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Im Steinbruch der Eurypteriden (Süd-Ontario, Canada)

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Als mir neulich ein einwöchiger Aufenthalt in meinem Heimatland Kanada bevorstand, hauptsächlich um Zeit mit meinen Eltern und Verwandten zu verbringen, wollte ich es mir nicht entgehen lassen, wenigstens einen Tag an einer der vielen Fundstellen im Paläozoikum Südontarios zu verbringen. Diesmal entschied ich mich für eine Stelle in einem Steinbruch in der Nähe von Fort Erie, wo Schichten des oberen Silurs aufgeschlossen sind. Mit Glück und Ausdauer, heißt es, kann man hier schöne Eurypteriden, urtümliche Seeskorpione, bergen. Die fundhöffige Schicht heißt Williamsville-Formation A, gehört der Bertie Group an und ist ins Pridoli zu stellen.  
Da ich neben dem Steinkern auch im amerikanischen/kanadischen „thefossilforum“ (TFF) aktiv bin, war es relativ leicht mit Hilfe des dortigen Mitglieds Malcolm, der die Formalitäten mit dem Steinbruchsbetreiber erledigte, einen Exkursionstermin zu vereinbaren.
So geschah es, dass ich ziemlich früh an einem Freitag aufstand und mich nach einem kurzen Frühstücks-Aufenthalt bei Tim Hortons Donuts auf den zweistündigen Weg Richtung Süden machte.
Unser Treffen war für 8 Uhr angesagt und alle waren pünktlich da: Malcolm aus Mississauga, Dave aus Pennsylvania, Peter aus St. Catharines, Dave aus Midland, John, Todd und Sam aus New York State und meine Wenigkeit. Eine ziemlich weit angereiste Gruppe!
Malcolm, der diesen Steinbruch inzwischen wie seine Westentasche kennt, verteilte wie gewohnt als erstes Kaffee an die Baggerfahrer und die Lady an der Waage. Als Gegenzug bekamen wir die Arbeitsstelle frei geschoben. Was für ein Service!

 

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Die Arbeitsstelle…

 

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… wird frei geschoben.

 

Die Arbeitsweise ähnelt hier sehr derer beim Abbau im Solnhofer Plattenkalk. Es gilt den so genannten „Waterlime“, einen laminierten Kalkschiefer, in dünne Platten aufzuspalten - und zwar so, dass man möglichst große Stücke zur Untersuchung auf fossilen Inhalt bekommt. Das ist aber leichter gesagt als getan, weil alle Grabungsstellen sich unmittelbar an der Grubensohle befinden und man zuerst seine eigene „Grube“ herstellen muss, um weiter in die Schichten hinein zu gelangen. Deswegen ist es hier erlaubt, im Gegensatz zu Solnhofen, Steinsägen einzusetzen. Auch mit Gas betriebene Blasgeräte werden immer wieder genutzt, um die Arbeitsstellen vom Schutt zu  befreien.

 

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Rechts im Bild und im Hintergrund sind Steinsägen im Betrieb.

 

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Wasser und Schutt werden weggeblasen.

 

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Handarbeit ist aber auch angesagt. Malcolm (im Hintergrund) und Roger bei der Arbeit.

 

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Dave spaltet die Platten noch kleiner in der Hoffnung…

 

Vielleicht fragt sich der Leser jetzt: „Und… was habt ihr gefunden?“ Ehe ich diese Frage beantworte, muss ich vorausschicken, dass, ähnlich wie auch in Solnhofen, die Funddichte an artikulierten Fossilien hier relativ gering ist, es sei dann, man stößt auf eine Zusammenschwemmung oder „Windrow“, wie sie hier fachmännisch genannt werden - und das geschieht nicht jeden Tag, auch wenn 7 Leute 8 Stunden kräftig im Einsatz sind. (Der achte, Sam, ein bekannter Fachmann und Kenner dieser Schichten, war im Bruch auf der Suche nach Besonderheiten unterwegs.) Nicht, dass wir nichts gefunden hätten, wie die folgende Bilderreihe beweist, aber es waren meist verhältnismäßig bescheidene Funde an diesem Tag zu verzeichnen. Wenigstens einer von uns, Todd, war mit Glück gesegnet, und wir freuten uns für ihn.

 

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Todds Eurypteriden-Fund (Bildmitte) während der Bergung.

 

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Auch von Todd. Ein seltener Fund. Ein Phylocarid, oder anders gesagt: eine Garnele.

 

Es folgen einige typische Funde des Tages:

 

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Prosomae (Köpfe) von Eurypterus lacustris (Harlin 1834), je 4 cm breit.

 

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Telson (Stachel), Positiv und Negativ von Eurypterus lacustris, 8 cm lang. Die überwiegende Mehrheit der Funde aus dieser Schicht gehört dieser Art an.

 

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Stamm mit Sporangia der Landpflanze Cooksonia sp., 3 cm.

 

Am Anfang des Tages lud Malcolm bereits einige Kisten aus seinem Auto und stellte sie auf dem Boden zum Begutachten ab. Das gab uns schon zusätzlichen Antrieb für den bevorstehenden Arbeitseinsatz! Die folgenden Fotos zeigen, was wir sahen: die Ergebnisse der Mühsal der Vergangenheit, ohne weitere Worte...

 

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Am Ende des Tages erfuhr ich von Malcolm, dass ich mir eines von den Stücken als Gastgeschenk aussuchen durfte! Ich sollte nicht mit leeren Händen nach Hause gehen. Eigentlich wollte ich mit ihm Tauschen, dafür hatte ich reichlich Material aus dem Jura Süddeutschlands mitgebracht. Aber er sammelt nur Eurypteriden, sagte er. Ich hab’s wenigstens im Gegenzug geschafft, ihm ein kleines Graphoceras als Erinnerung an mich aufzudrücken. Solch eine Großzügigkeit erlebt man nicht alle Tage! An dieser Stelle sei Malcolm, auch für sein organisatorisches Talent, recht herzlich gedankt!

 

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Malcolms Geschenk: Dieser Eurypterus lacustris misst vom Kopf bis zum Ende des Stachels 25 cm.

 

Zum Schluss ein Bild der lustigen Truppe, die den wunderschönen Tag zu einem wahren Vergnügen gemacht hat.

 

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Von links nach rechts: Peter, John, Malcolm, Midland Dave, Todd, Penn Dave.


Weiterführende Literatur:

Eurypterids Illustrated. The Search for Prehistoric Sea Scorpions. Samuel J. Ciurca, Jr. Paleo Research. Rochester, New York.

Fossils of Ontario, Part 3. The Eurypterids and Phylocarids. Life Sciences Miscellaneous Publications. Royal Ontario Museum. Toronto, On.

The Eurypterids of New York. Vol 1&2. J.M.Clark & R. Ruedemann. New York State Museum Publications.

 

Websites:   

http://eurypterid.net/            

http://eurypterid.us/

 

Roger Furze