männchen mit ihren ungespaltenen und zweifach gespaltenen Hauptrippen, zu denen noch einzelne Schaltrippen kommen können, nicht wesentlich anders aus als die Frühformen im Malm Alpha 3.
Dies ändert sich spätestens an der Malm Beta-/Gamma-Grenze. Vor allem in Frankreich und in der westlichen Schwäbischen Alb treten im Malm Beta 2 (= Planula-Zone, Galar-Subzone) Orthosphincten auf, bei denen neben bipartiten auch im verstärktem Maße tripartite und polygyrate Rippenspaltungen vorkommen. Diese werden nicht selten von Schaltrippen begleitet. Ungespaltene Hauptrippen gibt es nur noch bei Orthosphinctes freybergi (Geyer), der aber bei den Subdiscosphincten möglicherweise besser aufgehoben wäre (dazu später mehr in einem eigenen Kapitel). Während im Malm Alpha und Beta die konservative Skulptur auch bei größeren Formen im Wesentlichen beibehalten wird, gibt es bei den Orthosphincten an der Malm Beta-/Gamma-Grenze eine Neuerung: Durch die Zunahme der Spalt- und Schaltrippen können auch diversipartite Rippeneinheiten entstehen. Ohne erhaltenem Mundsaum ist eine Unterscheidung gegenüber einem Makrokonch (= Lithacosphinctes) unmöglich. Und es kommt noch schlimmer: Einige dieser großwüchsigen Orthosphincten bilden sogar polyploke Rippeneinheiten aus. Bruchstücke solcher Exemplare sind ohne Kenntniss der Fundschicht nicht von Vertretern der Gattung Ataxioceras zu trennen. Den "schwarzen Peter" haben jetzt die Weibchen. Formen aus dem Malm Gamma 1 sind denen aus dem Malm Beta sehr ähnlich. Hier hat sich evolutiv gesehen kaum etwas verändert.

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Abbildung 18: Dieser ungewöhnlich große Orthosphinctes aff. polygyratus aus dem untersten Malm Gamma 1 von Hartmannshof zeigt schön die Skulpturveränderung auf dem letzten halben Umgang der Wohnkammer. Ohne den Mundsaum mit dem angedeuteten Ohr (komplett im Negativ erhalten), wäre eine Unterscheidung von einem gleichgroßen Lithacosphinctes cf. evolutus nicht möglich. Original zu meinem Malmbuch, Tafel 5, Fig. 3; Durchmesser: 21,5 Zentimter

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Abbildung19: Im Ausschnitt gut zu erkennen sind die (mit einem roten Punkt markiert) für die Mikrokonchen untypischen diversipartite Rippeneinheiten (= "Büschelrippen") sowie eine polyploke Rippenspaltung (blauer Punkt), die eigentlich erst bei den jüngeren Ataxioceraten vorkommen sollte.

