Frankreich

Die Juraküste bei Wimereux (Nordost-Frankreich)

Besuch im Boullonais
Immer dann, wenn mir die Gezeiten eine Suche an der Kreideküste in Escalles (15 Kilometer südlich von Calais) verwehren, fahre ich ein paar Kilometer weiter Richtung Boulogne an die Juraküste bei Wimereux. Hier kann man auch dann suchen, wenn in Escalles schon lange oder noch immer "Land unter" herrscht.
Nach der Anfahrt über die A 16 Abfahrt Nummer 33 oder über die Küstenstraße D 940 zwischen Calais und Boulogne kann man direkt an der D 940 zwischen den Orten Ambleteuse und Wimereux am Parkplatz "Pointe aux Oies" sein Auto abstellen. Eine Infotafel berichtet dem interessierten Hobbygeologen über die Entstehung dieses Jura-Küstenabschnittes; eine Holztreppe führt auf den Felsstrand. Wer entspannen und faulenzen will, hält sich rechts und spaziert eine hübsche Bucht entlang Richtung "Dunes de Slack".

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Bild 1: Vom Parkplatz am Pointe aux Oies eröffnet sich ein schöner Blick Richtung Nordwesten auf die Bucht von Slack.

Wer entspannen und Fossilien sammeln will, hält sich am Fuße der Treppe links. Je nach Wasserstand stößt man hier auf ein jahrmillionenaltes Riff, das 20 Meter weiter links von rundgewaschenen Felsblöcken überdeckt wird. Man sollte trittsicher und vorsichtig sein, wenn man diesen unbequemen Weg nimmt (die Felsen sind verdammt rutschig). Ansonsten: Warten, bis die Ebbe kommt, und dann auf den vorgelagerten Gesteinsbänken Richtung Wimereux laufen.

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Bild 2: Am Fuß der Treppe zum Strand herunter hält man sich links und kann bei Ebbe bequem Richtung Südwesten/Wimereux den fossilführenden Kiesstrand erreichen. Bei Niedrigwasser sammeln sich viele Franzosen hier auf den Muschelbänken ihr Abendessen.

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Bild 3: Um die Felsbrocken herum bilden sich kleine Tümpel, in die sich manchmal Seeigel "verirren". Und überall finden sich Abdrücke und Bruchstücke von Muscheln, Ammoniten oder  Austern.

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Bild 4: Das Meer spült immer wieder neues Material aus dem Steilufer, aber auch aus den vorgelagerten Schichten, die weit bis ins Wasser reichen.

Zwischen den Felsen und 50 Meter weiter am Kiesstrand haben meine Frau und ich im Laufe unserer Besuche teils wunderschön erhaltene Seeigel gefunden (Hemicidaris purbeckensis und Polydiadema subaccatum aus dem Tithonium oder dem Portlandien, wie die Franzosen sagen). Ich schreibe deswegen "im Laufe unserer Besuche", weil diese Versteinerungen nicht gerade häufig vorkommen. Es gab auch Tage, da haben wir uns stundenlang die Augen verrenkt - und keinen Seeigel gefunden.

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Bild 5: Seeigel am Spülsaum.

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Bild 6: Die schönsten unserer Funde aus dem Tithonium: Hemicidaris purbeckensis ( Hypodiadema koenigi?)

Allerdings gibt es noch mehr zu finden, wenn man um den Felsvorsprung herumgegangen ist, wo sich ein Kiesstrand öffnet. Das Steilufer hier ist ebenso wie bei Escalles der Abbruchgefahr wegen mit Vorsicht zu genießen. Man braucht freilich gar nicht in der Steilwand suchen: Das Meer wäscht auch hier immer wieder tolle Stücke heraus. Etwa Steinkerne von Muscheln, Schnecken und Austern (Trigonia und Deltoideum expansa) sowie Teile wurmähnlicher Tierchen (Serpula sp., Glomerula gordialis).

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Bild 7: Pleurotomaria rozeti.

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Bild 8: Nicht bestimmte Muschel.

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Bild 9: Steinkerne von Muscheln und Austern.

Die schönsten Stücke nach den oben erwähnten Seeigeln sind für mich allerdings die nicht ganz so seltenen Schnecken Pleurotomaria rozeti, ebenfalls aus dem Tithonium. Mit allen anderen Stücken gemein haben sie, dass sie "fix und fertig" präpariert sind und daheim einfach in die Vitrine gestellt werden können.
Wer im zeitigen Frühjahr sammelt, wenn die See das Steilufer weiter ausgehöhlt und den Strand gut "umgegraben" hat, kann auch größere Ammoniten finden - etwa solche wie auf den folgenden Bildern.

