Der lange Weg des Phoenix oder von Menschen und der DHL

Phoenix_10.jpg

Ein scheinbar recht gut erhaltener großer Subdiscosphinctes aus dem unteren Malm Gamma 1 von Geisingen. Doch bevor aus dem Trümmerhaufen ein Ausstellungsstück werden konnte, war ein langer Präparations- und Restaurationsweg notwendig, den ich im folgenden detailliert beschreiben möchte.

Vorgeschichte
Meine Freude war groß, als ich bei EBAY dieser Tage einen großen Ammoniten aus dem Oberjura von Geisingen mit der Option "Preis vorschlagen" erwerben konnte. Die Kommunikation mit dem Verkäufer war hervorragend, die Verpackung mit Zeitungspapier, und Luftpolsterfolie meiner Meinung nach zufriedenstellend bis gut. Einziger Kritikpunkt: Den Hinweis "Vorsicht zerbrechlich" hatte der Versender vergessen. Trotzdem ist das massive Gesteinsstück in etliche Teile zerbrochen bei mir angekommen. Ich hatte wieder alles eingepackt, das Paket bei der DHL mit Schadensformular abgegeben und auf Antwort gewartet. Drei Tage später hatte die in meinem Sprachgebrauch Deutsche Herzlos-Liga das Paket an mich neuverpackt zurückgegeben. Weder eine Entschuldigung, noch eine Ursachenbeschreibung, erst recht kein persönliches Anschreiben oder ein Ansprechpartner, sondern nur der Hinweis, dass die Verpackung nicht den AGB der Deutschen Post entsprochen habe. Das ist deutsche Höflichkeit, deutsche Gründlichkeit, deutscher Kundenservice.
Hätte die DHL-Reklamationsstelle geschrieben: "Hallo Herr Schlampp, mein Name ist Hermann Mustermann von der Reklamationsabteilung der DHL. Ihre Beschwerde geht mir am Arsch vorbei. Unsere Post wird von schlecht bezahlten und demotivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sortiert, ausgefahren und zugestellt. Bei uns muss alls schnell gehen, das Wort Vorsicht haben wir beim Umgang mit den Paketen aus unserem Wortschatz gestrichen. Seien Sie dankbar, dass wir Ihnen den Mist überhaupt zugestellt haben und halten Sie das nächst Mal die Klappe" – das wäre vielleicht ehrlich, gewesen, menschlich, modern-kommunikativ, aber einfach ein Computerausdruck, ohne Unterschrift und Rechtsbelehrung?


Zum Ammoniten
Bei dem Ammoniten handelt es sich um einen fast 40 Zentimeter großen Vertreter der Gattung Subdiscosphinctes aus Geisingen. Ob Baustelle oder Steinbruch konnte der Anbieter nicht sagen. Aufgrund der Matrix halte ich den untersten Malm Gamma 1 (Platynota-Zone, Polygyratus-Subzone) für am wahrscheinlichsten. Das Stück stammt aus einem Raucherhaushalt. Es ist relativ vollständig, der Mundsaum jedoch nicht erhalten. Die innersten Windungen waren noch mit Gestein bedeckt. Im Bereich des zweiten Umgangs sind größere Gesteinspartien herausgerissen. Ob dies bereits durch die Sprengung oder beim Lösen aus dem Gesteinsverband geschehen ist, kann nicht mehr festgestellt werden. Ein Teil der letzten Windung ist noch mit Gestein bedeckt. Zum Glück hatte der Finder nicht versucht, dieses wegzupräparieren. Es verdeckt nämlich ein Loch in der Schale des Tieres, das bereits beim Einbettungsvorgang entstanden ist. Vor allem auf der Rückseite hatte der Finder (?) einige abgeplatzten Rippen wieder aufgeklebt.


Phoenix_1.jpg
Bild 1: Der Ammonit im Rohzustand. Dieses Foto hatte mir der Anbieter im Rahmen der Auktion zugeschickt. (Foto: Anbieter)


Phoenix_2.jpg
Bild 2: Der blaue Punkt markiert das Loch in der Schale, die roten Punkte Fehlstellen, die ich in jedem Fall hätte ergänzen müssen. (Foto: Anbieter)


Zur Präparation
Zuerst habe ich den Ammoniten wie ein Puzzlespiel wieder zusammengeklebt. Für kleinere Stücke kam Sekundenkleber, für größere Teile handelsüblicher UHU-Alleskleber zum Einsatz. Den noch mit Gestein bedeckten Teil der Außenwindung habe ich noch vor dem Kleben soweit wegpräpariert, dass er die Rundung nachformt, ohne dass Rippen nachgeschitzt worden sind.
Mein Tipp: Wer an einem fertig gelebten Stück hinterher noch Präparationsarbeiten mit größeren Erschütterungen durchführen möchte, sollte bei Klebearbeiten einen Zweikomponentenkleber (Bsp. Akemi) verwenden. Bei nur mit UHU stabilisierten Flächen ist es sehr wahrscheinlich, dass das Fossil an der Klebestelle erneut bricht.