Auf der Fränkischen Alb - soweit ich das bei meinen Aufsammlungen in den verschiedensten Profilen feststellen konnte- gibt es zwischen dem oberen Beta 2 und dem untersten Gamma 1 eine Schichtlücke. Deshalb kann man die konservativ gespaltenen Orthosphincten des Malm Beta sehr gut von den komplizierter gespaltenen Typen des unteren Malm Gamma 1 trennen. Egal aber, ob im Alpha 3, Beta oder Gamma 1 (unten): Ein Merkmal bleibt bei fast allen echten Orthosphincten als feste Konstante bestehen: Die Zahl der Hauptrippen nimmt mit wachsendem Durchmesser stetig zu und kann nur bei sehr großen Exemplare (Durchmesser über 15 Zentimetern) auch gleich bleiben oder geringfügig abnehmen. Dadurch kann man sie von ihren Nachfolgern unterscheiden.
Diese treten erstmals in größerer Zahl im mittleren Malm Gamma 1 auf und werden zur Untergattung Ardescia (vergleiche Atrops) gestellt. Hantzpergue hat Ardescia sogar in den Gattungsrang erhoben. Ardescia ist wie Orthosphinctes mikrokonch, das heißt komplette Vertreter haben am Endmundsaum eine Apophyse ("Ohr"). Eigentlich hätte man für die Weibchen ebenfalls eine neue Untergattung beziehungsweise Gattung aufstellen müssen, was aber Atrops unterlassen hat. So werden diese, genauso wie die Weibchen zu Orthosphinctes als Lithacosphinctes bezeichnet. Die frühen Ardescien unterscheiden sich von Orthosphinctes nur dadurch, dass die Zahl der Hauptrippen ab einem Durchmesser von rund fünf bis sechs Zentimetern (oder auch bereits früher) nicht mehr zunimmt, sondern im wesentlichen je Umgang gleich bleibt. Diese frühen Ardescien werden unter Ardescia enayi Atrops zusammengefasst. Bei den späteren Ardescien nimmt die Zahl der Hauptrippen sogar ab dem vorher genannten Durchmesser mehr oder weniger schnell ab. Hierunter fallen Arten wie beispielsweise Ardescia desmoides, Ardescia proincondita oder Ardescia incondita. Genauso richtig wäre es auch diese Arten zu Ardescia als Untergattung von Orthosphinctes zu stellen. Dann müssen allerdings die Artnamen angeglichen werden. Es heißt dann Orthosphinctes (Ardescia) desmoides, aber Orthosphinctes (Ardescia) proninconditus sowie Orthosphinctes (Ardescia) inconditus. Der Artnamen bezieht sich nämlich dann auf "Orthosphinctes" und dieser hat ein "sächliches Geschlecht", während Ardescia als Gattung betrachtet, ein "weibliches Geschlecht" besitzt.
 

7. Wie sammle ich chronostratigraphisch?

Wie im vorhergehenden Kapitel bemerkt, ist die Fundschicht ein ganz wesentlicher Faktor vor allem bei der artlichen Bestimmung von Oberjuraammoniten. Am besten sammelt man schichtweise und dokumentiert die vorkommenden Ammoniten möglichst genau. Zur genauen Festlegung einer Fundschicht dienen die sogenannten Leitammoniten. Diese Formen stehen idealerweise am Ende einer Entwicklungslinie, sind in das süddeutsche Jurameer eingewandert oder treten nach einer Schichtlücke auf, so dass es zumindest bei uns keine Vorläufer gibt, mit denen man sie verwechseln kann. Dies trifft beispielsweise auf folgende Arten zu:

- Epipeltoceras bimammatum (= Bimammatum-Zone, Bimammatum-Horizont): Epipeltoceras bimammatum steht am Ende einer Entwicklungsreihe, bisher gibt es keine bekannten jüngeren Formen. Mit seinem Vorläufern Epipeltoceras berrense und Epipeltoceras treptense gibt es allerdings Überschneidungen.

- Taramelliceras hauffianum (= Hauffianum-Zone): Das gehäufte Auftreten dieses außerordentlich dicken Taramelliceraten in einem ganz begrenzten Bereich macht ihn zu einem guten Leitammoniten.

- Amoeboceras bauhini (= Hauffianum-Zone, bauhini-Horizont): Seine breite Externseite mit dem aufgesetzten Kiel macht Amoeboceras bauhini zu einem typischen Ammoniten im Bereich von Biohermen ("Schwammriffchen"). Allerdings gibt es ähnliche Vorläuferformen und im Laufe des Oberjuras immer wieder "Nachahmer".

- Sutneria galar (= Planula-Zone, Galar-Subzone): Ist neben Sutneria platynota der größte Vertreter dieser Art im Bereich vom Malm Beta bis Delta und damit ein charakteristischer Leitammonit.

- ? Metahaploceras falcula (= Planula-Zone, Galar-Subzone): Aufgrund seiner Kleinwüchsigkeit und der relativ großen Nabelweite gut von anderen Metahaploceraten zu trennen. Allerdings lassen sich nur komplette Exemplare mit dem geschwungenen Mundsaum von gleich großen Lingulaticeraten (mit Ohr) unterscheiden. Aufgrund seiner geringen Reichweite und keiner auch nur annährend ähnlichen Nachfolgeform ein guter Leitammonit.