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Bild 10: Der kann so bleiben...

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Bild 11: Der wartet noch auf seine Befreiung...

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Bild 12: Ein Geschenk eines Sammlerkollegen; ich konnte nicht nein sagen.

Die ersten zwei Brocken habe ich selber gefunden (und am Strand gejubelt...); den dritten hat mir ein französischer Sammler aus Dunkerque geschenkt, der diesen Küstenabschnitt regelmäßig besucht (vielen Dank noch einmal, mein lieber Marc Moraes!). Eine Bestimmung ist mir nicht möglich; auch bei der Präparation weiß ich nicht so recht. Vielleicht kommen die Funde auch so ausreichend zur Geltung.
Auf diesem Kiesstrand stößt man ferner häufig auf Bruchstücke einst riesiger Ammoniten - zu schön, um wahr zu sein, zu schwer, um sie mitzunehmen. Kolosse, die vielleicht mit meinen kleineren Ammoniten verwandt sind?


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Bild 13: Zu groß, um es mit nach Hause zu nehmen: Diese Stück wird auch nächstes Jahr noch am Strand liegen.

Je nachdem, wie sehr das Meer ans Ufer donnert, wird gelegentlich auch die dicke Kies- und Geröllschicht am Fuße des Steilufers freigespült. In einer schmierigen, tonigen Schicht finden sich hier neben versteinerten Holzstücken sehr viele Austern und Ammoniten in zerbrechlicher Schalenerhaltung. Wer solche Stücke bergen will, muss sich entsprechendes Werkzeug mitnehmen, um die ganze Stufe praktisch aus dem Boden abstechen um sie heim transportieren zu können (etwa eine Maurerkelle und ein metallenes Kehrblech). Das scheint etwas für Könner zu sein - mir mochte es bislang nicht richtig gelingen. Schade, denn die Ammoniten mit ihrer weißlichen Schale sind tatsächlich sehr schön.

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Bild 14: Das Meer hat den Kies vor dem Steilufer weggespült und eine neue Fundschicht freigelegt.

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Bild 15: Schwierig aus dieser weichen Schicht zu bergen: Ammoniten, die einem unter der Hand auseinanderbrechen. Dieses Belegstück habe ich mit Tiefengrund aus dem Baumarkt gesättigt; jetzt hält es zusammen.

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Bild 16: Auch Holz wurde einst in dieser Schicht eingebettet; es ist nach dem Durchtrocknen sehr bröselig und muss gehärtet werden; ich nehme den besagten Tiefengrund.



Wer sich für (zahllose) fossile Austern und Muscheln interessiert, dem sei der Strand bei Audresselles (ebenfalls an der D 940 zwischen Ambleteuse und dem Cap Gris Nez gelegen) empfohlen: Vom Strandzugang Richtung Norden treten die Tiere gesteinsbildend auf.
Auch das Cap Griz Nez bietet eine interessante, allerdings bei weitem nicht so ergiebige Fauna. Versteinertes Holz lässt sich auch in der Bucht von Wissant finden (zwischen Wissant und Cap Gris-Nez).
Interessantes rund um den Marmor aus dieser Gegend erfährt man in einem Museum unweit der gigantischen Steinbrüche von Marquise; das "Maison du marbre et de la geologie" ist nicht nur an verregneten Tagen einen Besuch wert (nähere Informationen unter http://guidesnature.free.fr/maison.html).

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Bild 17: Eine Muschel, die am Strand von Audresselles massenhaft vorkommt.


Das darf nicht fehlen: Mein ganz persönlicher Tipp für einen schönen Abschluss eines hoffentlich erfolgreichen Sammelausfluges an diesem Küstenabschnitt zwischen Wissant und Boulogne: Ein Stadtbummel durch den recht ursprünglich gebliebenen, alten Touristenort Wimereux (das "Nizza des Nordens" präsentiert sich im Internet unter www.ville-wimereux.fr) und der Besuch eines ordentlichen Restaurants, etwa des "Cafe Le Dauphin" in der Rue Carnot 3 (Bivalvia in Weißweinsahnesoße und gute Pizzas) mit einem für Frankreich außergewöhnlich guten Preis-Leistungsverhältnis.

Text und Fotos: Kurt Hoeppe

Link zu einem Beitrag über den unmittelbar benachbarten Kreide-Fundort Escalles:
http://www.steinkern.de/fundorte/frankreich/249-die-kreidekueste-bei-escalles-nord-pas-de-calais.html