Phoenix_3.jpg
Bild 3: So ist der Ammonit dank des umsichtigen Transportes via DHL bei mir angekommen. Um ein derart massives Stück so zebrechen, ist meiner Meinung nach eine äußerst rohe Behandlung notwendig.

Phoenix_4.jpg

Bild 4: Kein schöner Anblick nach dem Zusammensetzen. Die Stelle mit dem Loch auf der Außenwindung ist bereits weitgehend auf das Niveau der Windung herunterpräpariert.

Zur Ergänzung
Die größeren Fehlstellen im Bereich der zweiten Windung habe ich erst einmal mit handelsüblichen Gips ausgefüllt. Wichtig dabei ist, in Richtung Oberfläche noch Luft zu lassen für die eigentliche farblich korrekte Ergänzungspaste.
Hierfür verwende ich normalen Holzleim (Ponal). In verschiedenen ehemaligen Fotodosen bewahre ich sehr feines Gesteinsmehl mit unterschiedlichsten Farbtönen auf. Eine kleine angerührte Paste außen auf der entsprechenden Fotodose sozusagen als Strichcode aufgetragen zeigt mir, welchen Farbton ich nach dem Trocknen haben werde.


Phoenix_5.jpg
Bild 5: Die Fehlstelle rechts oben ist inzwischen soweit angepasst, dass sie endbehandelt werden kann.

Phoenix_6.jpg
Bild 6: Der blaue Punkt zeigt die geglättete Fehlstelle im Bereich der Außenwindung, die roten Punkte markieren den aufgebrachten Gips.


Mein Tipp: Da die Ponalpaste nach dem Trocknen deutlich nachdunkelt, muss sie beim Auftragen wesentlich heller sein als hinterher das gewünschte Ergebnis. Gut geeignet zum Aufhellen ist die Zugabe von Gipspulver.
Die Paste sollte sehr gut mit Gesteinsmehl zu einem zähen Brei vermengt sein, sonst entsteht nach dem Trocknen ein unschöner Glanz.

Zahnstocher und Zeigefinger
Mit einem Zahnstocher bekommt man den Brei selbst in relativ dünne Spalten. Angleichungen an das vorhandene Gestein kann durch ein Verwischen mit dem Zeigefinger erreicht werden. Dies geht aber nur solange die Paste nicht im Aushärtungprozess begriffen ist. Sonst verrutscht die bereits feste Oberfläche und es gibt hässliche Risse und Falten. Der Zahnstocher eignet sich auch bestens, wenn man auf angeschrammten Rippen neues Relief aufbauen will. Einfach mit der benetzten Spitze entlang der Rippe fahren und schon hat man den gewünschten First.


Phoenix_7.jpg
Bild 7: An den mit roten Stellen habe ich bereits begonnen, die verschieden farbigen Ponalpasten aufzutragen. Auch die Risse sind größtenteils ausgefüllt.

Phoenix_8.jpg
Bild 8: Die Fehlstelle an der Außenwindung ist mit Ponalmasse farblich angeglichen. Jetzt geht es nur noch darum, dies auch bei den Fehlstellen im Bereich des zweiten Umgangs zu erreichen.

Ergebnis
Der Subdiscosphinctes sieht meiner Meinung nach fast wie neu aus. Der Bereich an der Außenwindung mit der Fehlstelle wurde lediglich mit farblich angepasster Ponalpaste übertupft, was diesem Bereich ein übersintertes Aussehen verleiht. Der nicht erhaltene Viertel-Umgang im Bereich der zweiten Windung wurde nur aufgefüllt. Von einer Nachbildung der Rippen habe ich bewusst abgesehen. Eine Bestimmung als Subdiscosphinctes cf. castroi ist dank der guten Erhaltung der mittleren Windungen kein Problem. Trotz der meiner Meinung nach durchaus gelungenen Restauration müssten diese Repaturen bei der Weitergabe des Ammoniten zwingend angeben werden. Sie stellen auch eine deutliche Wertminderung im Vergleich zu einem ähnlichen Stück in nicht restaurierter Erhaltung dar. Ich habe natürlich Verständnis, für Sammlerinnen und Sammler, die solche Manipulationen an ihren Stücken ablehnen. Aber bei der Größe und Seltenheit des erworbenen Subdiscospinctes aus Geisingen konnte ich der Versuchung nicht widerstehen.


Danksagungen
Mein Dank gilt in erster Linie dem Anbieter, der sich zumindest anfangs nach der Schadensmeldung sehr engagiert um die Sache gekümmert hatte. Später kam dann leider keine Rückmeldung mehr. Möglicherweise hatte er Bammel, ich könnte auf ihn wegen einer Wertminderung zukommen. Besonderes Lob möchte ich der DHL aussprechen. Sie hat das Wort Kundenservice für mich neu definiert. Da diese Abwicklung auch ein Roboter nicht besser hätte machen können, blicke ich optimistisch in die Zukunft des einstigen Postmonopolisten: Hier sind meiner Meinung nach Personaleinsparungen im großen Stil möglich, ohne die hervorragende Servicequalität zu schmälern oder gar in Frage zu stellen.


Fotos soweit nicht anders angegeben und Sammlung: Victor Schlampp