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Geologische Erkundungen auf Fuerteventura, 1. Teil: die Fossilien von Majanicho

Die Natur auf Fuerteventura mit ihrer Vielfalt und außerordentlichen Schönheit ist ein Schatz, über den wir uns freuen dürfen und der entdeckt werden will. Heute möchte ich Ihnen, liebe Leser, eine interessante Fossilienfundstelle im Norden von Fuerteventura vorstellen, die auch über die Grenzen hinaus weltweit Interesse bei Paläontologen findet. Die wildromantische Westküste Fuerteventuras ist geprägt durch malerische Dörfer und eine wunderbare Gebirgswelt, was bereits die Anfahrt zur Fossilienfundstelle zu einem Erlebnis der besonderen Art macht.

 

Traumhafte Landschaften und kleine Fincas Westkueste Fuerteventura

Abb. 1: Typisches Landschaftsbild an der Westküste Fuerteventuras mit kleinen Fincas im Vordergrund.

 

Typische Erosionslandschaften an der Westkueste

Abb. 2: Erosionslandschaft an der Westküste Fuerteventura.


Exkursionsroute/Anfahrt

Als Ausgangsort für die Exkursion habe ich den Ferienort Costa Calma ausgewählt. Zunächst bewegen wir uns vom Ferienort Costa Calma auf der Straße FV-2 in Richtung Norden bis wir nach links auf die FV-605 nach La Pared einbiegen. Hier durchfahren wir die Landenge Istmo de la Pared, die aus fossilen karbonatischen Treibsanden sowie leicht verfestigten Kalkareniten gebildet wurde. Unter den genannten Sedimenten liegt ein vulkanischer Basaltsockel. Kalkarenite sind Karbonatsedimente mit einer Korngröße von 0,63 mm bis max 1,0 mm. Ein Erkundungsspaziergang ist hier sehr zu empfehlen, da wir in den Kalkareniten bereits die ersten Fossilien sowie Nester erdwespenähnlicher Insekten (Anthopora-Nester) und fossile Landschnecken entdecken können.

 

Anthopora Nester

Abb. 3: Anthopora-Nester.

 

Die bis 3 cm großen Anthopora-Nester, meist solitär (einzeln) vorkommend, gelegentlich aber auch zu Gruppen verwachsene Fossilien weisen eine gerundete fingerhutähnliche Form auf. Sie sind ausgesprochen hart und zeigen eine große zentrale Höhlung. Setzen wir unsere Reise fort in Richtung La Pared, wo wir vor dem Erreichen des Ortes nach rechts weiter auf der FV-605 in Richtung Paraja fahren. Wir fahren durch eine traumhafte Vulkanlandschaft die durch natürliche Erosion über Millionen von Jahren geformt wurde. Auch hier sollte ein Zwischenstop zum Fotografieren der wulstig abgerundeten Gebirge und Täler eingeplant werden. Die Flora wird hier durch farbenfrohe Flechten wie Ramalina (grün, blättrig) und Xanthoria (orange-rot, radialstrahlig) neben anderen meist endemischen d. h. nur hier vorkommenden Pflanzen präsentiert.

 

Flechte Xanthoria

 Abb. 4: Flechtenbewuchs.

 

Die farbenfrohe Flechte Xanthoria

Abb. 5: Die farbenfrohe Flechte Xanthoria im Detail.

 

Nach kurzer Pause setzen wir unsere Reise fort und erreichen schon bald den im 16. Jahrhundert von Fischern und Hirten gegründeten Ort Paraja. Dieser bezaubernde Ort lädt zum Verweilen ein und auch die Kirche mit ihrer Fassadendekoration und Holzdecke im Kolonialstil ist einen Besuch wert. Nach einem Erkundungsspaziergang durch Paraja fahren wir nun weiter auf der FV-30 und erreichen nach 21 Kilometern den wohl schönsten Gebirgsort von Fuerteventura: Betancuria.

 

Betancuria

Abb. 6: Pajara.

 

Wunderschoene Wandfliesenbilder sind nicht selten anzutreffen

Abb. 7: Solch wunderschöne Wandfliesenbilder sind auf Fuerteventura nicht selten anzutreffen.

 

Sehr zu empfehlen ist der Besuch des Archäologischen Museums von Betancuria mit all seinen Schätzen (Begleitheft in deutscher Sprache erhältlich) sowie die Pfarrkirche Nuestra Senora de la Concepcion. Dieses malerische Städtchen war übrigens ehemals Hauptstadt von Fuerteventura. Nach den Besichtigungen und einem möglichen Kaffee-Break fahren wir weiter auf der FV-30 und erreichen schon nach wenigen Kilometern zwei weitere Sehenswürdigkeiten. Auf der Passhöhe können wir links zwei Statuen der Ureinwohner (Mojos) sehen. Nach wenigen 100 Metern führt rechts eine Teerstraße zum Mirador de Morro Verlosa, von wo wir eine traumhafte Aussicht genießen können. Weiter auf der FV-30 biegen wir nach ca. 8 Kilometern links auf die FV-207 ab. Nach ca. 13 Kilometern wenden wir uns erneut nach links und folgen dem Verlauf der FV-10 nach La Oliva. In La Oliva angekommen, fahren wir links weiter auf der FV-10 bis nach Culeta de Roque. Hier fahren wir auf einer sehr guten Teerstraße Richtung Norden nach Majanicho. Als Orientierung dient uns der auffällige rot-schwarze Vulkan Montana Colorada (der bunte Berg) den wir zu unserer rechten Seite sehen. In Majanicho angekommen, parken wir unseren PKW und wandern in westlicher Richtung auf einem Feldweg die Küste entlang bis wir linkerhand Erdarbeiten (viele kleine Erdhügel und ausgebaggerte Senken) sehen können. Hier sind wir an unserem eigentlichen Exkursionsziel angekommen.

