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Ein Ausflug ins Karbon Südostirlands
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- Kategorie: Weitere Länder
- Veröffentlicht: Donnerstag, 24. Juli 2014 13:31
- Geschrieben von Roger Furze
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Als meine Frau und ich vor einem Jahr die Einladung zu einer Fachkonferenz in der Republik Irland erhielten, freuten wir uns sehr. Wir waren noch nie dort gewesen, aber wir wussten sehr wohl von den reizvollen Landschaften der grünen Insel, der urigen Volksmusik und den zahlreichen alten Kultstätten, deren Alter teilweise bis vor die Zeit der Erbauung der ägyptischen Pyramiden zurückreicht. Das konnten wir uns nicht entgehen lassen! Deswegen hängten wir eine Woche Urlaub an die Konferenz an und haben die Zeit nutzen können, um einiges in der Richtung zu unternehmen, wie die Bilder unten zeigen.
Upper Lake, Glendalough.
St. Kevins Kirche und Rundturm, Glendalough. Im 6. Jahrhundert gegründet.
Newgrange, steinzeitliches Hügelgrab, mehr als 5000 Jahre alt.
Newgrange Grabeingang.
Knowth Hügelgräber.
Als stadtbekannter Fossilienfanatiker, machte ich mich aber auch mittels Google auf die Suche nach Fundstellen in relativer Nähe zu unserem Aufenthaltsort. Das Buch von Stillman & Sevastopulo (siehe Literaturangaben) erwies sich dabei als sehr hilfreich. Aus mehreren Möglichkeiten, suchte ich einige versprechende Fundstellen für zwei oder drei Tagesausflüge aus. Viele Stellen an der Küste, angefangen im Norden von Dublin, bis hinunter zur Südküste, boten sich an. Dort sind überwiegend Schichten des unteren Karbons (Tournaisium) aufgeschlossen. Die Großscholle auf der die Fundplätze liegen, lässt sich über Wales bis hinüber nach Belgien verfolgen.
Erstes Ziel war die Hook Peninsula (Halbinsel), wo die nach Südosten einfallende Hook-Head-Formation, dadurch dass sie an zahlreichen Stellen aufgeschlossen ist, fast in ihrer Ganzheit ansteht. Diese Formation ist über die Grenzen von Irland, außer in Fachkreisen und unter lokalen Sammlern, kaum bekannt, wird aber seit etwa zwei Jahrhunderten intensiv erforscht. An der Südwestküste bei Churchtown ist die Ballymartin-Subformation recht gut aufgeschlossen. Hier begann ich mit der Suche.
Churchtown. Blick nach Norden.
Churchtown. Blick nach Süden.
Die Fossilien dieser Formation sind oft nicht ideal erhalten, dafür aber zahlreich. In gewissen Horizonten gibt es regelrechte Anhäufungen von Bruchstücken der verschiedensten Faunenelemente. Brachiopoden, Bryozoen und Crinoiden sind besonders häufig, gefolgt von Korallen und - als Seltenheiten - Trilobiten und Gastropoden. Mit Geduld findet man immer wieder Stellen, wo die Fossilien zufriedenstellend bis gut erhalten sind. Einzig eine komplette Crinoidenkrone war mir leider nicht vergönnt. Erst als ich schon wieder zu Hause war, lernte ich, dass ich dafür an der falschen Stelle war. Die folgenden Bilder vermitteln einen Eindruck von den Aufschlussverhältnissen vor Ort.
Korallen.
Brachiopoden.
Trilobit, Brachiopoden, Crinoiden, Bryozoen.
Die präparierten Funde von dort werden weiter unten gezeigt, aber erst zum nächsten Aufschluss an der Spitze der Halbinsel: Hook Head mit seinem Leuchtturm, der schon seit über einem halben Jahrhundert Schiffe vor der gefährlichen Brandung warnt. Hier hat das irische Wetter mir einen Strich durch die Rechnung gemacht, aber ich konnte wenigstens eine halbe Stunde suchen und - in einer Pause zwischen Wolkenbrüchen - einen Seelilienbeleg aus der Ballysteen-Subformation finden.
Leuchtturm.
Typisch irisches Wetter.
Die Flut kommt.
