Frankreich

Rudisten aus dem Urgonien der Provence

Rudisten (rudis, lat.: rauh, wegen der rauhen Oberfläche der Schalen) sind große Muscheln des Oberen Jura und (vor allem) der gesamten Kreidezeit. Die Schale ist durch zwei deutlich verschiedene Klappen gekennzeichnet (Eistüte mit Mützchen). Beide Muschelklappen sind meist unterschiedlich groß und unterschiedlich gestaltet: rübenartig, kegelförmig, hörnerartig gekrümmt oder spiralig gedreht - immer mit passendem Deckel. Rudisten konnten bis zu zwei Meter groß werden, lebten liegend oder aufrecht am Boden und bildeten auch Riffkolonien. Rudisten fielen dem Massensterben an der Kreide-Tertiär-Grenze zum Opfer.



In der Provence, nahe Avignon, finden sich riesige Steinbrüche bei Orgon im Departement Bouche-du-Rhone südlich von Cavallion. Aufgeschlossen sind fast weiße Kalke des Urgonien (Barreme, Unterkreide), die voller Rudisten stecken. Es sind ganz überwiegend zwei Arten : Toucasia carianata und Requiena ammonia.



Orgon ist die Typuslokalität des Urgonien, an der der große französische Paläontologe D´ORBIGNY 1847 diese Fazies erstmalig beschrieb. Urgonien ist weniger eine stratigraphische als vielmehr eine fazielle Bezeichnung. Stratigraphisch gehört das Urgonien in das Barreme (Unterkreide). Während im Gebiet der französischen Voralpen die ganze Unterkreide hindurch graue Cephalopoden-Mergel in einer Mächtigkeit von bis zu 1500 m abgelagert wurden, entstanden auf den westlich vorgelagerten Schelfflächen gleichzeitig Seichtwasserbildungen. Dies sind im Barreme vorwiegend helle Rudisten-Riffkalke und organogene Trümmerkalke des Urgonien.

Die Urgon-Fazies ist eine chararkteristische Küstenrandfazies des Thetysmeeres, die sich durch großwüchsige, riffbildende Muscheln auszeichnet. Die untere Klappe der Rudisten ist am Substrat festgewachsen und zeigt ein korallines Höhenwachstum, wächst also kräftig in die Höhe, während die andere Klappe wie ein Deckel oben aufliegt und mit für Muscheln gewaltigen Schlosszähnen in die untere Klappe eingreift. Das Schloß ist pachydonten Typs, d.h. ein bis drei unsymmetrische, zapfenförmige Vorsprünge fügen sich in entsprechende Gruben der Gegenklappe. Die für Muscheln sonst so charakteristische Symmetrie ist den Rudisten verloren gegangen.


Die Präparation dieser Fossilien ist relativ einfach, da der Kalk weich ist und sich gut von der Kalzitschale des Fossils löst, kann er einfach mit einem feinen Meißel weggemeißelt werden, dann noch anhaftende Kalkreste lassen sich mit einem Skalpell abschaben, ohne die Kalkschale des Rudisten zu beschädigen.



Requiena ammonia
Größe : ca. 8 cm


Requiena ammonia
Größe : ca. 8 cm


Toucasia carinata (MATHERON)
Größe : ca. 9 cm


Toucasia carinata (MATHERON)
Größe : ca. 9 cm


Toucasia carinata (MATHERON)
Größe des Rudisten : ca. 10 cm

Fotos und Sammlung : Sven von Loga



Literatur
·Aubouin, J. (1974) La Provence. - in : Géologie de la France, vol.2, S. 346 - 386 (Doin editeur, Paris)
·Carte Géologiques de la France 1:80.000 mit Erläuterungen, Blatt 222 Avignon
·Gouvernet, C., Guieu, G. & Rousset, C. (1979) Provence. - aus der Reihe "Guides Géologiques Regionaux", 2.überarbeitete Auflage (Edition Masson, Paris)
·Loga, Sven v. (1990) Die Muschelriffe von Orgon - Eine Betrachtung des Urgon an der Typuslokalität (DER AUFSCHLUSS, 41, S.227-230, Heidelberg)
·Masse, J.P. (1976) Les calcaire urgoniens de Provence. - Dipöomarbeit, Marseille. 445 pp.
·Richter, Andreas E. (1979) - Südfrankreich und seine Fossilien - Geologie und Paläontologie von Causses und Provence (Franckh´sche Verlagshandlung, Stuttgart)