- Sutneria platynota (= Platynota-Zone): Gilt als Nachfolgeform von Sutneria galar. Allerdings sind bisher keine Übergänge bekannt. Die typischen Knoten unterscheiden Sutneria platynota von allen anderen jüngeren oder älteren Spezies dieser Art eindeutig. Damit ist Sutneria bisher ein Top-Leitammonit

- Cymaceas guembeli (= Hypselocyclum-Zone, guembeli-Horizont): Cymaceraten treten im süddeutschen Oberjura mit der Form Cymaceras franziskae schlagartig im oberen Malm Gamma 1 auf. Vorläuferformen sind bisher auch aus anderen Ländern nicht bekannt. Cymaceras franziskae, Cymaceras guembeli und Cymaceras perundatum bilden eine Reihe, die aber bereits im mittleren Malm Gamma 2 wieder zu Ende ist. Damit können artunabhängig derzeit alle Belege eines Cymaceras dem oberen Malm Gamma1 bis mittleren Malm Gamma 2 zugeordnet werden.

- Crussoliceras divisum (= Divisum-Zone): Zum Glück sind Vorläuferformen aus dem Malm Gamma 2 im süddeutschen Oberjura extrem selten, do dass das gehäufte Auftreten von Crussoliceras divisum im untersten Malm Gamma 3 einen guten Leithorizont bildet. Die Exemplare sollten allerdings annähernd komplett sein, da Innenwindungen größe Ähnlichkeit mit Garnierisphinctes und Discosphinctoides haben. Nachfolgeformen wie Crussoliceras aceroides oder Crussoliceras atavum erschweren eine Unterscheidung. Wesentlich scheint mir aber die Feststellung zu sein, dass Crussoliceras divisum trotz seiner kräftig gespaltenen Wulstrippen eine mikrokonche Form mit einer Apophyse am Mundsaum ist, während die Mikrokonche jüngerer Crussoliceraten über ein zweifach beripptes Stadium mit unauffälligen Rippen nicht hinauskommen.

- Pseudhimalayites uhlandi (= Divisum-Zone, balderum-Horiont): Tritt scheinbar unvermittelt im mittleren Malm Gamma 3 auf. Es sind allerdings seltene Vorläuferformen bis in den oberen Malm Alpha 3 nachgewiesen. Außerdem gibt es ebenfalls seltene Nachfolgeformen, die in mediterranen Ablagerungen bis in den höheren Oberjura reichen.

- Idoceras balderum (= Divisum-Zone, balderum-Horizont): Idoceras balderum tritt schlagartig in dem nach ihm benannten Horizont auf. Hier ist eine Einwanderung wahrscheinlich, da es ähnliche Formen etwa in Mexiko gibt. Alle Versuche, Vorläuferformen im süddeutschen Oberjura zu finden, sind meines Wissens bisher fehlgeschlagen.


Bei anderen Gattungen und Arten, wie etwa Ataxioceras hypselocyclum oder Ardescia desmoides, die ebenfalls Leitfunktion haben, ist eine Unterscheidung von ähnlichen zeitnah vorkommenden Formen dagegen recht schwierig, weshalb sie sich nur bedingt als Leitammoniten eignen.

Ich selbst würde ein anderes Unterteilungssystem vorschlagen: Die Zonen werden - mit Ausnahme von zwei charakteristischen Leitformen -  statt durch einzelne Arten durch das Auftreten von Gattungen beziehungsweise Gattungsgruppen definiert und dann nur noch durch Horizonte als kleinste Einheiten weiter unterteilt. Vom Malm Alpha bis zum Malm Delta gäbe es dann folgende "Zonen":

- Cardioceraten-Zone: Malm Alpha 1 (= Unteroxfordium)
- Gregoryceraten-Zone: Malm Alpha 2 (= Mitteloxfordium)
- Epipeltoceraten-Zone: Malm Alpha 3 (= Oberoxfordium)
- Zone des Taramelliceras hauffianum: Malm Alpha 3 (= Unterkimmeridgium)
- Subnebroditen-Zone: Malm Beta (= Unterkimmeridgium)
- Zone der Sutneria platynota: Malm Gamma 1 (= Unterkimmeridgium)
- Ataxioceraten-Zone: Malm Gamma 2 (= Unterkimmeridgium)
- Crussoliceraten-Zone: Malm Gamma 3 (= Unterkimmeridgium)
- Aulacostephanen-Zone: Malm Delta (= Mittelkimmeridgium)