Für den nächsten Ausflug suchte ich mir Balbriggan als Ziel aus, eine Ortschaft nördlich von Dublin. Hier an der Küste, so heißt es, soll man zahlreiche Graptolithen aus dem Silurium auf einer Strecke von einem Kilometer Länge finden können. Ich lief den Strand knapp drei Kilometer auf und ab, solange bis die Flut mich zum Rückzug nötigte. Doch trotz intensiver Suche fand ich keinen einzigen Graptolithen. Ich bin mir absolut sicher, dass ich an der richtigen Stelle war, aber meine Antennen waren offensichtlich an dem Tag abgeschaltet. Wenigstens eine Koralle überraschte mich, als ich einen Stein umdrehte.
Balbriggan Strand.
Die Koralle.
Um mir den Tag nicht komplett verderben zu lassen, machte ich mich am späten Nachmittag auf den kurzen Weg nach Malahide, nur ca. zehn Kilometer südlich von Balbriggan. Am südlichen Rand der Ortschaft steigt man bei Robbswall Castle über eine Treppe an einen Bunker vorbei zum Strand hinab. Ich staunte nicht schlecht als ich einige Einheimische beobachtete, die in ihren Autos angefahren kamen, in den Bunker gingen und dann am Strand im Badeanzug erschienen. Dann stiegen sie - wie selbstverständlich - bei 15 °C und regnerischem Wetter in das eiskalte Wasser, schwammen ein paar Runden und fuhren anschließend wieder weg. Ich selbst fror fast, obwohl mit Pulli und Regenjacke bekleidet!
Hier stehen Schichten der Malahide-Limestone-Formation des Tournaisiums an. Die Fauna an dieser Fundstelle, die hauptsächlich aus Korallen und Muscheln besteht, war dieses Mal - anders als in Balbriggan - nicht zu übersehen.
Strand mit Bunker und Badelustigen im Hintergrund.
Malahide Strand.
Die Koralle Syringopora sp. ist massenhaft im Strandgestein zu beobachten.
Die Korallen nutzten oft die Schalen toter Muscheln der Art Hippocardia herculea als Hartgrund.
Das Gestein bei Malahide ist sehr zäh. Ich konnte trotzdem ein gutes Exemplar von Syringopora bergen, doch besonders die Muscheln waren schwer bis unmöglich aus dem Verband zu befreien. Ich hatte immerhin noch das Glück, das ich ein komplettes Stück in einem losen, verwitterten Block fand.
Hippocardia herculea, 15 cm lang.
Syringopora ?geniculata, 25 x 20 cm.
Hier sind nun die präparierten Funde von der Hook Halbinsel. Praktisch alle stammen vom Aufschluss bei Churchtown. Nur die zuletzt gezeigte Crinoide ist vom Hook Head. Ersteinmal die Brachiopoden:
Lamellosathyris lamellosa, 4,5 cm breit.
Rugosochonetes sp., 4,5 cm.
Cleiothyridina glabistria, 3 cm.
?Unispirifer sp., 4 cm.
Syringothyris cf. elongata. Der obere Brachiopode misst 7 cm.
Bryozoen:
Fenestella sp. nebst Crinoiden-Teilen und Brachiopoden-Bruchstücken, 8 x 7 cm.
Bildausschnitt aus der obigen Stufe: Fistulipora sp., 1,5 cm.
Der einzige Trilobit:
Pygidium von Phillipsia ornata, 2 cm.
Und ein Gastropode:
Platyceras sp., 2,5 cm lang.
Die Korallen:
Caninia cornucopiae angeheftet an einem Brachiopoden der Gattung Unispirifer. Auf der Rückseite sieht man ferner eine aufgewachsene Bryozoe, 2,5 cm lang.
Caninia cornucopiae, 3,5 cm.
Michelinia favosa, max. 13 cm breit.
Michelinia tenuisepta, 7 cm lang.