 

Majanicho

Abb. 8: Küste bei Majanicho.

 

Aufschluss Majanicho

Abb. 9: Aufschluss bei Majanicho.


135.000 Jahre unter unseren Füßen

Zwischen den vulkanischen Gesteinen können wir zahlreiche 135.000 Jahre alte fossile Meerestiere in den zwischengeschalteten Sedimenten entdecken. Während des Pleistozäns vor 135.000 Jahren war der weltweite Meeresspiegel höher und es lebte hier eine typische Küstenfauna mit diversen Schnecken, Muscheln, Seeigeln und vereinzelten Korallen. Heute liegt der Meeresspiegel deutlich niedriger und so können wir ca. 300 Meter bis 400 Meter von der gegenwärtigen Küste entfernt im Landesinneren fantastische marine Fossilien finden. Die meisten großen Fossilien weisen deutliche Erosionsspuren auf und sind auch zum Teil durch die Bewegung des ehemaligen Küstenwassers „angeschliffen“. Die kleineren fossilen Schnecken sind jedoch in hervorragender Farberhaltung überliefert.

 

Charania lampas Majanicho

Abb. 10: Knotentragendes Tritonshorn Charonia lampas.

 

Sehr auffällig sind die reichlich vorkommenden faszinierenden Wurmschnecken der Familie Vermetidae (lat. Vermis = Wurm). Bei diesen Mollusken handelt es sich um festsitzende Schnecken, die eine Wohnröhre aus Calcit/Aragonit besitzen. An der Basis sind die Wohnröhren stark gewunden und hatten daher einen guten Halt auf den Vulkanischen Steinen sowie auf anderen Substraten wie zum Beispiel Großschnecken. Diese koloniebildenden Wurmschnecken erscheinen miteinander verknotet zu sein. Es kommen bis zu 50 cm große Wurmschnecken - Gebilde vor die aus zahlreichen Individuen bestehen und sehr dekorativ aussehen. Auf der Wanderung durch das Gebiet können eine Reihe gut erhaltener, darunter großwüchsige Schnecken- und Muschelfossilien neben den bereits erwähnten Wurmschnecken gefunden werden.

 

Wurmschnecke der Familie Vermetidae

Abb. 11: Block bestehend aus Wurmschnecken der Familie Vermetidae.

 

Charonia lampas Majanicho

Abb. 12: Großwüchsiger Gastropode Charonia lampas.

 

Sehr auffallend und recht häufig sind die schweren dickwandigen Schneckengehäuse der Thais haemostoma (Rotmund-Leistenschnecke), die eine Größe von 6 cm bis 8 cm erreichen können.

 

Thais haemostoma Majanicho

Abb. 13: Thais haemostoma aus Majanicho.

 

Die Kegelschnecken werden durch die Arten Conus papilionaceus, Conus mediterraneus und Conus testudinarius vertreten und sind relativ selten aufzufinden. Die Gehäuse der genannten Conus-Arten sind nicht so robust wie z. B. die Rotmund-Leistenschnecken und daher sind die meisten Exemplare durch Wasserbewegung bzw. in der Brandung zerstört worden. Eine weitere seltene und sehr schöne Schneckenart ist Murex saratilis. In den pleistozänen Sedimenten kommen zum Teil reichlich diverse, sehr robuste Napfschnecken der Familie Patellidae vor, die auch heute noch an der Küste lebend zu finden sind. Ein Highlight für die Paläontologen sind die Strombus-Arten Strombus coronatus und Strombus bubonius. Es können auch Gehäuseteile von diversen Seeigelarten beobachtet werden. Sehr reichlich ist eine kleine Schnecken-Art in roter Farberhaltung vertreten, die eine Gehäusegröße von < 1 cm aufweist. Für alle genannten Fossilien bestehen ausgezeichnete Fundmöglichkeiten.

Die Auflistung aller hier vorkommenden Fossilien könnte weitergeführt werden, würde jedoch den Rahmen dieses Beitrages sprengen. Wer sich für fossile Schneckenhäuser und Muschelschalen interessiert, der kommt in Majanicho jedenfalls voll auf seine Kosten. Das Sammeln der Fossilien bereitet das größte Vergnügen und ist auch sehr lehrreich.

 

Nehmen Sie bitte allen Abfall, leere Getränkedosen, Plastiktüten usw. wieder mit, denn gerade wir die Naturliebhaber sind besonders dazu verpflichtet die wunderschöne Natur zu schützen.

 

Sonnenuntergang Westkueste Fuerteventura

Abb. 14: Sonnenuntergangspanorama an der Westküste Fuerteventuras.

 

Links zu den später erschienenen Teilen der Serie:

Geologische Erkundungen auf Fuerteventura, 2. Teil: Kalk, ein ehemals wichtiger mineralischer Rohstoff auf Fuerteventura

Geologische Erkundungen auf Fuerteventura, 3. Teil: Fossile Strandlinie südlich Playa la Guirra

Geologische Erkundungen auf Fuerteventura, 4. Teil: Fossile Landschnecken südlich von Carralejo

 

Text und Fotos: Frank Wenzel