Begründung: Nur Sutneria platynota und Taramelliceras hauffianum treten tatsächlich bereits an der Basis der jeweils nach ihnen benannten Zone auf. Ataxioceras hypselocyclum erscheint erst im oberen Teil des mittleren Malm Gamma 2 und für Epipeltoceras bimammatum gilt im Malm Alpha 3 ähnliches. Eine ausführliche Abhandlung über diese Problematik ist veröffentlicht in Schlampp 2006; eine Serie über die wichtigsten Leitammoniten des Oberjura findet sich im Internet unter www.leitfossil.de (kostenpflichtiges Abo)

8. Orthosphinctes polygyratus und Lithacosphinctes evolutus: Die unendliche Geschichte eines folgenschweren Irrtums

Wie schon erwähnt, haben Wissenschaftler noch bis in die 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts bei ihren Veröffentlichungen im wesentlichen auf Ammonitenmaterial zurückgegriffen, von dem nur in den seltensten Fällen eine genaue Fundschicht vorlag. Am Beispiel des dimorphen Paares Orthosphinctes polygyratus (m) und Lithacosphinctes evolutus (M) möchte ich nun aufzeigen, welche Probleme daraus entstehen können: Der Artname polygaratus geht auf den Wissenschaftler Reinecke zurück, der 1818 erstmals einen Nautilus polygyratus in Form einer Zeichnung abbildete. Problematisch: Die meisten nachfolgenden Wissenschaftler haben sich nicht am Original, sondern an der Zeichnung orientiert und im Laufe der Zeit hatte man, wenn man den Ammonites polygyratus meinte, einen Orthosphincten aus dem Malm Beta oder dem unteren Gamma vor Augen. Nachdem dann der "Nautilus polygyratus" auch noch spurlos verschwunden war, nutzte Otto Franz Geyer 1961 in seiner Habilitation die Chance einen Neotypus aufzustellen: Das Original zu Loriol 1877, Tafel 7, Fig. 1 aus dem Schweizer Jura (Randen). Das Stück zeigt die typische Berippung, leider fehlen der Endmundsaum mit der Apophyse und die genaue Fundschicht. Besser wäre es gewesen, den Neotypus aus einer Serie horizontiert aufgesammelter Exemplare aus dem fränkischen Malm Gamma 1 auszuwählen und selbstverständlich einen komplettes Tier zu nehmen. Aber zumindest konnte Geyer den Namen polygyratus retten. Und dann ist etwas Schreckliches geschehen: Das Original ist - nagelt mich bitte jetzt nicht fest - im Naturkundemuseum Bamberg oder Coburg wieder aufgetaucht. Es handelt sich um einen miserabel überlieferten Vertreter eines späten Orthosphincten, der heute zu Ardescia gestellt wird. Das Original hat mit der Zeichnung kaum etwas gemein. Als logische Konsequenz müsste jetzt der Artname polygyratus eingezogen werden und durch ein jüngeres Synonym, wie etwa Orthosphinctes wemodinense oder Orthosphinctes pseudopolyplocoides ersetzt werden. Doch das versucht die Wissenschaft zu vermeiden, weil man sich ungerne von diesem treffenden und charakteristischen Artnamen trennen will.