Crinoiden-Teile sind in vielen Horizonten die häufigsten Fossilien. An manchen Stellen erinnert das Gestein von der Fundhäufigkeit her beinahe an den Trochitenkalk aus der Germanischen Trias. Wegen der Artenvielfalt, ist die Bestimmung für in dieser Hinsicht unerfahrene Sammler wie mich, fast eine Überforderung. Noch erschwert wurde die Bestimmungsarbeit dadurch, dass nur Einzelteile und keine kompletten Exemplare zu finden waren. Deswegen habe ich mich nur an eine Gattungs-Zuordnung und nicht an eine Art-Zuordnung gewagt. Nichtsdestotrotz, sind die Crinoiden-Funde mit vielen Fragezeichen versehen. Die unmittelbar unten abgebildeten Funde sind hauptsächlich Kelchbasen der Gattung ?Dialutocrinus sp., teilweise auf Stufen zusammen mit Brachiopoden, Bryozoen und andere Crinoiden-Teilen. Die Kelchbasen haben Durchmesser von 2,5 bis 4 cm.
?Platycrinites sp., der zentral auf der Matrix gelegene Stiel ist 7 cm lang.
?Poteriocrinites sp., Stiel-Fragmente bis bis zu 7 cm Länge.
Zum Schluss möchte ich noch eine Fundstelle vorstellen, an der ich nur mit dem Fotoapparat "gesammelt" habe. Booley Bay liegt an der Westküste der Hook Halbinsel ca. 10 Kilometer nördlich vom Hook Head. An diesem Küstenabschnitt stehen Schichten des Mittleren Kambriums, die man über längere Strecken verfolgen kann, fast senkrecht an. Die Stelle ist seit nunmehr etwa 30 Jahren Gegenstand intensiver Forschung, weil man bis vor kurzem vermutete, dass die jüngste Ediacara-Fauna der Welt in den Turbiditen der Booley-Bay-Formation vorhanden sei. Die skurrilen Formen geben schon Rätsel auf, wenn man sie betrachtet, aber vor kurzem wurde nach intensiven Studien empfohlen, sie nicht mehr als Ediacara-Fauna zu betrachten. Die Möglichkeit bleibt zwar offen, dass die sichtbaren Strukturen tatsächlich biologischen Ursprungs sind, aber sie müssten zum Beweis zunächst mit einer parallel existierenden Fauna korreliert werden können, die jedoch bislang noch nicht entdeckt worden ist. Auch das Alter der Formation war umstritten, aber neulich haben Untersuchungen an Acritarch-Proben (planktischen Mikrofossilien) gezeigt, dass der Abschnitt mit der vermuteten Ediacara-Fauna zur Drumian Stufe des Mittel-Kambriums zu stellen ist.
Booley Bay mit einem Teil der anstehenden Booley-Bay-Formation.
Abschnitt mit Turbiditen und „Ediacara-Fauna".
Unten einige Formen der „Ediacara-Fauna":
Liebe Sammlergrüße von Roger Furze.
Literatur
Ausich, W. I. & Sevastopulo, G. D. (1994): Taphonomy of Lower Carboniferous crinoids from the Hook Head Formation, Ireland, Lethaia Vol. 27, pp. 245256. Oslo. ISSN 0024-1 164.
Ausich, W. I. & Sevastopulo, G. D. (2001): The Lower Carboniferous (Tournaisian) crinoids from Hook Head, County Wexford, Ireland, Monograph of the Palaeontographical Society 617, 1-137.
Brück, P. M. & Molyneux, S.G. (2011): Cambrian of Ireland. Kap.12 aus: A Revised Correlation of the Cambrian Rocks in the British Isles. Geological Society, London, Special Report 25, 42-52.
Crimes, T.P., Insole, A. & Williams, B. P. J. (1995): A rigid-bodied Ediacaran Biota from Upper Cambrian strata in Co. Wexford (Eire), in: Geological Journal, Liverpool, vol. 30, S. 89-109.
Griffith, R. & McCoy, F. (1844): A synopsis of the characteristics of the carboniferous limestone fossils of Ireland, University Press Dublin.
Macgabhann, B. A., Murray, J. & Nicholas, C. (2007): Ediacaria booleyi: weeded from the Garden of Ediacara? Lyell Collection, Geological Society, London, Special Publications, v. 286, S. 277-295.
Mottequin, B. (2010): Mississippian (Tournaisian) Brachiopods from the Hook Head Formation, County Wexford (south-east Ireland), in: Alvarez, F., & Curry, G. (Hrsg.) Evolution and development of the brachiopod shell, in: Special Papers in Palaeontology 84, S. 243–285.
Stillman, C. & Sevastopulo, G. (2005): Classic Geology in Europe 6: Leinster, Terra Publishing.