Wesentlich güstiger sieht es mit dem Makrokonch zu Orthosphinctes polygyratus, Lithacosphinctes evolutus (Quenstedt) aus. Das Original kommt nach Quenstedt seinen Angaben aus dem "Weissjura beta" und ist bei Aalen-Wasseralfingen gefunden worden. Der in Tübingen aufgewahrte Ammonit hat einen Durchmesser von rund 24 Zentimetern und ist beinahe bis zum Ende der Wohnkammer überliefert. Von den Formen des unteren Malm Gamma 1 unterscheidet sich das Exemplar nur durch die etwas größere Nabelweite. Der einzige "Knackpunkt" ist, dass es in der Wissenschaft verschiedene Meinungen über die horizontale Verbreitung des korrespondierenden Mikrokonchs Orthosphinctes polygyratus gibt. Nach Schairer tritt diese Art bereits im Beta 1 (Planula-Zone) auf. Atrops erwähnt sie erst im Beta 2 (Planula-Zone, Galar-Subzone). Eigene Aufsammlungen aus dem Malm Beta der Schwäbisch-Fränkischen Alb haben zu einem für mich bisher unerklärbarem Ergebnis geführt: Während der Grenze Malm Alpha/Beta Orthosphincten vorkommen, die bis auf die geringere Anzahl an Schaltrippen eine große Ähnlichkeit mit dem echten Orthosphinctes polygyratus aus dem unteren Malm Gamma 1 haben, konnte ich diese in jüngeren Malm-Beta-Horizonten nicht mehr nachweisen. Stücke aus dem oberen Malm Beta 1 (Planula-Zone, tenuinodosum-Horizont) haben so gut wie keine Schaltrippen, dafür aber ungespaltene Hauptrippen, wie dies für die Formengruppe um Orthosphinctes colubrinus im unteren Malm Alpha 3 typisch ist. Orthosphincten aus dem obersten Malm Beta (Planula-Zone, galar-Subzone) zeichnen sich durch ausschließlich zweifach gespaltene Hauptrippen aus. Auch hier fehlen die für Orthosphinctes polygyratus typischen Schaltrippen - von den namengebenden polygyraten Rippeneinheiten einmal ganz abgesehen.

 
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Abbildung 20: Orthosphinctes sp.: Dieses rund 8,5 Zentimeter große Stück aus dem tenuinodosum-Horizont der Planula-Zone von Gräfenberg (Deuerlein) zeigt neben den für Orthosphinctes typischen bipartiten Rippeneinheiten und gelegentlichen Parabelrippen (blauer Punkt) auch zahlreiche ungespaltene Hauptrippen (rote Punkte), wie sie eigentlich typisch für Orthosphincten des unteren Malm Alpha 3 sind.


Fazit: Möglicherweise ist Lithacosphinctes evolutus nicht der Makrokonch zu Orthosphinctes polygyratus, sondern zu einer seiner - in der Literatur möglicherweise noch nicht einmal beschriebenen -  Vorgängerarten. Dann würde Orthosphinctes polygyratus als neuer Makrokonch möglicherweise Lithacosphinctes rotiforme (Geyer) zur Seite gestellt. Diese Form stammt aus dem unteren Gamma 1 von Bopfingen und damit aus dem gleichen Fundniveau wie die typischen Vertreter von Orthosphinctes polygyratus. Trotzdem hat die Sache einen Haken: Beim Holotypus fehlt der Mundsaum. Das Stück ist nur 12,5 Zentimeter groß und damit besteht auch die Möglichkeit, dass es sich hier um einen Mikrokonch (Orthosphinctes polygyratus) handeln könnte.

Man sieht, was für ein Chaos entsteht, wenn ohne Kenntnis von Fundschicht und Mundsaum anhand weniger Exemplare neue Gattungen und Arten aufgestellt werden. 



Literaturliste

Enay, R. (1966): L'Oxfordien dans la moité sud du Jura francais - Etude stratigraphique. - Nov. Arch. Mus. d'Hist nat. Lyon, 8: 1-624, 40 Taf., 178 Abb.; Lyon

Geyer, O. F. (1961): Monographie der Perisphinctidae des unteren Unterkimmeridgium (Weißer Jura Gamma), Badenerschichten im Süddeutschen Jura - Palaeontographica, Band 117, Abteilung A, S. 1-157, Taf. 1-22, 157 Abb., 107 Tab., 8 Beilagen, Stuttgart

Schlampp (2006): Einführung zu den Exkursionspunkten der VFMG-Sommertagung 2006 in Altdorf.- Der Aufschluss, Jg. 57, S. 195 - 236; Heidelberg

Schweigert, G. (1997): Der bauhini-Faunenhorizont und seine Bedeutung für die Korrelation zwischen tethyalem und subborealem Oberjura. - Stuttgarter Beitr. Naturk. Ser. B, Nr. 247; Stuttgart


ENDE